Fans von Dynamo Dresden hätten ihn bespuckt und beleidigt, als er verletzt ausgewechselt werden musste, wirft Felix Götze der SGD vor. Es ist nicht das erste Mal, dass die Dresdner Fans für Aufsehen sorgen.

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"Gestern habe ich das erste Mal in meiner Fussballkarriere geweint", schrieb Felix Götze, der Bruder des WM-Torschützen Mario Götze, nach dem Spiel seines Klubs Rot-Weiss Essen gegen Dynamo Dresden auf Instagram. "Nicht vor Schmerzen, sondern weil es erniedrigend war, mit blutendem Gesicht und unter Schock beleidigt, bespuckt und beworfen zu werden. Es gibt Grenzen und die wurden gestern leider überschritten." Götze war nach einem Zusammenstoss mit dem Dresdner Jakob Lemmer ausgewechselt worden.

Dresden führt Zuschauertabelle an

Immer wieder Dresden: Es ist nicht das erste Mal, dass sich der Verein für das Fehlverhalten einiger seiner Fans entschuldigen muss. Die Geschichte des mehrmaligen DDR-Meisters und seiner Anhänger ist seit jeher eine mit zwei Seiten.

Zum einen sorgen die Fans von Dynamo Dresden beständig für eine Atmosphäre, die gerade in den unteren Ligen seinesgleichen sucht. Die Zuschauertabelle der 3. Liga führt Dynamo Dresden auch in dieser Saison mit weitem Abstand an. In der Saison zuvor kamen im Schnitt knapp 8.000 Zuschauer mehr ins Rudolf-Harbig-Stadion als zum zweitplatzierten Rot-Weiss Essen. Zu Auswärtsspielen in grössere Stadien wie in Berlin oder Nürnberg begleitet die Dresdner schon mal eine fünfstellige Anzahl an Auswärtsfans.

Dresden-Fans präsentieren eine Blockfahne.
Im Spiel gegen den 1. FC Magdeburg präsentierten Fans von Dynamo Dresden im Oktober 2015 eine Blockfahne über vier Tribünen. © Robert Michael/imago sportfotodienst

Für einen Drittligisten bedeuten solche Zahlen auch grosse finanzielle Vorteile, abgesehen davon sind die Aktionen der Fans auch für neutrale Zuschauer ein Blickfang. Etwa im Oktober 2015, als die Ultras Dynamo im Ostduell gegen den 1. FC Magdeburg eine Blockfahne präsentierten, die über alle vier Tribünen des Stadions reichte und zu diesem Zeitpunkt als grösste in Europa galt.

Dresden musste wegen Fans auf Pokal verzichten

Auf der anderen Seite erwiesen die Fans der Dresdner ihrem Herzensklub mit diversen Fehltritten schon zu oft einen Bärendienst. Kaum ein anderer Verein in Deutschland steht wegen seiner Fans so oft im Rampenlicht wie Dynamo Dresden.

Da wäre zum Beispiel die Pokalpartie gegen Borussia Dortmund zu nennen, mit der die Dresdner im Herbst 2011 national in die Schlagzeilen gerieten. Beim Auswärtsspiel in Nordrhein-Westfalen sorgten die Gästefans durch das Werfen von Pyrotechnik aufs Spielfeld mehrmals beinahe für einen Spielabbruch, auch ausserhalb der Tribünen gab es Randale und Konflikte mit der Polizei. Der DFB reagierte mit drastischen Mitteln und schloss Dynamo Dresden für eine Saison aus dem DFB-Pokal aus. Später wurde die Strafe gemildert, der Verein musste stattdessen nur ein Spiel ohne Zuschauer austragen.

Doch schon ein Jahr später kam es in der zweiten Pokalrunde gegen Hannover 96 zu ähnlichen Vorfällen. Erneut kam es zu zahlreichen Festnahmen unter Dynamo-Fans, einige Anhänger hatten sich nicht im Griff und betraten nach dem Spiel den Innenraum. Dieses Mal machte der DFB ernst: Dynamo Dresden musste im DFB-Pokal 2013/14 trotz sportlicher Qualifikation pausieren.

Spätestens ab diesem Zeitpunkt hatten sich die Dresdner ihren bundesweiten Ruf als Krawallmacher erworben. Beim Drittligaabstieg 2014 wurde dieser weiter befeuert: Als der Abstieg bei der Heimniederlage gegen Arminia Bielefeld am letzten Spieltag endgültig absehbar war, stellten die Dynamo-Ultras ihre Unterstützung für die Mannschaft ein. Stattdessen qualmten dunkle Rauchtöpfe im Stadion und ein Spruchband tauchte auf: "Ihr habt eine Stunde Zeit, um unsere Stadt zu verlassen", war dort zu lesen - wohl gerichtet an die eigenen Spieler.

Auch Fanszene äussert sich kritisch

Seitdem wurde es nicht ruhiger: Zum Auswärtsspiel in Karlsruhe reiste die Dynamo-Fanszene in Militärkleidung an und erklärten dem DFB symbolträchtig den Krieg. Die Aufstiegsfeierlichkeiten 2021 gerieten ebenso zum Chaos wie das Relegationsspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern ein Jahr später - Schiedsrichter Daniel Siebert musste das Spiel kurz vor Schluss, nachdem die wütenden Dresden-Fans mehrere Leuchtraketen auf das Spielfeld geworfen hatten, unterbrechen.

In der vergangenen Saison geriet schliesslich das Drittligaauswärtsspiel gegen die SpVgg Bayreuth in die Schlagzeilen: Dort sorgten Dynamo-Fans in einem Sonderzug für 50.000 Euro Schaden und machten die Sanitäranlagen im Bayreuther Stadion mehr oder weniger dem Erdboden gleich. "Der Worte sind genug gewechselt, jetzt müssen auch Taten folgen", forderte Dynamo-Geschäftsführer Jürgen Wehlend im Anschluss. Der Verkauf von Auswärtskarten an Nichtmitglieder wurde in der Folge eingeschränkt, auch die Selbstverwaltung der Kurve im eigenen Stadion wurde infrage gestellt.

Aber auch die Dynamo-Ultras zeigten sich überraschend selbstkritisch: "Zerstörte Toiletten, Imbissbuden oder gar komplett zerlegte Zugabteile haben absolut nichts mit unserer Vorstellung von Fankultur bei der SG Dynamo Dresden zu tun. Dieses Verhalten ist einfach nur dumm und asozial und wird in Zukunft nicht toleriert werden", liess die Gruppe auf Instagram verlauten.

Wie rechts ist Dynamo?

Und dann ist da noch die politische Dimension, die bei Dynamo Dresden immer wieder zum Thema wird. Wohl keine Fanszene wird so sehr mit rechtem Gedankengut in Verbindung gebracht wie die von Dynamo Dresden.

Wie berechtigt ist dies? Immerhin distanzierten sich die Fans zu Hochzeiten der Pegida-Demonstrationen deutlich von Annäherungsversuchen des Organisatoren Lutz Bachmann. Dennoch machten die Dresdener Ultras in den vergangenen Jahren häufig mit sexistischen und homophoben Aussagen auf sich aufmerksam. Erst kürzlich erklärten die Dynamo-Fans im Spiel gegen Ingolstadt per Spruchband in Solidarität mit den Ultras von Bayer Leverkusen, es gäbe nur zwei Geschlechter. Und bei jedem Spiel hängt ein Banner mit der Aufschrift "Lügenpresse" im Stadion.

Dass sich in der Fanszene auch rechtsorientierte Anhänger tummeln, ist nicht verwunderlich - schliesslich rekrutieren sich deren Mitglieder vor allem auch aus den Regionen rund um Dresden, die aktuell als AfD-Hochburgen gelten. Doch der Verein versucht hier, gegenzusteuern: Seit mehreren Jahren ruft die SGD bestimmte Partien zu Aktionsspieltagen aus, bei denen die Dresden-Spieler in Trikots mit dem Schriftzug "Love Dynamo - Hate Racism" auflaufen. Innerhalb der Fanszene positioniert sich zudem die Gruppe "1953international" gegen Diskriminierung.

Trotzdem fällt die Anhängerschaft immer wieder negativ auf - weder dem Verein noch der Fanszene selbst scheint es zu gelingen, die vielfältigen Fehltritte einzudämmen. Und so bleibt den Dresdnern auch bei den Beleidigungen gegen Felix Götze wieder mal nicht viel übrig, als sich zu entschuldigen: "Die aufgetretenen Reaktionen entsprechen nicht der Haltung, für die wir als Sportgemeinschaft stehen möchten", liess Dynamos Pressechef David Fischer verlauten. "Wir möchten uns an dieser Stelle ausdrücklich bei Felix Götze für die Vorfälle entschuldigen und hoffen, dass er nach der Behandlung im Krankenhaus gesundheitlich wieder in guter Verfassung ist."

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