Dieser Auftritt war eines Titelverteidigers nicht würdig. Italien erkämpft sich ein Last-Minute-Remis gegen Kroatien und steht in der K.o.-Phase.

Mehr News zur Fussball-EM

Titelverteidiger Italien hat es trotz einer fussballerisch dürftigen Vorstellung ins Achtelfinale der Fussball-EM geschafft. Die Squadra Azzurra zeigte am Montagabend eine von viel Taktik geprägte Leistung und rettete sich in der Nachspielzeit mit einem 1:1 (0:0) gegen Kroatien in die K.o.-Runde der Fussball-EM.

Italien trifft im Achtelfinale auf die Schweiz

Nach der schwer ernüchternden 0:1-Niederlage gegen Gruppensieger Spanien reichte der Punkt gegen den WM-Dritten von 2022, um als Zweiter weiterzukommen und nun gegen die Schweiz anzutreten. Für Kroatien ist die K.o.-Runde mit zwei Punkten nur noch rechnerisch möglich, dem 38 Jahre alten Fussball-Nationalheld Luka Modric droht damit ein glanzloser Abgang von der grossen Länderspiel-Bühne.

Modric selbst hatte die Vatreni in Führung gebracht. 31 Sekunden, nachdem er mit einem Handelfmeter an Italiens Kapitän Gianluigi Donnarumma gescheitert war, traf er Mittelstürmer-Manier im Fallen aus kurzer Distanz (55.) und machte sich zum ältesten Torschützen der EM-Historie. Doch die Freude wehrte nicht lange, denn Mattia Zaccagni (90.+8) traf für die Italiener sehr spät zum glücklichen Ausgleich.

Pfiffe für die Italiener

Schon knapp eine Stunde vor dem Anpfiff bekamen die Italiener einen Eindruck, was sie erwarten würde. Mit gellenden Pfiffen von Zehntausenden kroatischen Fans wurden sie allein beim Aufwärmen auf den Rasen empfangen. "Es gibt Spiele, die darüber entscheiden, ob man eine grossartige oder eine kleine Geschichte schreiben kann", hatte Trainer Luciano Spalletti tags zuvor schon betont.

Doch war es nicht seine Mannschaft, in der für viele überraschend die zuletzt enttäuschenden Jorginho und Giovanni di Lorenzo wieder von Beginn an spielten, sondern die kroatische, die mit Willen und Entschlossenheit ihre EM-Story fortschreiben wollte. Präsent, kompromisslos, zielstrebig agierte die Mannschaft von Trainer Zlatko Dalic.

Donnarumma macht den Neuer

Die Italiener rückten mit jeder Minute weiter in die eigene Hälfte, auch das hatte Spalletti vorher schon angedeutet: ein vielleicht etwas weniger attraktives Spiel. Für die ersten Stimmungsmomente sorgten die Kroaten.

Und für was für einen: Der neu in die Startelf gerückte Luka Sucic zog aus rund 20 Metern ab, in Manuel-Neuer-Manier streckte sich Italiens Gianluigi Donnarumma und fischte den Ball aus dem Winkel. Nicht mal fünf Minuten waren da gespielt.

Die kroatischen Fans drehten noch mehr auf. Als Modric um einen fast ausweglosen Ball kämpfte, schallten Luka, Luka-Rufe durch das Stadion, das fest in rot-weisser Hand war. Und die Spieler auf dem Rasen waren im Vergleich zu dem 0:3 gegen Gruppensieger Spanien und dem 2:2 gegen Albanien kaum wiederzuerkennen.

Mehr und bessere Chancen für die Defensiv-Italiener

Angetrieben auch von Linksverteidiger Josko Gvardiol an seiner ehemaligen Wirkungsstätte als Ex-Leipziger, setzten die Kroaten die Squadra Azzurra unter Druck. Allerdings fehlten Präzision und Ideen, um direkt vor dem Tor von Donnarumma für weitere gefährlich Momente zu sorgen.

Solange kein Gegentor fiel, dürfte das Spallettis Plan gewesen sein. Schön war es nicht, aber es wäre sogar richtig effektiv gewesen, wenn der neu in die Sturmspitze beorderte Mateo Retegui seinen beiden Chancen (21./26.) genutzt oder Kroatiens Keeper Dominik Livakovic gegen Alessandro Bastoni (27.) sowie Lorenzo Pellegrini (36.) nicht pariert hätte.

Modric trifft und das Stadion bebt

Und dann wurde die mutlose Vorstellung der Italiener bestraft. Davide Frattesi, in der Pause für Pellegrini eingewechselt, bekam den Ball an den Arm: Elfmeterpfiff nach Videostudium. Vor der Kurve der Kroaten nahm Modric Anlauf – und scheiterte an Donnarumma. Eine halbe Minute später war der Ball dann trotzdem im Tor. Und es war Fehlschütze Modric, der ihn nach einem starken Abwehrversuch von Italiens Star-Keeper per Abstauber ins Netz beförderte.

Italiens Mattia Zaccagni feiert seinen Treffer kurz vor dem Schlusspfiff.
Italiens Mattia Zaccagni feiert seinen Treffer kurz vor dem Schlusspfiff. © AFP/ODD ANDERSEN

Das Stadion bebte, Bierbecher flogen, alle kroatischen Spieler rannten zu Modric, der mit 38 Jahre und 289 Tagen traf. Keiner war jemals älter.

Italien versuchte es nun, doch auch die späten Bemühungen nach der langen Passiv-Phase waren zu wenig. Modric wurde zehn Minuten vor dem Ende ausgewechselt und erhielt grossen Applaus und verfolgte die dramatischen Schlussminuten im Stehen. Und dann musste er mitansehen, wie Zaccagni bei einem Konter in der Nachspielzeit den Ball ins Tor schlenzte. (dpa/ms)

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.