Die Absage von Thomas Tuchel bringt den FC Bayern in eine prekäre Lage. Der Klub hat wertvolle Zeit leichtfertig verschenkt und mehr denn je stellt sich damit die Frage: Wie geht es jetzt weiter?

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In einer Zeit, in der die Weichen für die kommende Saison gestellt werden, ist der FC Bayern mit Karacho gegen die Wand gefahren. So muss man die Ereignisse des Wochenendes wohl einordnen – sofern die Informationen der "Bild" und der "Süddeutschen Zeitung" auch nur im Ansatz richtig sind und gedeutet werden.

Die Absage von Thomas Tuchel an den Rekordmeister ist mehr als nur eine verglühte Option, sie kommt den Bayern aus mehreren Gesichtspunkten einer kleinen Katastrophe gleich.

Der Rekordmeister hat sich bei der Suche nach einem neuen Trainer eine blutige Nase eingehandelt. Tuchels Nein ist der vorläufige Tiefpunkt einer an Peinlichkeiten nicht armen Geschichte, die streng genommen kurz vor Weihnachten 2015 begann.

Pep Guardiola kündigte damals an, seinen ein halbes Jahr später auslaufenden Vertrag bei den Bayern nicht zu verlängern und nach drei Jahren in München ein neues Projekt zu übernehmen. Seitdem haben die Bayern Zeit, die Nachfolge zu regeln – und seitdem scheitern sie in schöner Regelmässigkeit.

Ein fataler Irrtum

Carlo Ancelotti war ein ebenso kurzzeitiges wie teures Missverständnis, Jupp Heynckes nur eine Übergangslösung. Trotzdem haben sich die Bayern, in erster Linie Uli Hoeness, monatelang an Heynckes abgearbeitet.

Immer wieder warf sich der Präsident an seinen Kumpel ran, obwohl dieser bereits auf der ersten Pressekonferenz nach seiner Rückkehr klargestellt hatte, dass der Freundschaftsdienst am FC Bayern im Sommer 2018 auch wieder beendet sei. Das ewige Hin und Her führte zu endlosen Fragen an Heynckes, der auf Hoeness‘ Vorpreschen reagieren musste.

Es zeigte die Zerrissenheit der Bayern-Führung. Karl-Heinz Rummenigge hielt sich beim Umgarnen merklich zurück, erst als Hoeness mal wieder vorgeprescht war, musste Rummenigge quasi nachziehen. Hasan Salihamidzic verlor sich dagegen in gehaltlosen Worthülsen.

Hoeness blockierte die Idee seiner Mitstreiter bis zuletzt, wollte Tuchel als neuen Trainer in München vermeiden und stattdessen Heynckes bearbeiten, bis dieser womöglich doch noch einmal weich werden könnte. Ein fataler Irrtum, wie sich nun in doppelter Hinsicht herausstellte.

Es ist schon lange kein Gerücht mehr, dass die absoluten Top-Spieler für die Bayern nicht mehr zu bekommen sind. Die Münchener haben die einstigen Vorgaben, keine astronomischen Summen für einen oder mehrere Spieler investieren zu wollen, längst gelockert und für die Zukunft auch grosse Blockbuster-Transfers angekündigt.

Die Frage ist nur: Für welchen Spielermarkt? Die Superstars gehen nach England, zu den grossen spanischen Klubs oder nach Paris. Die Bayern bekommen nicht (mehr) jeden Spieler, den sie haben wollen. Und nun auch nicht mehr jeden Trainer.

Wie sieht das Anforderungsprofil eigentlich aus?

Das Profil des zukünftigen Trainers ist auch ein halbes Jahr nach Ancelottis Demission nicht klar definiert. Deutsch soll er sprechen und einen Umbruch moderieren können. Ein tragfähiges Konzept? Eine geforderte Spielidee? Ein Leitmotiv in der Jugendarbeit? Ein Fahrplan für die herausfordernde Zukunft?

Von alledem hat man von den Entscheidungsträgern bisher nichts gehört. Die Bayern haben auf der Suche nach Erneuerung auf der Trainerbank übersehen, dass sie in den Gremien vielleicht ein paar frische Köpfe und Ideen bräuchten.

"Bei Bayern herrscht noch immer das alte patriarchische System. Damit ist der Klub international nicht mehr wettbewerbsfähig", sagte Henning Zülch, Wirtschaftswissenschaftler von der "Leipzig Graduate School of Management", in einem Interview mit "Sport1".

Die Bayern hätten "noch keine Antwort auf Vereine wie Barcelona, Paris Saint-Germain und Manchester City gefunden. Das Risiko ist gross, auf absehbare Zeit nicht wieder in die europäische Spitze zurückzukehren." Zülchs Resümee: "Der Verein ist nicht erneuerungsfähig."

Diese rückwärtsgewandte Denkweise im Klub hat wohl viel damit zu tun, dass Hoeness seit einiger Zeit wieder zum mächtigen Patron der Bayern aufgestiegen ist. Nicht nur als Bremsklotz in der Causa Tuchel steht der einstige Macher nun da. Seit Hoeness wieder zurück ist und Avancen auf das Präsidentenamt machte, haben Matthias Sammer und Michael Reschke die Bayern verlassen, dazu sind Philipp Lahm oder Max Eberl nicht in die Funktion des Sportdirektors geschlüpft. Beide hatten zu grossen Respekt vor Hoeness‘ langem Arm.

Ohne Trainer keine konkrete Kaderplanung

Also wird der Rekordmeister weiter wie nach Gutsherrenart geführt. Das endet nun vorläufig damit, dass die Bayern mehrere Monate verschenkt haben, immer noch kein klares Trainerprofil erkennen lassen und für den Moment in der Planung der nahen Zukunft auch handlungsunfähig sind. Der neue Trainer sollte eigentlich in diesen Tagen vorgestellt werden.

Erst wenn die Baustelle abgehakt ist, kann es an die konkrete Kaderplanung gehen.

Stars wie Arjen Robben und Franck Ribéry wurden damit vertröstet, nach Bekanntgabe des Trainers über Vertragsverlängerungen zu sprechen. Nun zieht noch mehr Zeit ins Land und die Zukunft der beiden Ikonen ist weiter offen. Die Suche nach neuen Spielern und der damit einhergehende Umbau des Kaders steht still.

Die Bayern haben sich mit ihrer Hinhaltetaktik offenbar böse verzockt, so wird das nun jedenfalls von den meisten Beobachtern wahrgenommen. Und jetzt fehlt ein Plan B. In einer Zeit, in der die grundlegenden Entscheidungen bei einem Klub der Grösse des FC Bayern längst gefällt sein müssten, beginnt die Trainersuche wieder von vorne. Der Plan, mit Heynckes Zeit zu gewinnen, endet in einem, zwei, vielleicht sogar drei Titeln. Aber noch lange nicht darin, sich für die Zukunft gewappnet neu aufzustellen.

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