(ub/ska/mac) - Kaum eine Person ist in der Welt des Fussballs so umstritten wie Fifa-Präsident Joseph S. Blatter. Den Schweizer umgeben seit seiner Wahl 1998 grössere und kleinere Skandale. Fast immer haben sie mit Geld zu tun. Doch an Blatter scheint alles abzuprallen.
Der DFB war noch nie ein grosser Fan von Blatter. Doch bisher hatten sich Ex-Präsident Theo Zwanziger, sein Nachfolger Wolfgang Niersbach und Ligapräsident Reinhard Rauball selten zu klaren Negativ-Äusserungen hinreissen lassen, dabei hätte das "System Blatter" schon in den vergangenen Jahren reichlich Angriffsfläche geboten.
So zum Beispiel 2011, als im Vorfeld der turnusmässigen Wahl des Präsidenten die Wahlkampagne der beiden Kandidaten und vormals besten Freunde Sepp Blatter und Mohamed bin Hammam ausartete.
Als im Jahr zuvor die beiden Endturniere 2018 und 2022 ziemlich beziehungsweise völlig überraschend nach Russland und Katar vergeben wurden, schien dies wie ein letzter stillschweigender Deal zwischen Blatter und bin Hammam.
Es war aber nur vordergründig ein Aufflackern alter Seilschaften. In den Tagen vor der Wahl wurden hartnäckige Gerüchte laut, bin Hammam habe die Wahl bei einigen Fifa-Exekutivmitgliedern erkauft.
Der wehrte sich auf seine Art und ging gegen Blatter vehement in die Offensive. Der Schweizer habe von den Bestechungsversuchen gewusst und sei deshalb ebenso mitschuldig wie alle anderen. "Wir haben keine Krise bei der FIFA. Wir haben ein paar Probleme. Diese werden aber innerhalb der Fifa-Familie gelöst", sprach Blatter gönnerhaft.
Einzig die skandinavischen Verbände forderten damals eine lückenlose Aufdeckung aller Gerüchte, der englische Verband in Person von Präsident David Bernstein eine Verlegung der Wahl. Der Deutsche Fussball Bund, vertreten durch Präsident Dr. Theo Zwanziger, blieb stumm.
Das Ende vom Lied war drei Tage vor der Wahl: Bin Hammam zog seine Kandidatur plötzlich zurück, "um der Fifa weiteren Schaden zu ersparen", wie die offizielle Version lautete. Inzwischen wurde er ganz aus der "Familie" ausgeschlossen. Und Blatter? Dem konnte nichts nachgewiesen werden. Zwar habe er vom Vorhaben der Bestechung gewusst, von einer real vollzogenen Bestechung aber nicht. Per Akklamation wurde der einzige Kandidat dann gewählt.
Die Fifa funktioniert wie die katholische Kirche. Missstände werden intern und mit dem kleinstmöglichen Aufwand und Aufsehen geregelt. Der Rest wird unter einen grossen Teppich gekehrt. Nun geht es also erneut um Schmiergeldzahlungen. Bisher ist bewiesen, dass der inzwischen insolvente Sportvermarkter ISMM/ISL Gelder unter anderem an Fifa-Exko-Mitglieder in Höhe von 140 Millionen Schweizer Franken gezahlt hat, um sich nachhaltige Vorteile etwa bei der Vergabe von Fernseh- und Sponsorenrechten für die Weltmeisterschaften zu sichern.
Blatters Versuch, diese Vorfälle zu verharmlosen, hat nun endlich im DFB-Präsidium das Fass zum Überlaufen gebracht. „Wenn nicht unbedeutende Entscheidungsträger der Fifa offensichtlich Geld kassiert haben und dann gesagt wird, es war damals nicht verboten, ist das eine Reaktion, von der wir als DFB uns nur total distanzieren können“, erklärte Niersbach.
Rauball fordert Blatters Rücktritt
Ligapräsident Rauball ging sogar noch einen Schritt weiter und forderte Blatter in einem Telefongespräch am Freitag auf, zurückzutreten. Ein willkommener Grund für den Chef des Fussball-Weltverbandes sich selbst als Opfer zu stilisieren. Er selbst habe nie Schmiergeld angenommen und hätte die Ermittlungen überhaupt erst ins Rollen gebracht. "Die Leute die mich attackieren, wissen, dass es so ist, aber sie lassen nicht locker. Sie wollen mich weghaben", jammerte Blatter in der Schweizer Boulevardzeitung "Sonntagsblick".
Dass der Schweizer nun zum Gegenschlag ausholt und Unregelmässigkeiten bei der Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 an Deutschland andeutet, passt ins Muster des "System Blatter". Wann immer ihm Gegenwind ins Gesicht bläst, findet der Fifa-Boss Möglichkeiten von sich selbst abzulenken. Bisher war wohl noch keiner der Winde stark genug.
Und so führt Joseph S. Blatter die Fifa vorerst weiter an. Der Sepp aus dem Wallis, erst im Laufe seines steilen Aufstiegs hat er sich seinen Künstlernamen Joseph S. Blatter zugelegt, strebt dabei weiter neuen Höhen entgegen. Er war der erste Präsident, der die Welttitelkämpfe nach Afrika vergab.
Im Sommer 2010 feierte ihn fast der gesamte schwarzafrikanische Kontinent dafür. Heute ist Gastgeberland Südafrika auf kaum nennenswerten wirtschaftlichen Entwicklungen, dafür aber jeder Menge Schulden sitzengeblieben. Die Fifa hat dagegen dick abkassiert – steuerfrei, wie immer.
Blatter orakelt also weiter über die friedensstiftende Heilkraft des Fussballs und wie er die Welt besser machen kann. Ohne aber sich selbst dabei zu vergessen: Als Sonne des Planetensystems, um die sich alle anderen kreisen.
"Die Macht ist für ihn wie eine Droge, wie für andere auch. Wir haben die Welt voller Leute, die die Macht nicht mehr abgeben wollen", nennt Ex-Fifa-Manager Guido Tognoni seinen Antrieb. Tognoni war lange genug im engsten Zirkel der Fifa, um genau zu wissen, wie was läuft. Aber selbst jetzt, nachdem er schon lange ausgeschieden ist, deutet er viele Missstände lediglich an.
Blatter treibt die Geldvermehrungsmaschine weiter voran und arbeitet insgeheim an seiner letzten grossen Errungenschaft: Er will den Friedensnobelpreis. Ein Ansinnen, fast so absurd wie der Slogan der Fifa "For The Game. For The World."
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