Spaniens Nationaltrainer schlägt vor, die Verlängerung bei Europameisterschaften teilweise abzuschaffen. Tatsächlich ist die Idee nicht ganz neu: In Amerika wird sie bereits umgesetzt – und auch auf europäischer Ebene wurde der Vorschlag bereits diskutiert.
Wer sich die Spiele der EM 2024 in Deutschland angesehen hat, kommt schnell zu einer Erkenntnis: Die Qualität der Spiele hat im Laufe des Turniers deutlich nachgelassen. Nach teils spektakulären Partien am ersten und zweiten Gruppenspieltag gab es vor allem in der K.o.-Runde weniger ereignisreiche Spiele mit deutlich weniger Toren.
Die Gründe dafür sind vielfältig – einer von ihnen dürfte jedoch auch die hohe Belastung sein. Der Kalender für die Spieler ist aufgrund der gestiegenen Spielanzahl auf Vereinsebene ohnehin schon mehr als voll. Seit der Aufstockung auf 24 Teams bei der EM 2016 gibt es auch hier mehr Spiele – zuvor nahmen jeweils "nur" 16 Mannschaften an einer Europameisterschafts-Endrunde teil.
Um die Qualität der Spiele anzuheben, hat Spaniens Nationaltrainer Luis de la Fuente nun einen Vorschlag ins Spiel gebracht: Der K.o.-Modus bei Europameisterschaften soll teilweise ohne eine Verlängerung auskommen und im Falle eines Unentschiedens nach der regulären Spielzeit direkt mit dem Elfmeterschiessen starten.
Laut de la Fuente könnten zumindest Achtel- und Viertelfinale ohne die klassische Verlängerung (2 x 15 Minuten) abgehalten werden. "Das würde auch der Show helfen, denn die Spieler wären viel frischer und würden die späteren Runden in einem frischeren Zustand absolvieren", erklärte der spanische Coach, der am Dienstagabend im EM-Halbfinale auf Frankreich trifft.
Bei dieser EM ist es bislang relativ häufig zu einer Verlängerung gekommen: Zwei von acht Achtelfinals und sogar drei von vier Viertelfinal-Paarungen gingen in die Verlängerung – insgesamt drei dieser fünf Partien wurden erst im anschliessenden Elfmeterschiessen entschieden.
In Südamerika wird teilweise schon auf die Verlängerung verzichtet
Eine komplette Fussball-Revolution – zumindest weltweit gesehen – wäre die Abschaffung der Verlängerung aber nicht. Bei der Copa América, quasi dem amerikanischen Pendant der EM, gibt es nur im Finale die klassische Verlängerung. In den Runden zuvor wird darauf verzichtet, dann gibt es direkt Elfmeterschiessen.
Dies kam bei der aktuell ebenfalls stattfindenden Copa auch schon mehrmals vor: In der ersten K.o.-Runde, dem Viertelfinale, gab es bei vier Spielen insgesamt drei Mal eine Entscheidung nach Elfmeterschiessen. Im Gegensatz zu den EM-Spielern haben sich die Akteure hier also einiges an Extra-Minuten in der Verlängerung gespart.
Der südamerikanische Fussballverband ist damit aber noch ein Vorreiter. Denn ein Blick in die Wettbewerbsbestimmungen der anderen Fussballverbände zeigt: Auf den anderen Kontinenten wird noch in jeder K.o.-Runde mit der gewohnten Verlängerung gespielt – sowohl beim Afrika-Cup als auch bei der Asien-Meisterschaft und natürlich der Weltmeisterschaft.
In Südamerika wurde die Regelung hingegen auch schon auf andere Wettbewerbe ausgeweitet. So gilt sie nicht nur bei der Copa América, sondern auch bei der Copa Libertadores, die mit der Champions League in Europa vergleichbar ist. Ausnahme ist auch hier jedoch das Endspiel, wo es im Falle eines Gleichstands eine Verlängerung gibt.
Trainer diskutierten schon 2016 über Abschaffung der Verlängerung
Bereits 2016 wurde auch in Europa über eine mögliche teilweise Abschaffung der Verlängerung in der Champions League diskutiert. Beim Uefa-Elitetrainer-Forum in Nyon sei dieser Vorschlag eingebracht worden, berichtete damals die Nachrichtenagentur Reuters.
"Ich glaube nicht, dass wir die Spieler auf dem Platz erschöpft herumgehen sehen wollen. Wenn nach 90 Minuten abgepfiffen wird, habe ich immer das Gefühl, dass es am Ende zum Elfmeterschiessen kommt", wurde Sir Alex Ferguson, damals Trainer-Botschafter der Uefa, zitiert.
Doch nicht alle Trainer, die beim Treffen vor Ort waren, sollen die mögliche Regeländerung für gut befunden haben. Einer der Gründe, die damals angeführt wurden: Kleinere Vereine, die den Fokus aufs Verteidigen legen, könnten durch die Abschaffung der Verlängerung einen Vorteil haben.
Kryptische Antwort der Uefa
Ob die Uefa nach dem Vorstoss von de la Fuente nun erneut über die Idee nachdenken wird, ist unklar. Die kryptische und einen Satz lange Antwort auf eine schriftliche Anfrage unserer Redaktion: "Die Uefa evaluiert ihre Wettbewerbe ständig, um allen Beteiligten die bestmöglichen und attraktivsten Wettbewerbe zu bieten."
Der Deutsche Fussball-Bund (DFB) wollte sich auf Nachfrage noch nicht zur Thematik äussern, man wolle sich zunächst intern damit befassen, wie eine Sprecherin mitteilte.
Verwendete Quellen
- Antwort auf schriftliche Anfrage an die Uefa
- Antwort auf schriftliche Anfrage an den DFB
- documents.uefa.com: Regulations of the Uefa European Football Championship - Article 22
- cdn.conmebol.com: Regulations of the Conmebol Copa América 2024 - Article 26 und 27
- cafonline.com: Regulations of the Africa Cup of Nations - Article 75.8
- assets.the-afc.com: Competition Regulations AFC Asian Cup - Article 10
- editorial.uefa.com: Regulations Fifa World Cup 2022 - Article 8
- sport1.de: Keine Verlängerung in Königsklasse?
- uefa.com: Vereinstrainer begrüssen Uefa-Treffen
- dpa
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