Der FC Bayern München und der VfL Wolfsburg stehen vor einer richtungsweisenden Woche. In der Bundesliga der Frauen treffen sie im direkten Duell aufeinander, davor und danach spielen sie in der Champions League um den Einzug in das Halbfinale. Wie bereit sind die beiden Spitzenklubs für die entscheidende Saisonphase?
5:0 gewann der VfL Wolfsburg gegen Turbine Potsdam am Freitagabend, mit einem 5:0-Auswärtssieg legte der FC Bayern München am Samstag beim 1. FC Köln nach. Beide haben damit eine Pflichtaufgabe erfüllt – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Denn jetzt beginnt die "Crunchtime". Innerhalb der nächsten vier Wochen entscheidet sich sowohl für Bayern als auch für Wolfsburg, wohin die Reise in dieser Spielzeit geht. Unter der Woche spielen die beiden Spitzenklubs in der Champions League, am kommenden Wochenende gegeneinander und dann steht das Rückspiel im Viertelfinale der Königinnenklasse an.
Besonders brisant: In allen drei Wettbewerben könnte es dazu kommen, dass die direkten Duelle über die Titelchancen entscheiden. Im DFB-Pokal treffen Bayern und Wolfsburg am 15. April im Halbfinale aufeinander. Schlägt Wolfsburg in der Champions League Paris Saint-Germain und kommen die Münchnerinnen gegen den FC Arsenal weiter, wird es auch international ein deutsches Halbfinale geben. Der VfL gilt in allen Wettbewerben als favorisiert – doch wie bereit sind Wolfsburg und die Bayern vor diesen entscheidenden Wochen?
FC Bayern München: Kommt der nächste Entwicklungsschritt zum richtigen Zeitpunkt?
Die Erinnerungen an die vergangene Saison sind am Münchner Campus schmerzlich. Ausgerechnet in der wichtigsten Phase der Saison fielen zahlreiche Spielerinnen durch Verletzungen oder Krankheit aus. Erst ging das Debüt in der Allianz Arena gegen PSG unglücklich mit 1:2 verloren, dann reichte es im Rückspiel knapp nicht zum Weiterkommen. Eine deutliche 0:6-Niederlage in Wolfsburg sowie ein 1:3 daheim gegen den VfL im Pokal besiegelten schliesslich das titellose Jahr.
In München geben sich die Verantwortlichen zurückhaltend, wenn es darum geht, ob ein Titel am Ende der Saison stehen muss. Die Dominanz der Wolfsburgerinnen sowie die starke internationale Konkurrenz sind ihnen bewusst. Und doch war es eine klare Ansage, im Sommer auf dem Transfermarkt zuzuschlagen und vor allem mit Trainer Alexander Straus eine neue Ära einzuleiten.
Unter dem Norweger spielen die Bayern einen offensiveren, klarer strukturierten Fussball. Gleichwohl betont der 47-Jährige stets, dass der Entwicklungsprozess Zeit benötigen wird. Die Fortschritte sind erkennbar. Bayern hat einen unverkennbaren Stil entwickelt. Und ist damit auch ein Stück weit zum Gegenentwurf des VfL Wolfsburg geworden.
Der FC Bayern nimmt Rhythmus auf
Die Münchnerinnen fokussieren sich auf einen ruhigen und kontrollierten Spielaufbau. Vereinfacht erklärt geht es um zwei Dinge: Durch viel Bewegung die gegnerischen Ketten auseinanderzuziehen, sich aber gleichzeitig so auf dem Feld zu positionieren, dass bei Ballverlusten eine schnelle Rückeroberung möglich ist. Dafür positioniert Straus viele Spielerinnen im Zentrum.
Diese Strategie geht immer mehr auf. Zu Beginn war einigen Spielerinnen anzumerken, dass die Umstellung nicht leicht ist. Klara Bühl beispielsweise, die eher auf dem Flügel zu Hause ist, tat sich schwer damit, auch im Halbraum Gefahr zu erzeugen. Mittlerweile ist die 22-Jährige aber wieder in Topform, hat in den letzten sechs Pflichtspielen fünf Assists gegeben und drei Tore selbst erzielt.
Gerade das Zusammenspiel mit Lea Schüller funktioniert in der Offensive sehr gut. Beide ziehen sich mit gut getimten Läufen gegenseitig die Räume auf und sorgen so dafür, dass die Bayern im Angriffsspiel zielstrebiger agieren als noch zu Beginn der Ära Straus, wo es oft ein Problem war, in den Strafraum der Gegnerinnen zu kommen. Es scheint, als würde das gesamte Team gerade aber den nächsten Entwicklungsschritt gehen – und das genau zum richtigen Zeitpunkt.
Denn mit dem FC Arsenal wartet ein stark besetztes Team auf den FC Bayern. Die Gunners haben mit Beth Mead und Vivianne Miedema zwar zwei Schlüsselspielerinnen wegen schwerer Verletzungen verloren, doch sie sind auch darüber hinaus stark aufgestellt. Nach einer Formschwäche im Frühjahr scheinen sie sich gerade wieder etwas zu fangen. Für die Bayern, die sich mit dem 5:0 in Köln weiteres Selbstvertrauen holen konnten, wird es deshalb eine echte Standortbestimmung. In der aktuellen Verfassung hat das Team von Straus aber gute Karten auf den Einzug ins Halbfinale.
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VfL Wolfsburg: Saisonauftakt in Paris
Gut möglich, dass sie dort dann auf den VfL Wolfsburg treffen. Die Bilanz der letzten Monate und Jahre ist erschreckend – zumindest für die Konkurrenz. Die Niederlage gegen die TSG Hoffenheim am 13. Spieltag war die erste in der Bundesliga seit Oktober 2021. Im gesamten Jahr 2022 verlor Wolfsburg nur ein einziges Spiel: Im Halbfinale der Champions League gegen den FC Barcelona.
Auch in dieser Saison schien der VfL wieder zu marschieren. In der Liga wurden bis zur besagten Niederlage in Hoffenheim alle Spiele gewonnen, in der Champions League qualifizierte man sich souverän als Gruppensieger und auch im Pokal zeigte das Team von Tommy Stroot keinerlei Schwächen.
Wolfsburg spielt einen direkteren, schnelleren Fussball als der FC Bayern und konzentriert sich mehr auf die eigene Power, die Spielerinnen wie Alexandra Popp, Ewa Pajor oder
Ohne die 21-Jährige hatte Wolfsburg in der Vergangenheit Probleme, die für das eigene Spiel notwendige Energie auf den Platz zu bringen. Oberdorf kann grosse Räume nahezu alleine bespielen und verteidigen. Eine Qualität, die andere Spielerinnen so nicht haben.
VfL Wolfsburg: Vorsicht vorm Pariser Tempo
Eine der grössten Stärken unter Stroot ist aber die Flexibilität. Wolfsburg kann sich mit unterschiedlichen Spielsituationen und Umständen arrangieren und dementsprechend den eigenen Stil anpassen. Zuletzt erzielten sie Tore nach schönen Kombinationen, aber auch nach langen Bällen oder Flanken. Die Breite des Kaders erlaubt es Stroot, eine breite Palette an taktischen Mitteln zu nutzen.
Und doch ragt eine Eigenschaft des Wolfsburger Spiels heraus: Die Arbeit gegen den Ball. Rund 16-mal gelingt es dem VfL pro 90 Minuten in der Bundesliga, den Ball im gegnerischen Drittel zu erobern. Absoluter Bestwert. Nur 8,8 Pässe erlauben sie ihren Gegnerinnen durchschnittlich im Spielaufbau, ehe eine Defensivaktion erfolgt.
Auch gegen Paris Saint-Germain wird es diese Aggressivität einerseits, vor allem aber eine hohe Präzision andererseits brauchen, um erfolgreich zu sein. Paris hat unter anderem mit Sandy Baltimore und Kadidiatou Diani zwei pfeilschnelle Spielerinnen in der Offensive, die nur darauf lauern, dass Wolfsburgs erste Pressinglinie überspielt und sie in die Tiefe geschickt werden können.
Für den VfL Wolfsburg ist die bisherige Saison fast schon egal. Sie war notwendig, um sich in eine gute Ausgangslage für die entscheidenden Wochen zu bringen. Das ist gelungen. Wie in jedem Jahr geht die Saison für sie aber erst mit dem Viertelfinale der Champions League los.
Sowohl die Bayern als auch Wolfsburg haben in dieser Saison gute Karten auf den Einzug ins Halbfinale. Es scheint, als wären beide gut vorbereitet und als hätten sie zum richtigen Zeitpunkt eine gute Form. Letzteres mag auf den FC Bayern etwas mehr zutreffen. Und doch ist der VfL dafür bekannt, in den grossen Spielen abzuliefern.
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