- Die Nationalmannschaft von Ungarn wird bei der EM stimmgewaltig unterstützt, doch ein Teil der Ultras gehört der "Carpathian Brigade" an.
- Diese Gruppierung ist rechtsradikal und stellt dies im und um das Stadion offen zur Schau.
- Ein Polizeisprecher erklärt unserer Redaktion, wie beim Duell zwischen Deutschland und Ungarn vorgegangen wird.
Die ungarische Fussball-Nationalmannschaft wurde bei ihren beiden bisherigen EM-Auftritten lautstark unterstützt. Im Budapester Puskas-Stadion gab es keine Kapazitätsbeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie, sodass jeweils 55.000 Menschen ihr Nationalteam von den Rängen anfeuerten.
Besonders eine in schwarzen T-Shirts gekleidete Gruppe, zumeist Männer, hinter dem Tor postiert, fiel durch lautstarken Support auf. Dabei handelt es sich um die "Carpathian Brigade" – eine rechtsradikale Gruppierung, die bei der EM nicht durch ihren Support auffiel.
Im Duell mit Frankreich waren Affenlaute gegen die schwarzen Spieler des Weltmeisters klar zu vernehmen. Zudem marschierten sie vor der Partie durch Budapest und hetzten dabei gegen die Belange der Black-Lives-Mater-Bewegung sowie die Anliegen der LGBTIQA+-Bewegung.
Experte: "Paramilitärische Gruppe, die aus Neonazis besteht"
Doch wer steckt hinter dieser rechtsextremen Gruppierung, die in der Vergangenheit auch durch das öffentliche Zeigen des Hitlergruss straffällig wurde. Gegründet wurde das Bündnis in den 1990er Jahren. Bálint Josá, Gründer der Organisation Szubjektív Értékek Alapítvány (Stiftung für subjektive Werte) in Budapest, beschrieb bei "VICE.com": "Das ist eine paramilitärische Gruppe, die aus Neonazis besteht. Sie sind die gewalttätigste und auch einflussreichste Gruppe in der Kurve."
Er ergänzte: "Wie der Name schon verrät, wünschen sie sich die alten Territorien und Grenzen von Grossungarn zurück." Hinter der Gruppierung stecken die Ultras vieler verschiedener ungarischer Klubs, wie anhand der Fahnen im Stadion deutlich wird. Diese sind normalerweise verfeindet, verbünden sich dann aber für die Nationalmannschaft. "Die Ultras kämpfen über die Saison gegeneinander und schlagen sich die Köpfe ein. Jetzt herrscht eine Art Waffenstillstand. Die Ultras setzten sich in Zusammenschlüssen wie der 'Carpathian Brigade' zusammen und kämpfen gemeinsam gegen die anderen Länder", erklärte Josá.
Bereits bei der Europameisterschaft 2016 sorgte die rechtsradikale Gruppierung für Ärger und wurde mit Geldstrafen von Seiten der UEFA belegt, nachdem sie mit Prügeleien, Pyro-Aktionen und rassistischen Äusserungen auffällig geworden waren.
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"Carpathian Brigade" nur bei Nationalteam
Eine Entwicklung, die ihren Ursprung im Niedergang des ungarischen Fussballs fand. "Ab den 90er Jahren verlor der ungarische Fussball eine Menge an Popularität. Ausser den Ultras gingen kaum noch Fans zu den Spielen", erläuterte Josá: "Also übernahmen sie die Meinungshoheit in den Stadien und rechte Gruppen vernetzten sich mit ihnen." So habe die Partei Jobbik, die am weitesten rechts angesiedelte Partei Ungarns, aus den Kreisen der Ultras und Hooligans neue Mitglieder rekrutiert. Auch die "Ungarische Garde", eine rechtsradikale Paramilitär-Gruppe fand neue Mitglieder in den Kreisen der Fussballfans.
Dadurch wurde das generelle Denken, dass sie als Ultras ohnehin auf der Verliererseite stünden, noch weiter gefördert. "Die ganze Welt ist gegen sie und dahinter stecken laut ihnen mal die Juden, mal Homosexuelle", berichtete Joská von den Verschwörungserzählungen innerhalb der ungarischen Szene.
Während der Verband seit 2012 eine strikte Zero-Tolerance-Politik in der heimischen Liga führt, die durch eine personalisierte Stadionkarte untermauert wurde, gibt es bei Länderspielen all diese Vorkehrungen nicht. Haben die rechten Ultras im Ligabetrieb das Stadion weitgehend verlassen – auch aufgrund der mangelnden europäischen Erfolge im Klubfussball – ist die Nationalmannschaft eine Art Tummelplatz geworden.
"Ungarns Nationalmannschaft hat aber eine grosse Fussballtradition - die Leute lieben sie und kommen zu den Spielen. Und für eine ganze Generation, die nach den 80er Jahren aufwuchs, ist es das erste internationale Turnier der eigenen Nationalmannschaft", erzählte Joská bei der EM 2016, als die Magyaren mit von der Partie waren.
Polizei München hat "Carpathian Brigade" im Blick
Fünf Jahre später ist das Rechtsextremismus-Problem rund um die "Carpathian Brigade" noch deutlich präsenter, schliesslich konnten sie ihr Nationalteam direkt in der Heimat unterstützen. Doch zum dritten Spiel reist Ungarns Nationalteam nach München, wo am Mittwochabend das letzte Gruppenspiel gegen Deutschland auf dem Plan steht.
Wird also auch das Stadion in München von der "Carpathian Brigade" teilweise vereinnahmt und werden diese dicht beinanderstehen, obwohl die Karten bei einer EM verlost werden? Auf Nachfrage unserer Redaktion teilte ein Sprecher der Polizei München mit, dass insgesamt etwa 2.000 ungarische Fans erwartet werden, davon 200 "problematischere" Anhänger, die aber nicht ausschliesslich Mitglied der "Carpathian Brigade" seien. Man sei aber besonders "besonders sensibilisiert" in dieser Hinsicht. Insbesondere bei rassistischen oder homophoben Äusserungen sei die Schwelle für einen Eingriff der Polizei niedrig, erklärte der Sprecher.
Ein mögliches erstes Signal auch in Richtung dieser Fans, die Münchner Arena in Regenbogenfarben zu beleuchten, hat die UEFA abgelehnt.
Verwendete Quellen:
- Vice.com: Wer ist die "Carpathian Brigade", Ungarns Neonazi-Ultragruppe?
- Tweet von Colin Millar
- Marca.com: Meet the Carpathian Brigade: the far-right Hungarian supporters group
- 11 Freunde.de: Brigade des Grauens
- Auskunft Polizei München
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