Chuck Blazer hat das System Fifa aufgebaut - jetzt könnte er als Kronzeuge für dessen spektakulären Sturz sorgen. Der Amerikaner war einst Sepp Blatters rechte Hand, ehe er dem FBI ins Netz ging und für die Bundespolizei sogar dutzende ehemalige Weggefährten ausspionierte.
Es gibt da dieses eine Bild, aufgenommen vor zehn Jahren, am Rande eines Fifa-Promotion-Events in Berlin. Es zeigt Joseph Blatter, den Sonnengott des Weltfussballs, wie er die Hand auf den Spielball der bald stattfindenden Weltmeisterschaft in Deutschland legt. Links neben ihm steht
Chuck Blazer war immer so etwas wie die graue Eminenz des Fussball-Weltverbands. Er war Blatters wichtigster Krieger, seine rechte Hand, der Mann fürs Grobe. Ein Vierteljahrhundert diente Blazer seinem Herrn loyal und verschwiegen. Offiziell als Chef des Nord- und Mittelamerikaverbands CONCACAF, hinter den Kulissen als Strippenzieher und Bindeglied zwischen Verband, Wirtschaft und MedieCk n.
Chuck Blazer baute das Fifa-Imperium mit auf
Leute wie Blazer waren es, die aus dem "eingetragenen Verein", der auch heute offiziell noch als "Nonprofit Organisation" geführten Vereinigung, ein Multi-Milliarden-Dollar-Imperium bauten. Hunderte Millionen US-Dollar brachte Glazer mit seinen Kumpanen auf den Weg, er fädelte TV- und Sponsoring-Deals auf der ganzen Welt ein, und hie und da zwackte er ein paar Milliönchen für sich und seine Lieben selbst ab.
Als Blazer vom ehemals kongenialen Partner Jack Warner im Nachklapp des schmutzigen Wahlkampfs 2011 verraten wurde, als das FBI und die US-Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS) auf ihn aufmerksam wurden und endlich Beweise in der Hand hatten, war es vorbei mit Blazers steilem Aufstieg vom arbeitslosen Handelsvertreter zu einem der mächtigsten Männer des Weltfussballs.
Mit der darbenden Major League Soccer hat sich Blazer Ende der 1980er-Jahre einen Namen gemacht im Fussballgeschäft. Er hat dem Soccer in den USA den ersten grossen TV-Vertrag beschafft, er hat für den US-Verband, die Concacaf und die Fussballwelt die Grossereignisse Gold Cup, Confed Cup und die Klub-WM organisiert und wurde der erste Amerikaner nach fast 50 Jahren, der es wieder ins Exekutivkomitee der Fifa geschafft hat.
Als Blatter 1998 vom Generalsekretär zum Präsidenten aufstieg, nahm er Blazer mit im Aufzug nach oben. Mit Warner und Blazer hatte Blatter Nord- und Mittelamerika in der Tasche und damit einen ordentlichen Stimmenanteil: auf 35 sichere Wähler konnte sich Blatter fortan verlassen. Im Gegenzug liess er Blazer nahezu freie Hand - mit grossem finanziellen Nutzen für die "Nonprofit"-Fifa.
Blazer gerät in die Fänge des FBI
Blazer war es, der dem Verband die Bewegtbildrechte an allen Turnieren zurückführte und damit erst den Bieterirrsinn erfand, der sich seit Mitte der 1990er-Jahre um so ziemlich jedes Grossereignis vollzieht und der Fifa mehrere Milliarden Dollar in die Taschen gespült hat. Er hat das Ticketing und die Hospitality revolutioniert, hat Kontrakte mit Hotelketten geschlossen und Autobauern, die die vermögende Kundschaft nur zu gern beherbergt oder in ihrer Wagenflotte durch die Lande kutschiert hat.
Vermutlich hätten er und Warner auch einfach so weitergemacht, wäre Blazer nicht im Herbst 2011 dem FBI in die Fänge geraten. Knapp 50 Millionen Dollar soll er bis dahin in die eigenen Taschen gewirtschaftet haben, zehn Prozent an jedem Deal verdient haben. Geld genug, um sich mehrere hochpreisige Wohnsitze zu leisten und ein Apartment im 49. Stock des Trump Tower in New York.
"Ich kann mit Recht behaupten, dass ich einen exzellenten Job gemacht habe bei der Fifa", hat er in einem seiner wenigen Interviews mal gesagt. "Ich habe 21 Jahre lang den Verband und seine Turniere aufgebaut und bin derjenige, der für die grossen Erlöse verantwortlich ist."
Seinen wohl wichtigsten Deal ging er aber mit dem FBI ein: Er liefert entscheidende Informationen aus dem Innersten der Fifa und bleibt im Gegenzug von einer womöglich lebenslangen Haftstrafe verschont. Im Rahmen seines neuen "Jobs" hat er unzählige Dokumente besorgt, Kontoauszüge, Kreditkartenabrechnungen, Verträge, Memos, Notizen. Sein grösster Coup gelang ihm aber im Sommer 2012 am Rande der Olympischen Spiele in London.
Blazer schrieb hochrangige Fifa-Funktionäre aus Australien, Russland, Ungarn und Österreich an, um mit ihnen bei einem Treffen im Fünf-Sterne-Hotel Mayfair über die WM-Vergaben 2018 an Russland und 2022 an Katar zu sprechen. Nicht alle kamen auch zu dem Treffen, er soll sich im Rahmen der Spionage-Aktion aber mit 44 Personen aus dem Fifa-Umfeld getroffen und geredet haben. Alles aufgezeichnet durch ein in seinem Schlüsselanhänger versteckten Mikrofon.
Vor einigen Jahren wurde bei ihm Darmkrebs diagnostiziert, vielleicht hat auch die schwere Krankheit seinen Entschluss noch unterstützt, fortan die alten Weggefährten ans Messer zu liefern. Der Zwist mit Warner, der sich mittlerweile den Behörden gestellt hat, hat ein kleines Erdbeben in Gang gesetzt - das nun das gesamte System Fifa zum Einsturz bringen könnte.
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