Neue Stadien, Kunstrasen und Flutlichtanlagen: Der Fussball-begeisterte Premier von Ungarn, Viktor Orban, hat das runde Leder zur Chefsache erklärt und sich ein Stadion gleich neben seinem Sommerhaus bauen lassen. Doch die millionenschweren Bauprojekte stehen unter Kritik, von Vetternwirtschaft und Korruption ist die Rede.
In Botond Csepregis Brust schlagen zwei Herzen: Als Fussball-Fan freut sich der Budapester, dass Ungarn nach 44 Jahren endlich wieder an einer Europameisterschaft teilnimmt. Zwischen den Spielen ist Csepregi allerdings auch Sportjournalist der investigativen Journalistenplattform átlátszó.
Wochenlang hob er eine beträchtliche Datenmenge zu den jüngsten Stadien-Bauten aus. Die Finanzierungswege dahinter sind komplex, doch seine Ergebnisse eröffnen einen Blick hinter die engagierten Baupläne der Regierung und offenbaren Seilschaften zwischen regierungstreuen Unternehmern, die plötzlich als überzeugte Fussball-Sponsoren auftreten.
Stadion per Regierungsverordnung
Sieben Stadien wurden seit dem Regierungswechsel 2010 neu gebaut oder umfassend renoviert. Insgesamt sollen 32 Stadien bis 2020 fertiggestellt werden. Der Grossteil davon ist Teil eines grossangelegten Nationalen Stadien-Bauprogrammes (NSP), das die Regierung vor drei Jahren lancierte.
"Die Kosten der gebauten Stadien belaufen sich auf 42,11 Milliarden Forint (ca. 133 Millionen Euro). 40,2 Milliarden davon kommen unseren Recherchen nach von öffentlicher Hand", sagt Csepregis.
Damit auch Unternehmer sponsern, hat Premier Viktor Orban ein Steuergesetz geschaffen. Wer demnach gemeinnützige Organisationen, zu denen auch Fussballvereine zählen, unterstützt, kann dies steuerlich absetzen.
Der Gesetzesbeschluss stellte angesichts der damaligen Zweidrittel-Mehrheit mit dem Fidesz-Bündnispartner KDNP kein Problem dar. Anders im Fall Debrecen. Hier wurde das Parlament gar nicht erst bemüht, und der Stadion-Neubau im Osten Ungarns erfolgte direkt per Regierungsverordnung. Nach Fertigstellung bietet es nun 20.000 Fans Platz.
Die besucherstärksten Matches füllen das Stadion jedoch nur zur Hälfte. Kritiker befürchten ein ähnliches Schicksal wie in Brasilien oder Südafrika, falls es zu einem Regierungswechsel kommen und der Geldhahn versiegen sollte. Dort bröckeln die Neubauten als sogenannte weisse Elefanten vor sich hin.
Ein "Disneyland" für den Premier
Das umstrittenste Stadion baute der ungarische Premierminister in seinem Heimatdorf Felcsút, einem Ort westlich der Hauptstadt mit weniger als 2.000 Einwohnern. Wenige Meter von Orbans Sommerhaus entfernt ragt die im April 2014 eröffnete "Pancho Árena" in den Himmel, benannt nach dem Spitznamen des ungarischen Fussballhelden Ferenc Puskás.
Das Netz hinter den jeweiligen Stadien sei schwer zu durchblicken, so Csepregi. Im Fall Felcsút etwa gründete Orban die Puskás Akademie, in der 120 Studenten zu neuen Fussballgrössen ausgebildet werden sollen. Auch der Sohn des Premiers, Gaspár Orban versuchte sich anfangs dort an einer Fussballerkarriere. Leiter der Akademie ist ein enger Vertrauter des Regierungschefs. Die Akademie wurde als private Stiftung gegründet und ist wiederum Haupteigentümer des neuen Stadions.
Kindheitstraum und Korruptionsverdacht
Dass sich Orban mit dem Stadion in Felcsút einen eigenen Kindheitstraum mit Steuergeldern erfüllt, lässt Kritiker wie den ehemaligen Ministerpräsidenten Gordon Bajnai von der "Hauptstadt Orbanistans" oder Orbans "Disneyland" sprechen. Auch die New York Times berichtete von dem "Symbol der Macht" im Budapester Hinterland.
Orbans Arena taucht auch im weltweiten Korruptionsbericht von Transparency International auf. Csepregi sieht hinter dem Engagement des Premiers weit mehr als blosse Traumverwirklichung: "Private Zahlungen stehen in Bezug auf die Stadien zweifellos unter Korruptionsverdacht", sagt er.
Der Journalist spielt damit auf die auffällige Verknüpfung von regierungsnahen Unternehmern und der Vergabe von Bauaufträgen an. "Die Unternehmer sponsern Fussballklubs oder Stadien, um ihre Loyalität zur Regierung zu zeigen", so Csepregi.
Überschattete Freude
Neben aller Kritik freuen sich die Fussballfans trotzdem über neue Anlagen und kaum steigende Ticketpreise. Auch Csepregis Fussball-Herz schlägt höher, wenn er in den blitzblanken Rängen des Budapester Stadions sitzt. Jahrzehntelang wurden die alten Plätze sich selbst überlassen.
"Der ungarische Fussball erfährt seit langem wieder Aufmerksamkeit. Doch um welchen Preis, frage ich mich", so Csepregi. Es gehe eben nur am Rande um Sport, sondern vielmehr um den Machterhalt und die Geldvermehrung der Unternehmer im Dunstkreis des Premiers. Die zwei Herzen wird der Journalist und Fussballfan somit noch länger mit sich tragen.
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