Bei der Jahreshauptversammlung des FC Bayern wirkt Uli Hoeness gelöst wie lange nicht. Auch die Arbeit von Hasan Salihamidzic wird zum Thema. Ein besonders intensiver Moment gehört jedoch dem Trainer, von dem sich die Münchner erst vor Kurzem trennten.
Tosender Beifall in der Münchner Olympiahalle.
Schüchtern, zaghaft und überwältigt zugleich betritt Susi Hoeness die Bühne, bekommt einen Blumenstrauss überreicht.
Neben ihr steht
Es war wahrlich eine emotionale Jahreshauptversammlung des Rekordmeisters, an deren Ende Freund und Weggefährte
1. Hoeness erzählt von "schwarzem Fleck" - und einem Unfall
Es ist 20:01 Uhr. Hoeness steht seit Minuten auf dem Podest. Wer ihn um Fassung ringend erwartet hatte, wurde vom rustikalen Schwaben ein weiteres Mal eines Besseren belehrt. Der einstige Nationalspieler, Weltmeister von 1974, wirkt gelöst, baut immer wieder Anekdoten in seinen Monolog ein, spricht mit gefestigter Stimme und betont gewandt Silben und Wörter.
Um kurz nach Acht also erinnert Hoeness an einen Tag im Sommer 1970, als "ich in einem kleinen BMW 2002 von Ulm nach München fuhr. Vor lauter Aufregung habe ich in der Schellingstrasse eine rote Ampel übersehen und einen Unfall gebaut. Da habe ich gedacht: Das geht ja gut los", meint er und grinst wie ein Lausbub, dem gerade ein Streich gelungen ist.
Diese Minuten gehören Hoeness, das letzte Mal lauscht die Bayern-Familie kollektiv seinen Worten - er geniesst es sichtlich. "Als ich das letzte halbe Jahr meiner Karriere beim 1. FC Nürnberg spielte...", erzählt er laut. Ein lautes "Buuuuuuhhhhh" in der Olympiahalle unterbricht ihn. Man muss wissen, dass die Bayern neben Nachbar TSV 1860, von dem den Branchen-Riesen im Münchner Südosten nur zwei Seitenstrassen trennen, noch den "Club" aus Franken als emotionalen Rivalen haben.
Hoeness hält kurz inne, lacht herzlich, Groll gibt es von ihm diesmal nicht: "Das war ein kleiner schwarzer Fleck in meiner Karriere." Er kommt gerade erst in Fahrt, eine nette Botschaft an Vorstandschef
2. Rummenigge verteidigt Sportdirektor Salihamidzic
Eine halbe Stunde später: "Kalle", wie Mentor Hoeness Rummenigge gerne nennt, verliest den Bericht des Vorstandes. Der Bayern-Boss erzählt, wie er im Sommer 1974 "als blutjunger Bursche" aus dem kleinen Lippstadt in Westfalen in die bayerische Metropole München kam, "als die Matadoren einzogen: Sepp Maier, Gerd Müller, Franz Beckenbauer und natürlich Uli Hoeness. Die Weltmeister".
Wie er im Doppelzimmer Hoeness zugeteilt worden sei, "den ganzen Tag habe ich mich nicht getraut, einen Mucks zu sagen. Bis der Uli gefragt hat: Sagst du heute auch noch was?" Hoeness wird ihn hinterher frech für seine Emotionen loben, doch Rummenigges Rede ist auch ernst, vor allem dann, als es um den umstrittenen Sportdirektor
"Ich finde im Übrigen die Philosophie von Hasan Salihamidzic, unseren Kader mit Perspektivspielern zu besetzen, absolut richtig. Ich habe sehr intensiv mit ihm zusammengearbeitet. Er ist ein Mensch mit Visionen für die Entwicklung der Spieler und unserer Mannschaft", erklärt Rummenigge mit Nachdruck in der Stimme und meint weiter: "Er gibt jeden Tag 100 Prozent für den FC Bayern." Klingt so Überzeugung? Es hört sich eher wie eine Rechtfertigung an, warum sich die Bosse für den 42-Jährigen entschieden haben - und ihn trotz kritischer Kommentare aus der Fanbasis nun auch zum Sportvorstand machen wollen.
"Ich darf Sie grundsätzlich bitte, Hasan zu vertrauen. Er ist ein junger Mensch und für eine Ausbildung zum Sportdirektor gibt es keine Uni. Du musst ins Wasser springen und schwimmen", referiert der 64-jährige Rummenigge weiter. Überzeugungsarbeit geht wohl wirklich anders.
3. Kovac zollt Hoeness Tribut - und der FC Bayern Kovac
Ernst ist an diesem Abend auch die Personalie
Kurz nach 23 Uhr, die Bayern zeigen auf den riesigen Leinwänden einen Einspieler: "Servus, lieber Präsident, diesmal bin es wirklich ich, und nicht ein anderer Schwarzer", meint der Österreicher David Alaba in bestem Wiener Schmäh, die Halle grölt. Dann wird es plötzlich ruhig, auf einen Schlag. Kovac richtet in dem Video ein paar Sätze an Hoeness, an den Mann, der sich keine zwei Wochen zuvor von ihm als Coach getrennt hatte.
"Deine Ehrlichkeit und Hilfbereitschaft zeichnen dich aus", sagt Kovac - standhaft, ehrlich, authentisch. An der Säbener Strasse reden sie nicht erst seit der Trennung vom 48-Jährigen davon, was für ein guter, handfester und kantiger Typ der Trainer sei. In diesem Moment spüren alle Fans und Beobachter in der Olympiahalle, warum. Auch Hoeness lächelt zufrieden. Er hat an diesem langen Abend sichtlich seinen Frieden gefunden.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.