Im Büro von Uli Hoeness hängt ein grosszügig umrandetes Bild. Es zeigt die Choreografie der Bayern-Fans vor dem Champions-League-Finale 2001 gegen den FC Valencia. "Heute ist ein guter Tag Geschichte zu schreiben", stand damals auf die Tribünen des Giuseppe-Meazza-Stadions geschrieben.
Eine weitere gute Geschichte des an Erfolgen wahrlich nicht armen Klubs will der FC Bayern am kommenden Dienstag im CL-Hinspiel gegen den FC Barcelona hinzufügen. Dann aber ohne die entsprechende optische Unterstützung der Kurve.
Vor ein paar Tagen kam es hinter den Kulissen zu einer überraschenden Wendung. Der "Club Nr. 12", die Vereinigung aktiver Bayern-Fans und eine Art Dachverband, musste das Ergebnis einer Kampfabstimmung bekanntgeben. Demnach musste die geplante und längst begonnene "Ganz-Stadion-Choreografie" für die Partie gegen den FC Barcelona von einem Tag auf den anderen abgesagt werden.
Von der "bittersten Entscheidung, die es in der 15-jährigen Geschichte des Club Nr.12 zu verkünden gab", ist die Rede. Dass es einer solchen Abstimmung überhaupt erst bedurfte, liegt offenbar daran, dass es schon seit einiger Zeit innerhalb der Fan-Gruppierungen zu Meinungsverschiedenheiten gekommen ist. Und am seit Jahren "schwer gestörten Verhältnis zwischen dem harten Fan-Kern und der Vereinsführung unseres FC Bayern", wie der "Club Nr. 12" mitteilt.
Spuren des Boykotts einzelner Fangruppen gegen den Klub waren in dieser Saison bei jedem Heimspiel in der Champions League nicht zu übersehen, als der Bereich hinter dem Tor im Unterrang der Südkurve aus Protest jeweils frei blieb. Teile der Südkurve demonstrierten so ihren Unmut über einige Entscheidungen des Klubs.
So bleibt das Verteilen von Flugblättern und Fan-Zeitungen in der Allianz Arena weiter verboten; selbst auf die zuletzt imposanten Choreografien des "Club Nr. 12" durfte auf den Flugblättern und auf den Newsletter des Dachverbands nicht hingewiesen werden. Diese kleinen Mosaiksteinchen befeuerten den seit dem Einzug in die Arena im Jahr 2005 schwelenden Brand um die Verteilung der Stehplatzkontingente zusätzlich.
Seit Beginn der Planungen für die Arena wiegeln sich die Debatten um die Stehplätze im Unter- und Mittelrang der Südkurve immer wieder hoch. Aus Sicht der Fans ist der Stehplatzbereich nur im Unterrang zu wenig. Sie sehen vor allen Dingen das Dilemma, dass die junge Generation, die sich gerne beziehungsweise ausschliesslich im Stehplatzblock aufhalten will, angeblich mehr und mehr ausgegrenzt wird.
Durch den von den Fans erwarteten Preisaufschlag auf die Sitzplatzkarten ab der kommenden Saison soll der Anreiz für ältere Stadiongänger auf einen Sitzplatz noch mehr sinken, und damit unweigerlich Plätze im Stehplatzsektor besetzen. Plätze, die die nachrückende Generation gerne für sich in Anspruch nehmen würde. So jedenfalls die Argumentation des Dachverbands.
Der Streit geht jedenfalls vor dem wichtigsten Spiel des Jahres in eine neue Runde. Das Misstrauen gegenüber Verein und Fanbetreuern hat jetzt zu einem neuen Tiefpunkt geführt. Im Spiel gegen den FC Barcelona müssen Zuschauer und Spieler auf die entsprechende Einstimmung für ein Champions-League-Halbfinale gegen den besten Klub der Welt verzichten.
Dem geneigten Stadiongänger bleibt deshalb die neueste Errungenschaft, importiert aus dem Basketball-Bereich: Klatschpappen für alle.
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