Derzeit steht die EM (f) im Fussball-Fokus, doch im Winter wartet mit der WM (m) in Katar ein zweites Turnier. Für Fussballinteressierte gilt es, eine Haltung zu finden.

Eine Kolumne
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Schon heute steht fest, die Fussball-Weltmeisterschaft der Männer in Katar in diesem Winter produziert ungewöhnlich viele Schlagzeilen, die mit Fussball als reinem Sport sehr wenig zu tun haben. Daran ist – anders, als es auf den ersten Blick scheinen mag – nicht alles schlecht. Denn Katar ist nicht der erste Austragungsort eines grossen Sportereignisses, an dem deutliche Kritik angebracht ist. Katar ist vielmehr die Spitze eines Eisbergs. Zugleich kann diese WM aber zu einer Zeitenwende werden, eben weil – anders als bei bisherigen Turnieren – hingeschaut, kritisiert und diskutiert wird. Und das bereits im Vorfeld.

Die Fifa lässt ihre Hüllen fallen

Inhaltlich gilt es, bei der Betrachtung ein paar Dinge auseinanderzuhalten, gleichwohl es zwischen den verschiedenen Kritikpunkten Verknüpfungen gibt. Da ist zum einen die Vergabe selbst, schliesslich war unter anderem die Menschenrechtslage im Land zuvor bekannt. Auch rein sportlich betrachtet ist der Zuschlag für eine WM, die eigentlich im Sommer stattfindet, an eine Region fraglich, deren Temperaturen diesen Turnierzeitpunkt unmöglich machen. Hier steht die Fifa in der Pflicht – und die Fans sollten den Verband das nicht vergessen lassen.

Indem die Fifa ihr grösstes Turnier in ein Land vergibt, dessen Menschenrechtsverstösse gut bekannt sind, trägt sie zu deren Aufrechterhaltung bei. Amnesty International kritisiert seit Monaten, die Bedingungen hätten sich entgegen anderslautender Behauptungen kaum oder nur auf dem Papier verbessert. Eine exakte Zahl der Arbeitseingewanderten, die seit Vergabe der WM nach Katar gestorben sind, ist schwierig zu erheben. Allein die Tatsache aber, dass in Diskussionen immer wieder unterschieden wird, ob die Todesfälle wirklich in Zusammenhang mit dem Turnier stehen oder nicht, zeigt deutlich die Pervertierung des Systems.

Ein notwendiger Blick in den Spiegel

Fast 90 Prozent (!) der 2,5 Millionen in Katar lebenden Menschen kommen aus anderen Ländern, die meisten von ihnen sind Arbeitsmigranten und -migrantinnen aus Bangladesch, Nepal oder Indien. Fernab ihrer jeweiligen Heimat versuchen sie, ein Auskommen für sich und ihre Familie zu verdienen.

An diesem Punkt zeigt sich deutlich, die WM in Katar schwebt nicht im luftleeren Raum, sie ist vielmehr auch Ergebnis und Zeichen unserer Zeit. Denn: Als westliche Staaten haben wir Anteil an der Ausbeutung ganzer Regionen der Welt. Es ist deshalb auch unsere Verantwortung, dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen, um anderswo ihr Überleben zu sichern.

Daraus leitet sich etwas ab, was in der Debatte um Katar oft zu kurz kommt: Es ist einerseits zwar richtig und wichtig, zu kritisieren, wie die Arbeitenden in diesem Land behandelt werden. Dies zu tun, ohne den eigenen Nutzen am ausbeuterischen System anzuerkennen und für sich selbst daraus die Frage abzuleiten, wie wir in unserer Art zu leben etwas daran ändern können, wäre arrogant und verkürzt. Die Diskussionen darüber, was wir aus dieser WM lernen müssen, dürfen sich nicht nur um die Probleme in Katar drehen, wir müssen auch auf uns schauen.

Verantwortliche aus dem Fussball werden nicht müde zu betonen, das Turnier lenke den Blick auf Katar und gebe so die Möglichkeit, dort Dinge nachhaltig zu verbessern, beispielsweise die Rolle der Frau oder den Umgang mit der LSBTIQA*-Community. Damit sich das bewahrheiten kann, ist es notwendig, die Aufmerksamkeit übers Turnier hinaus hochzuhalten. Vier Wochen im Winter reichen nicht aus und die Menschen in Katar, die sich in dieser Zeit aus der Deckung wagen, leben gefährlich. Es ist unsere Verantwortung, sie danach nicht im Stich zu lassen.

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