- Ein Song, eine Legende: Vor 25 Jahren erobert "Three Lions" die Herzen der Fussball-Fans.
- Vor allem für die englischen Fans ist das Lied Kulturgut, das auch bei der EM 2021 die Nationalmannschaft in den Stadien begleitet.
- Dabei hätte der englische Verband das Lied 1996 fast verboten.
Der Lärm kündigt sich an. Erst ganz langsam, dann wird es sehr schnell intensiver. Wie ein heranziehendes Donnergrollen legt sich der Klangteppich über das Wembley-Stadion, wie ein Feuer erfasst es das ganze Rund und entfacht eine emotionale Ausnahmesituation. Das zunächst zart angestimmte "It's coming home. It's coming home” wechselt in Sekunden zu einem nachdrücklichen "It's coming", ehe die Zeile "Football's coming home” fast schon verzweifelt herausgeschrien wird. Der Rest ist Gänsehaut.
Bei der EM könnte die Verzweiflung nun zu einem Versprechen werden, denn der Song, der offiziell "Three Lions" heisst und die inzwischen weltweit bekannte Zeile "Football's coming home” beinhaltet, ist zwar 25 Jahre alt, doch er begleitet die englische Nationalmannschaft mal wieder auf Schritt und Tritt. Vor dem Finale am Sonntag gegen Italien ist er zu einem Mantra geworden. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um den Song.
Wie lautet der Text von "Football's coming home"?
Tatsächlich gibt es zwei Versionen des Songs. Zum einen das Lied von 1996, in dem es textlich um die Sehnsucht nach einem weiteren Titel geht und um das Gefühl des (ständigen) Verlierens, des Scheiterns. Zwei Jahre später kam zur WM 1998 eine weitere Version heraus, mit einem leicht abgeänderten Text, in dem es auch um die WM 1990 geht, wo England im Halbfinale an Deutschland scheiterte. Im Elfmeterschiessen. Auch das dazugehörige Video war anders, es bezog sich auf die EM 1996, als England wie 1990 im Halbfinale ausschied. Wieder gegen Deutschland. Und wieder im Elfmeterschiessen.
Intro von 1996:
I think it's bad news for the English game
We're not creative enough, and we're not positive enough
Intro von 1998:
The crosses of St George are flying all around me
Oh it's saved, saved, saved!
We still believe
We still believe
We still believe
It's coming home It's coming home It's coming Football's coming home
It's coming home It's coming home It's coming Football's coming home
Version von 1996:
Everyone seems to know the score, they've seen it all before
They just know, they're so sure, that England's gonna throw it away, gonna blow it away
But I know they can play 'cause I remember
Version von 1998:
Tears for heroes dressed in grey, no plans for final day. Stay in bed, drift away
It could have been all songs in the street. It was nearly complete
It was nearly so sweet. And now I'm singing
Three lions on a shirt
Jules Rimet still gleaming
Version von 1996:
Thirty years of hurt. Never stopped me dreaming
Version von 1998:
No more years of hurt. No more need for dreaming
Version von 1996:
So many jokes, so many sneers
But all those oh-so-nears wear you down through the years
But I still see that tackle by Moore and when Lineker scored
Bobby belting the ball. And Nobby dancing
Version von 1998:
Talk about football coming home. And then one night in Rome. We were strong, we had grown.
And now I see Ince ready for war, Gazza good as before, Shearer certain to score. And Psycho screaming
Three lions on a shirt. Jules Rimet still gleaming
No more years of hurt. No more need for dreaming
Version von 1996:
I know that was then, but it could be again
Version von 1998:
We can dance Nobby's dance We could dance it in France.
It's coming home It's coming home It's coming Football's coming home (7x)
Three lions on a shirt. Jules Rimet still gleaming.
No more years of hurt. No more need for dreaming. (3x)
Songwriter Ian Broudie erinnert sich in der Sport Bild an den bitteren Moment. "Damals war ich im Hotel und hörte draussen die deutschen Fans meinen Song singen. Das war bittersüss!" Denn natürlich war er auch stolz, dass er mit seinem Lied sein Ziel erreicht hatte.
Wer hat es eingesungen, zu welchem Anlass?
Broudie ist Songwriter der in den 1990er-Jahren erfolgreichen britischen Rockband "The Lightning Seeds". 1996 hatte der englische Verband bei ihm wegen eines EM-Liedes angefragt. Broudie holte die damals in Grossbritannien äusserst beliebten Comedians David Baddiel und Frank Skinner mit ins Boot. Sie waren den britischen Anhängern ein Begriff, sie sind selbst grosse Fussball-Fans.
"Anstatt ein idealisiertes oder triumphales Lied zu schreiben, wie die meisten zuvor, mit ihren Visionen, den Pokal zu gewinnen, beschlossen wir, ein Lied über die Annahme zu schreiben, dass wir, England, verlieren würden", erklärt Baddiel dem "Guardian".
Broudie verrät, dass die FA deshalb alles andere als begeistert war von dem Lied. "Sie fanden, dass wir das Nationalteam runtermachen würden und sangen, dass wir wahrscheinlich nicht Europameister werden würden", sagte er.
Die Folge: Die FA blockte, "fast wäre er gar nicht rausgekommen", so Broudie. Im Mai wurde er dann doch veröffentlicht und bahnte sich sehr schnell den Weg in die Herzen der Fans. "Der Song ist peppig, aber er behält durchgehend etwas Melancholisches und Verletzliches. Als ich ihn das erste Mal hörte, gesungen von 78.000 Menschen, konnte ich auch das hören: den Schmerz und die Hoffnung, aber auch die Freude", so Baddiel.
Worauf fusst Englands Anspruch, "Mutterland des Fussballs" zu sein?
"Football’s coming home" – warum kommt der Fussball nach Hause, wenn von England die Rede ist? Der Anspruch, das Mutterland des Fussballs zu sein, gilt nur für den modernen Fussball; denn es sollen vor 5.000 Jahren die Chinesen gewesen sein, die die ersten Ballspiele durchgeführt haben. Erste Fussball-Regeln entstanden dann 1848 an der Universität von Cambridge.
Der erste Fussballverein weltweit wurde in England gegründet, den FC Sheffield gibt es seit 1857. Mit der Gründung der Football Association (FA) im Jahr 1863 wurde ein allgemeingültiges Regelwerk verfasst, das dafür sorgte, dass sich der Fussball schnell weiterentwickeln konnte und sich verbreitete.
Was macht den Song generell so erfolgreich?
Es ist zum einen der allgemeine Ansatz: Nicht die Spieler standen im Mittelpunkt, sondern die Fans und ihr Gefühl, wie es ist, ständig zu verlieren. Denn dieses Gefühl kann wohl ein Grossteil der Anhänger auf der Welt nachvollziehen: "Jeder gewinnt auch manchmal, aber der Grossteil des Fan-Lebens sind Niederlagen", sagte Broudie.
Der Song hat das geschafft, woran viele vor ihm und sehr viele nach ihm gescheitert sind: Er hat mit Text, Melodie, Eingängigkeit, Wiedererkennungswert und einem extrem hohen Stadion-Faktor das komplizierteste und skeptischste Publikum überzeugen können: die Fussball-Fans. Und das auf der ganzen Welt.
Warum wird der Song auch in Deutschland so gern gesungen?
Das hat mehrere Gründe. Zum einen natürlich, weil es einfach ein guter Fussball-Song ist, der durchaus auch verbindet. Schliesslich muss das "Football’s coming home" nicht zwangsläufig nur für Grossbritannien stehen.
Und: Deutschland wurde 1996 Europameister, weshalb die Fans das Lied mit dem damaligen Erfolg verbinden. Hinzu kommt die Rivalität mit England. Am 7. Oktober 2000, beim letzten Spiel im altehrwürdigen Wembley-Stadion, als die deutsche Mannschaft mit 1:0 gewann, wurde der Song von den deutschen Fans angestimmt, um die englischen Anhänger zu ärgern.
Die erste Niederlage im neu gebauten Wembley-Stadion setzte es für die "Three Lions" übrigens auch gegen Deutschland. Und auch am 22. August 2007 hallte das "Football’s coming home" als Frotzelei aus dem deutschen Block.
Wie erfolgreich war der Song denn chartmässig?
In den britischen Single-Charts schoss der Song sowohl 1996 als auch 1998 auf Platz eins, in Deutschland erreichte er immerhin die Ränge 49 und 14. Auch zu zahlreichen folgenden Turnieren erlebte das Lied immer wieder eine Rückkehr in die Charts, 2018 kletterte er sogar noch einmal bis an die Spitze.
Und keine Frage: Auch jetzt ist "Three Lions" als 2021er-Version "3 Lions" wieder in die Charts eingestiegen. Nach Platz 34 Ende Juni ging es Anfang Juli bereits rauf auf Platz 22.
Das Original-Video von 1996 verzeichnet zudem auf YouTube über 32 Millionen Aufrufe, auf Spotify bis heute fast 29 Millionen. Klar ist: Wird England Europameister, wird der Song wohl noch einmal durch die Decke gehen.
Was passiert mit dem Song, wenn England jetzt den Titel holt?
Gute Frage. Die Zeile "30 years of hurt” hatte Broudie ja schon abgeändert, "ich singe inzwischen 'all these years of hurt‘", verrät er. Doch mit dem Titelgewinn wäre die Zeit des Schmerzes ja offiziell beendet. Er selbst stellt klar, der Song sei fertig und solle so bleiben: "Das kann gerne jemand anderes übernehmen."
Verwendete Quellen:
- The Guardian: : How we made Three Lions: David Baddiel and Ian Broudie on England’s Euro 96 anthem
- Charts in GB
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