Was die Türkei und Georgien im Dortmunder Dauerregen auf dem durchtränkten Rasen abliefern, stellt alle anderen Partien der EM-Gruppenphase in den Schatten. Im deutschen Tempel des Fussballs spielen sich denkwürdige 97 Minuten voller Leidenschaft und Emotionen ab.
Fans schauen sich vor Beginn eines grossen Turniers gerne den Spielplan an und prüfen ihn auf "lohnende" Spiele. Spiele, die Spannung und beste Unterhaltung versprechen. Die Zahl der neutralen Anhänger, die sich die Partie zwischen der Türkei und Georgien markiert hatten, dürfte überschaubar gewesen sein.
Seit den wohl aufregendsten 97 Minuten im bisherigen EM-Verlauf sind die Fans jedoch eines Besseren belehrt. Was die Türkei und EM-Neuling Georgien auf den vom Regen durchtränkten Rasen in Dortmund zauberten, begeisterte. Den RTL/MagentaTV-Kommentatoren Marco Hagemann und Steffen Freund gingen bei der Betrachtung des atemberaubenden Fussballs beider Mannschaften mit zunehmendem Spielverlauf schier die Superlative aus.
Dortmund erlebt das bisher beste EM-Spiel
Beim 3:1-Erfolg der Türkei passierte, was heutzutage gerne mit "Das Herz auf dem Platz lassen" umschrieben wird: Beide Mannschaften starteten mit einer derartigen Wucht und Leidenschaft ins Turnier, dass in Vergessenheit geriet, dass sie in der Gruppenphase noch zwei weitere Partien zur Verfügung haben, um die Dinge in ihre Richtung zu lenken. Das mitgerissene Publikum im gewohnt stimmungsgeladenen Fussball-Tempel in Dortmund tat das Seinige und liess sich von den Sturzbächen, die der Dauerregen vom Stadion-Dach Richtung Spielfeldrand schickte, nicht irritieren.
So widrig die äusseren Umstände waren, umso bemerkenswerter war das, was sich auf den Rängen und dem Spielfeld während der vorletzten Begegnung des ersten EM-Spieltags ereignete. War der gefährliche Angriff auf der einen Seite abgeschlossen, lief bereits der nächste vielversprechende Sturmlauf in die entgegengesetzte Richtung.
Georgiens Anrennen geht nach hinten los
Die letzten Sekunden des Spiels, das keine Zeit zum Luftholen genehmigte, standen exemplarisch für dessen Verlauf: Die Georgier, die in der Schlussphase beim Stand von 1:2 an Latte, Pfosten und dem Kopf des Gegners scheiterten, warfen alles nach vorne und wurden abgewehrt. So war für Muhammed Kerem Aktürkoglu in der siebten Minute der Nachspielzeit plötzlich der Platz da, mit dem Ball auf das leere georgische Tor zuzustürmen und den Ball dort zu versenken. Wie schon in der Partie zwischen Albanien und Italien drei Tage zuvor zeugten die wackelnden TV-Live-Bilder von dem fussballerischen Beben in Dortmund.
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"Ein tolles Match, auch ein wohlverdienter Sieg für die Mannschaft", bilanzierte der Italiener Vincenzo Montella, Trainer des überglücklichen Siegers Türkei. Er bemängelte aber die Chancenverwertung seines Teams, das zum 1:0 und zum 2:1 zwei Traumtore aus der Distanz geboten hatte: "Wir hatten 22 Torschüsse, wir müssen definitiv präziser werden." Montellas Gegenüber, Willy Sagnol, lobte seine Jungs: "Wir haben so ein schönes Bild des georgischen Fussballs gezeigt, darauf können wir stolz sein."
Willy Sagnol schwärmt von der Atmosphäre in Dortmund
In einem "Stadion, das für Fussball und Emotionen gebaut wurde", wie Sagnol anmerkte, waren die türkischen Anhänger sicht- und hörbar in der Überzahl, geschätzte 50.000 von 62.000 Anwesenden unterstützten den vermeintlichen Favoriten. Damit hatte der Franzose Sagnol kein Problem, wohl aber mit den Pfiffen und Buh-Rufen gegen seine Auswahl während des Abspielens der Nationalhymnen. "Das hat kein gutes Bild von der Türkei hinterlassen in dem Moment", hielt der frühere Bayern-Verteidiger mit seiner Ansicht nicht hinter dem Berg.
Umso fairer bilanzierte er: "Wir hatten viele Torchancen, aber so ist der Fussball nun mal, einer gewinnt, einer verliert." Den 22 türkischen Torschüssen setzte Sagnols Mannschaft 14 entgegen. 36 Torschüsse bedeuten bis zu diesem Zeitpunkt die mit Abstand höchste Quote bei der EM 2024. Nächstbester Wert in der Gruppenphase sind die 21 zu 12 Torschüsse aus der Begegnung Polen gegen die Niederlande.
Türkisches Gipfeltreffen mit der Türkei
Die Türkei misst sich in ihrem zweiten Spiel am 22. Juni ab 18 Uhr - wieder in Dortmund - mit den ebenfalls siegreichen Portugiesen, die gegen Tschechien erst in der Nachspielzeit zum 2:1 kamen. Georgien unternimmt zuvor bereits ab 15 Uhr am 22. Juni in Hamburg den Versuch, seinen ersten EM-Endrundensieg zu landen und den tollen Eindruck aus dem Premierenspiel zu bestätigen.
Verwendete Quellen
- dpa
- sid
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