Seit dem jüngsten Fifa-Skandal um angebliche Korruption und Bestechung gilt er plötzlich als Heilsbringer: Ali bin Al-Hussein. Der Jordanier will Sepp Blatter als Präsident des Fussballverbandes ablösen. Al-Hussein verspricht Reformen und einen Wandel. Doch wofür steht Al-Hussein überhaupt? Kann er die Fifa tatsächlich erneuern?

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Zwei Tage ist es her, dass sich Prinz Ali bin Al-Hussein zuletzt auf Twitter zu Wort gemeldet hat: "Wir können nicht so weitermachen mit der Fifa-Krise. Einer Krise, die immer weitergeht und nicht nur für die heutigen Ereignisse von Bedeutung ist." Al-Hussein verkündete seine Botschaft am Mittwoch – an jenem Tag also, an dem in Zürich sieben hochrangige Funktionäre des Fussball-Weltverbandes Fifa verhaftet wurden. Beispiellose Korruption, Betrug und Annahme von Bestechungsgeldern lauten die Vorwürfe der Justizbehörden aus der Schweiz und den USA.

Dass Al-Hussein sich so äussert, überrascht nicht. Der Vizepräsident für Asien will an diesem Freitag Sepp Blatter an der Spitze des Fussballverbandes ablösen. Und er weiss genau: Eine Chance hat er nur dann, wenn er einen glaubhaften Neuanfang verspricht, wenn er sich vom "System Blatter" so weit wie möglich distanziert.

Ali bin Al-Hussein ist jung, ehrgeizig - und braucht kein Geld

Die Fifa ist ein Verein der Superlative. Um das zu erkennen, reicht schon ein Blick auf die pompös inszenierten Weltmeisterschaften. In diesem Sinne würde Al-Hussein hervorragend an die Spitze des Verbandes passen, soll er doch ein direkter Nachfahre des Propheten Mohammed sein. Der 39-jährige Al-Hussein wurde in Jordanien geboren, er ist der Halbruder von König Abdullah II. Für Uefa-Präsident Michel Platini zählt in seiner Biografie insbesondere eines: "Er ist jung, ehrgeizig, er braucht auch kein Geld, denn er ist ja Prinz."

Platini gilt als einer der grössten Befürworter Al-Husseins. Das liegt vor allem am Streben nach Reformen, das der Jordanier ausstrahlt. Seit Al-Hussein im Januar seine Kandidatur verkündete, hat er in seinen Reden immer wieder betont, dass es endlich "Zeit für Veränderungen" sei. Er fordert, dass die Fifa wieder als Vorbild für "Ethik, Transparent und gute Regierungsführung" dienen solle. Der nordirische Fussballfunktionär Jim Boyce lobt Al-Hussein: "Wenn er das Gefühl hat, etwas müsse gesagt werden, dann sagt er es auch."

Al-Hussein gilt als Gegenentwurf zu Blatter, der die Fifa seit 1998 nach seinem Willen formt und führt. Und der Herausforderer kennt das Innenleben der Verbände und des internationalen Fussball nur zu gut. Mit 25 Jahren wurde er Chef des jordanischen Verbandes, später machte er sich dafür stark, dass Frauen bei Fussballspielen auch mit Kopftuch wieder auflaufen dürfen. Ohnehin wäre Al-Hussein der erste Muslim, der den Weltverband führen würde. Ausserdem setzte sich dafür ein, den Untersuchungsbericht von Chefermittler Michael Garcia zu veröffentlichen, in dem Unregelmässigkeiten bei der WM-Vergabe Russland (2018) und Katar (2022) geprüft wurden.

Kann sich Ali bin Al-Hussein auch nach der Wahl durchsetzen?

Aber reicht das schon, um der Fifa mehr als nur einen neuen Anstrich zu verpassen? "Das Wichtigste ist, dass das System Blatter beendet wird, egal von wem", sagte Fifa-Experte Thomas Kistner im Gespräch mit der österreichischen Tageszeitung "Der Standard". Der Autor des Buches "Fifa-Mafia" ist dennoch skeptisch, ob Al-Hussein dieser Aufgabe gewachsen ist: "Er hat kein Profil."

Tatsächlich hätte es noch vor Wochen kaum jemand für möglich gehalten, dass der Vizepräsident eine Chance gegen Blatter haben könnte. Erst nach dem öffentlichen Skandal der vergangenen Tage wurde Al-Hussein von manchen plötzlich zum Heilbringer auserkoren. Gewinnt der Prinz die Wahl tatsächlich, dürfte die grösste Frage sein: Wie frei kann er in der Fifa wirken und diese umgestalten? Denn nach fast zwei Jahrzehnten der Regentschaft Blatter haben sich viele Muster eingeschlichen.

Die Macht des Geldes hat die Fifa fest im Griff – schwer vorstellbar, dass sich das vom einen auf den anderen Tag ändern lässt. Und eine Stimme gegen Blatter bei der Wahl bedeutet später noch längst keine grenzenlose Unterstützung für die Arbeit des Nachfolgers. Welcher Funktionär möchte schliesslich gerne auf Privilegien verzichten, die er seit Jahren geniesst?

Grabenkämpfe in der Fifa erschweren Reformen

Wer nach Al-Husseins Forderungen zum Garcia-Bericht auf einen grossen Wurf bei der WM-Vergabe nach Katar hofft, könnte am Ende ziemlich enttäuscht werden. Wie wahrscheinlich ist es, dass ein asiatischer Fifa-Boss einem Land aus Asien die WM tatsächlich wieder entziehen würde? Zumal er sich 2012 in einem Interview mit dem "Tagesspiegel" noch klar pro Katar aussprach. "Ich denke, es ist das Recht jedes einzelnen Landes, eine Weltmeisterschaft auszurichten", sagte Al-Hussein damals.

Kritiker wie der bekannte australische Sportjournalist Michael Cockerill warnen, dass Al-Hussein nicht zur Marionette einzelner Blöcke innerhalb der Fifa werden dürfe. Oder dass mit der Uefa im Rücken der westliche Block im Verband erstarken und der Fussball noch mehr dem Kommerz verfallen könnte. Für Al-Hussein heisst das, dass er seine hehren Vorhaben gegen die Grabenkämpfe in der Fifa verteidigen müsste. Das dürfte allerdings im Moment noch seine geringste Sorge sein: Erst einmal muss er überhaupt Sepp Blatter vom Thron stossen.

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