- Nachdem die Halbfinals bei der EM feststehen, legt sich nun auch unser EM-Experte Olaf Thon auf einen Titel-Favoriten fest.
- Thon geniesst nach dem Ausscheiden der deutschen Mannschaft die schönen Bilder der Fans vor und nach den Spielen.
- Zudem bricht unser Kolumnist eine Lanze für das TV-Duo Jessy Wellmer und Bastian Schweinsteiger.
Die Stimmung in den Viertelfinals war phänomenal. Wie die Fans vor und nach den Spielen aus dem Häuschen waren, das waren Bilder, die mitgerissen haben. Schade, dass wir Deutschen uns nicht so mit unserer Mannschaft freuen können.
Ich versuche, Corona auszublenden. Ich bin einer, der früh mit Corona in Berührung kam und es nach vier Wochen überstanden hatte. Aber ich freue mich, dass es so aussieht, als würden wir Corona insgesamt langsam in den Griff bekommen. Natürlich gibt es Diskussionen, ob es sinnvoll ist, 60.000 Zuschauer ab dem Halbfinale in London ins Stadion zu lassen, aber ich bin der Meinung, wenn alle Menschen dort geimpft, getestet oder genesen sind, dann soll es so sein. Ich hoffe natürlich, dass wir keine vierte Welle bekommen. Aber ich bin kein Prophet und erfreue mich erst einmal an diesen schönen Bildern, die wir während dieser EM in ganz Europa sehen.
Deutschland hat nicht den richtigen Dreh gefunden
Auf den ersten Blick mag die Euphorie der Fans im Stadion - beispielsweise der englischen, italienischen und dänischen Fans - ein Vorteil sein, den sie im Vergleich zur deutschen Mannschaft hatten. Aber wir haben auch vor heimischem Publikum gespielt, bei uns war das jedoch lediglich Makulatur.
Das DFB-Team hat eine gute Geschlossenheit, einen guten Mannschaftsgeist an den Tag gelegt, wir haben aber einfach nicht gut Fussball gespielt. Wir haben nicht den richtigen Dreh gefunden. Bei den anderen Teams merkt man schon bei der Nationalhymne, dass ein Ruck durch die Mannschaft geht und bei uns hat der entscheidende Kick gefehlt. Dass
Italien ist für mich der grösste EM-Favorit
Am stärksten habe ich bislang die Italiener empfunden. Sie sind für mich der grösste Favorit auf den EM-Titel. Es sind aber Nuancen. Sie haben die entsprechenden Leute auf den wichtigsten Positionen. Bonucci und Chiellini sind sehr stark, aber auch Insigne im Sturm oder Torwart Donnarumma überzeugen. Dass Spinazzola jetzt mit Achillessehnenriss ausfällt, ist bitter, doch auch das können die Italiener kompensieren, glaube ich. Dieses Team funktioniert einfach.
Im Halbfinale England gegen Dänemark sehe ich England als Favorit. Wobei Danish Dynamite sehr von der Euphorie nach der Geschichte mit Christian Eriksen getragen wird. Mein Finale ist dennoch Italien gegen England.
Aber die Halbfinals müssen erst gespielt werden. Und wenn ich an mein Halbfinale 1990 denke, dann mussten wir damals auch ins Elfmeterschiessen, um dann im Finale locker gegen Argentinien zu gewinnen.
Darauf kommt es im Elfmeterschiessen an
Elfmeterschiessen ist aber immer brutal. Da kommt nicht die Klasse zu Vorschein, sondern die Nerven. Ich leide immer mit, weil ich noch aus eigener Erfahrung weiss, wie schwer so eine Situation ist. Das ist alles Kopfsache. Man braucht besondere Schützen, und vor allem einen, der vorangeht. Bei uns, den Eurofightern, war der Türöffner Ingo Anderbrügge, der den ersten Schuss gleich unhaltbar ins Eck gezimmert hat. Ich glaube auch im Halbfinale wird noch mindestens ein Spiel durch Elfmeterschiessen entschieden werden.
Wellmer und Schweinsteiger machen einen guten Job
Ich finde übrigens, dass
Ein kleiner Makel in der Berichterstattung der beiden war vielleicht, dass Schweinsteiger noch etwas zu nah an Jogi Löw dran ist. Schliesslich war er sein ehemaliger Spieler, ist Weltmeister mit ihm geworden, aber da hätte man schon ein bisschen aggressiver rangehen können, vor allem nach dem Ausscheiden. Aber unterm Strich strahlen beide Esprit und Weltgewandtheit aus und sind in meinen Augen sehr gut vorbereitet. Sie hätten nur die Fehler der deutschen Nationalmannschaft noch deutlicher auf den Punkt bringen müssen. Aber ich glaube, das werden sie beim nächsten Turnier besser machen.
Protokoll von Sabrina Schäfer
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.