Selten war ein Deutscher in England so beliebt wie Jürgen Klopp. Das Weiterkommen gegen seinen Ex-Verein Borussia Dortmund in der Europa League lässt den Hype um "The Normal One" erneut aufleben.
Dramatischer hätte das Aufeinandertreffen von
Doch eine Mannschaft, die von Jürgen Klopp trainiert wird, gibt niemals auf. So war es früher in Dortmund, so ist es heute in Liverpool. In der Nachspielzeit gelang der entscheidende Siegtreffer zum 4:3.
Eigentlich müsste Dejan Lovren der Held des Spiels sein. Der kroatische Innenverteidiger ist es schliesslich gewesen, der per Kopf den Halbfinal-Einzug perfekt machte. Doch die britischen Medien haben Klopp zum Helden erkoren. "Jürgen Klopp hat sich heute Nacht selbst in die Liverpool-Geschichte geschrieben - die Grundlagen für einen neuen Erfolg sind gelegt", schreibt der Mirror.
Ein Wunder wie in Istanbul
Die Boulevardzeitung The Sun erinnert sogar an das "Wunder von Istanbul". Im Champions-League-Finale 2005 drehte der FC Liverpool gegen den AC Mailand einen 0:3-Rückstand. Der damalige Trainer Rafael Benitez ist seitdem eine Legende an der Anfield Road. Es ist gut möglich, dass Klopp in seine Fussstapfen treten wird.
Doch selbst wenn Klopp mit Liverpool die Europa League gewinnen würde, wäre ihm noch kein Helden-Status sicher. Dies wäre erst dann der Fall, wenn er den Hunger nach dem ersehnten Meistertitel stillen würde. 18 englische Meisterschaften gewann der Verein bereits - seit 26 Jahren allerdings kam keine mehr hinzu. Das heisst: Die "Reds" wurden noch nie Champion in der 1992 gegründeten Premier League. Das schmerzt den stolzen Liverpool-Fan.
Klopp kennt die Problematik. "Wenn die Gegenwart der grossen Geschichte nicht standhält, dann entsteht eine gewisse Unruhe. Wir sind dabei, das Ganze wieder in die richtigen Bahnen zu lenken", wird er vom "kicker" zitiert.
Als Klopp den FC Liverpool übernahm, stand der Verein auf dem zehnten Tabellenplatz. Nun rangieren die "Reds" zwar auf Tabellenplatz acht. Die Europa League wäre aber nur zu erreichen, wenn Liverpool einen perfekten Endspurt hinlegt. Doch dafür fehlt immer noch die Konstanz. In den vergangenen drei Ligaspielen gab es nur einen Sieg.
Niemand konnte von Klopp ernsthaft erwarten, dass er aus dem FC Liverpool im Handumdrehen eine Übermannschaft formt. Wobei der Hype um "The Normal One" fast den Eindruck entstehen liess. Dabei benötigte er selbst in Dortmund eine gewisse Anlaufzeit und musste gelegentliche Rückschläge verkraften.
So ist es nun auch in Liverpool. Nach dem schwachen 0:2 gegen West Ham United im Januar gab es sogar Pfiffe aus dem eigenen Fanblock. Im League-Cup-Finale gegen Manchester City nach Elfmeterschiessen verloren zu haben, schmerzt zudem sehr.
Klopp bringt die Spieler zum Laufen
Und doch hat sich der Einfluss des Super-Motivators bereits in den Spieldaten niedergeschlagen. Klopps Mannschaft läuft mehr als unter Vorgänger Brendan Rodgers, setzt auch zu mehr Sprints an. Klopp ist eben ein Spezialist darin, seine Jungs richtig heiss zu machen.
Der 48-Jährige wird allerdings eine richtige Saisonvorbereitung benötigen, um seiner Mannschaft den Klopp-Stil, also das schnelle Umschaltspiel, zu vermitteln. Noch weist Liverpool zu viele Schwächen auf: Die Chancenauswertung ist mangelhaft, die Verteidigung löchrig, das Verhalten bei Standardsituationen ausbaufähig.
Klopp wird im Sommer sicherlich die Gelegenheit bekommen, seinen Kader ordentlich zu verstärken. Geld spielt in der schwerreichen Premier Leauge bekanntlich nur eine geringe Rolle. "Wir gucken auch in Deutschland", kündigt Klopp bei Sport 1 an. Über Namen wie Mario Götze, Granit Xhaka oder Filip Kostic wurde bereits kräftig spekuliert.
Unterhaltsam wie Monty Python
Bereits jetzt zählt Klopp zu den beliebtesten Trainern im britischen Fussball. Selbst die Fans anderer Vereine mögen ihn - weil er einfach so anders ist als Trainer wie beispielsweise ein Arsene Wenger. Dessen Pressekonferenzen sind ungefähr so unterhaltsam wie die Politik-Seiten von 100 Ausgaben alter Tageszeitungen. Interviews mit Klopp hingegen sind Entertainment. Er sorgte alleine bei seiner Trainervorstellung für so viele Lacher, dass er der britischen Ex-Komikergruppe Monty Python Konkurrenz machen könnte. Was aber noch wichtiger ist: Klopp lebt Liverpool.
Er zeigt eine Fan-Nähe, die in der Premier League fast vergessen schien. Nach dem Training stoppt er schon einmal seinen Wagen, um Autogramme zu schreiben. In England, wo sich die Fans nicht einmal eine Trainingseinheit ihrer Lieblingsmannschaft anschauen können, ist das keine Selbstverständlichkeit.
Klopp kriegt Liverpool hinter sich
Die Persönlichkeit spielt für die Fans des FC Liverpool eine grosse Rolle. Autor Simon Hughes, der zwei Bücher über den Verein geschrieben hat, weiss, wie die Anhänger ticken. "Sie erwarten mehr als einen grossartigen Fussballfachmann. Sie wollen einen, der ihre Stadt repräsentiert, sich mit ihnen identifiziert", sagt er im "kicker".
Seine Überzeugung lautet: "Klopp kriegt Liverpool hinter sich." Der spektakuläre Sieg gegen Borussia Dortmund war ein weiterer Schritt dorthin.
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