Esther Sedlaczek arbeitet seit 2021 für die ARD und wird bei der EM 2024 in Deutschland für das Erste als Moderatorin im Einsatz sein. Wir haben mit ihr über Vorurteile von Zuschauern, Veränderungen als zweifache Mutter, Frauen in der Berufswelt und unangenehme Interviews gesprochen.
Esther Sedlaczek, erfahren Sie als Frau im Fussball immer noch Vorurteile von Fans beziehungsweise Zuschauern?
Wie schlimm ist es mit der Kritik in den sozialen Medien?
Wenn wir hier nur von Kritik sprechen würden. Schlimmer ist, dass manche Menschen offenbar glauben, dass sie ihren Frust dort komplett abladen und dabei Grenzen überschreiten können. Das habe ich einmal erlebt. Da ist mir ein Versprecher unterlaufen. Ich habe in einer Sendung vor einigen Jahren statt Bayern Bauern gesagt, habe mich aber sofort korrigiert. Trotzdem erhielt ich schlimmste Beleidigungen und Drohungen. Ausserdem kommt es vor, dass Fotos geschickt werden und es zur sexuellen Belästigung kommt. Ich würde mir wünschen, dass es noch mehr Schutz gibt. Ich finde es schade, dass manche Menschen keinen anderen Ausweg finden, als ihren Frust an fremden Menschen auszulassen.
Wie kompliziert ist die Fussball-Branche generell für Frauen?
Ich finde, dass sich etwas getan hat. Natürlich gibt es immer noch gewisse Hürden und wir dürfen auch nicht nur von den Jobs vor der Kamera sprechen, sondern auch von den Jobs hinter der Kamera. Der grössere Anteil in Fussball-Redaktionen ist immer noch männlich und ich kann mir schon vorstellen, dass Frauen da möglicherweise Probleme haben.
Hinzu kommt, dass Frauen als Kommentatorinnen noch nicht lange eine grosse Rolle spielen. Es ist immer ein gewisser Weg, der beschritten werden muss und natürlich ist es entlarvend, wenn Antistimmung gegen eine Frau als Kommentatorin gemacht wird. Daran merkt man, dass es für viele Frauen im Fussball immer noch eine Herausforderung ist.
Die ZDF-Kollegin Claudia Neumann erfährt zum Beispiel oft harsche Kritik …
Die Frage ist dann immer, wie man diese Herausforderung annimmt. Ich finde zum Beispiel, dass
Würden Sie sagen, dass Frauen in dem Beruf etwas Bestimmtes besser können als Männer?
Nein, dafür sind wir alle zu individuell und zu unterschiedlich. Ich würde von mir nicht behaupten, dass ich etwas viel besser kann als meine männlichen Kollegen.
Sie sind inzwischen zweifache Mama. Wie hat sich Ihr Berufsleben verändert, seit Sie Kinder haben?
Man sagt öfter 'Nein'. Das ist ganz wichtig, und es tut sehr gut, das zu sagen. Vorher war die zeitliche Kapazität und auch die Bereitschaft da, man konnte einfach mehr machen. Das ist jetzt nicht mehr der Fall und ich sage liebend gerne oft 'Nein', weil ich bei den Kindern sein möchte. Dahingehend hat sich das Berufsleben schon verändert. Ausserdem ist viel mehr Organisation als vorher nötig. Es hängt an einem wesentlich dünneren Faden als vorher, denn trotz der ganzen Organisation kann alles durcheinander geworfen werden, wenn zum Beispiel ein Kind krank wird. Man muss auf alle Situationen so gut es geht vorbereitet sein, auch wenn das eigentlich nicht möglich ist.
Esther Sedlaczek über die Herausforderungen als Mutter
Wie schwierig ist der Spagat für Sie und wie schaffen Sie ihn?
Beruf und Eltern sein ist für niemanden leicht, aber es funktioniert bei mir wahnsinnig gut, ich habe selten grosse Probleme, es lässt sich alles wunderbar organisieren. Ich kann aktuell meine Kinder mitnehmen, wenn ich mal ein paar Tage länger weg bin und sie erleben, wie ich arbeite, wie zum Beispiel beim Quizduell-Olymp. Dann kann ich sie auch mal mit ins Studio nehmen. Aber ich sehe das bei Freundinnen, bei befreundeten Paaren: Das ist immer herausfordernd.
Sie engagieren sich für mehr Sichtbarkeit von Frauen in der Berufswelt. Wie beurteilen Sie den Status Quo?
Ich habe einen sehr unterstützenden Arbeitgeber. Ich bin schwanger in meinen neuen Job bei der ARD gegangen und da habe ich nur Zuspruch und Unterstützung erfahren. Aber ich kenne auch viele Freundinnen, denen es anders geht. Sie haben nicht die Möglichkeiten bekommen, als sie zum Beispiel aus ihrer Elternzeit zurückgekommen sind. Dann sind sie vielleicht noch in derselben Position, haben aber nicht mehr die gleiche Verantwortung.
Dann heisst es: 'Du hast ja ein Kind und was ist, wenn das mal krank wird?' Ganz zu schweigen von denjenigen, die einen Job suchen und wenn es dann heisst: 'Mit Kindern nehmen wir Sie nicht, denn da kann man sich nicht so drauf verlassen.' Das alles passiert noch viel zu häufig und ich engagiere mich bei der Plattform Superheldin, die sich genau für solche Fälle einsetzt, die Frauen bei der Rückkehr ins Berufsleben unterstützt.
Was muss sich in der Hinsicht ändern?
Ich denke, dass wir in Führungspositionen immer noch zu wenig Frauen haben. Das ist ein fortlaufender Prozess, der immer mal wieder auch stagniert. Deshalb muss man dranbleiben und immer wieder darauf aufmerksam machen, damit es vorangeht.
Wichtig ist dabei, dass Frauen weitere Frauen nachholen. Ich habe es leider schon erlebt, dass das nicht immer der Fall ist. Es sind nicht immer die 'bösen' Männer, die keine Frauen haben wollen, sondern manchmal leider auch Frauen, die keine weiteren Frauen in diesen Positionen haben möchten. Deshalb finde ich es gut, wenn es Organisationen gibt, die sich proaktiv einbringen.
Die Kritik hat Sedlaczek geprägt
Was hat Sie persönlich beruflich besonders geprägt?
Im Fussball die Kritik am Anfang. Die hat mich wahnsinnig selbstsicher gemacht. Ich bin schon oft hingefallen und dann wieder aufgestanden. Dieses Hinfallen war in meiner Karriere das Wichtigste, denn das Aufstehen hat mich immer stärker gemacht. Ich habe so viel mehr dazugelernt durch Dinge, die nicht so gut gelaufen sind, als durch Dinge, die gut gelaufen sind.
Das waren zum Beispiel Interviews mit Trainern, da hatte ich ein paar, die einfach so schlecht gelaufen sind, dass ich danach wirklich dachte: 'Um Gottes willen, was hast du da verzapft?' Das hat sich für den Moment schrecklich angefühlt, aber im Rückblick habe ich genau diese Momente gebraucht, um mich immer mehr zu finden und immer besser zu werden in dem, was ich tue.
Wie selbstkritisch sind Sie? Gab es nach den Fehlern auch mal schlaflose Nächte?
Es kommt immer darauf an. Mir ist schon lange kein Riesen-Schnitzer mehr unterlaufen, der mir schlaflose Nächte bereitet hat. Früher fand ich das ganz schrecklich, hatte schlaflose Nächte, denn ich bin selbst meine härteste Kritikerin. Durch meine Kinder hat sich bei mir allerdings auch wahnsinnig viel relativiert.
Das heisst, ich geissle mich selbst nicht für jeden Versprecher, habe mittlerweile für mich akzeptiert, dass sie dazugehören. Sie sollten nicht in Hülle und Fülle in einer Sendung auftreten, aber sie passieren und das ist auch in Ordnung. Ich habe dafür meinen 'Circle of Trust'. Das sind ein paar Menschen, deren Feedback ich sehr schätze.
Erinnern Sie sich noch an Ihr unangenehmstes Interview?
Oh ja, das würde ich aber nicht benennen wollen. Das war mir wahnsinnig unangenehm und es war meinerseits einfach nicht gut geführt, aber das ist bestimmt schon acht, neun Jahre her.
Mit der EM in Deutschland im Sommer steht auch für Sie ein besonderes Turnier an. Worauf freuen Sie sich am meisten?
Ich freue mich, nach 2006, als ich als Fan im Stadion war, diesmal unten am Spielfeld stehen zu dürfen und diese Spiele mit begleiten zu können. So nah dran - das ist für mich etwas ganz Besonderes. Ich freue mich auf die Stimmung in unserem Land. Ich würde mich darüber freuen, wenn es wieder mehr Miteinander als Gegeneinander gäbe und ich würde mich sehr über einen sportlichen Erfolg der deutschen Nationalmannschaft freuen.
Über die Gesprächspartnerin
- Esther Sedlaczek hat als Reporterin und Moderatorin beim Pay-TV-Sender Sky bereits zehn Jahre lang Erfahrung in der Fussball-Berichterstattung gesammelt, ehe sie 2021 zur ARD wechselte. Dort moderiert sie nicht nur die Sportschau, sondern war auch bei der WM 2022 im Einsatz.
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