Der FC Bayern München trifft in der Champions League auf den AS Rom (20:45 Uhr, LIVE bei uns im Ticker und auf Sky). Der wichtigste Spieler der Italiener ist natürlich Francesco Totti - der ewige Kapitän und lebende Legende in Rom.
Man könnte versuchen Francesco Tottis Karriere in Zahlen abzubilden. Es sind beeindruckende Zahlen, wie etwa die 237 Ligatore, die er für den AS Rom geschossen hat. Damit ist er der erfolgreichste aktive Spieler der Serie A. Man könnte Totti dafür hochjubeln, der älteste Torschütze der Champions League zu sein. Oder man könnte sich an die letzte Meisterschaft der Roma im Jahr 2001 unter Fabio Capello erinnern, als Francesco Totti auf einmal nur noch mit einer Unterhose bekleidet auf dem Spielfeld stand. Die Fans hatten ihm vor lauter Freude das Trikot und die Hose vom Leib gerissen. Auch die überragende beidfüssige Ballbeherrschung des Roma-Kapitäns muss man natürlich loben und diese genialen Momente, in denen er mit seinen 38 Jahren noch Pässe spielt, die selbst einen Lionel Messi beeindrucken dürften. Und er ist Weltmeister 2006 – obwohl sich die Deutschen daran ungern erinnern.
Totti setzt sich ein Denkmal
Doch was Totti so besonders macht, ist nicht die Fussballkunst, die er seit über 20 Jahren zelebriert, es ist seine Treue zum Verein. Zu seinem Verein. Zum AS Rom. In einer Zeit, in der Geld den Fussball regiert, sieht man Typen wie Totti gerne. Es tut unheimlich gut, zu sehen, dass ein Spieler Angebote von Real Madrid ausschlägt. Ein Spieler, der mit Leib und Seele für seinen Verein steht und somit eine Vorbildfunktion einnimmt, wie sie im europäischen Fussball selten geworden ist. Ein Cristiano Ronaldo mag vielleicht ein besserer Fussballer sein, er mag mehr Titel gewonnen haben als Totti, dennoch wird er sich nie ein ähnliches Denkmal setzen können, wie es sich Totti in Rom geschaffen hat - auch wenn der seine Treue einmal etwas flapsig als eine Mischung aus "Faulheit und Liebe" umschrieben hat.
In vielerlei Hinsicht ist Francesco Totti das Sinnbild des - sagen wir mal - nicht unbedingt intellektuellen Fussballspielers. Als ihn ein Journalist einmal fragte, wie er es als waschechter Römer mit dem Sprichwort "Carpe Diem" (lat. Nutze den Tag) halte, antwortete Totti: "Was soll der Scheiss? Ich kann kein Englisch." Heute ist er 38 Jahre alt und Englisch kann er ausser einigen Brocken immer noch nicht.
Er ist bei weitem nicht der einzige Fussballspieler, dem eine eher bescheidene Allgemeinbildung nachgesagt wird. Doch Totti ist der einzige, der damit sogar ein gutes Werk getan hat. "Il pupone" (das grosse Kind), wie er liebevoll in Italien genannt wird, hat ein Witzebuch herausgebracht. "Alle Witze über Totti" heisst es und hat sich inzwischen über eine Million mal verkauft. Totti spendete den gesamten Erlös an Unicef.
Dass sie ihn dafür - und für den Fussball natürlich - in Rom lieben, ist selbstverständlich. Doch Totti hat sich über die Jahre auch den Respekt der gesamten Serie A verdient. Besonders deutlich wird das in einem Brief, den Gianluigi Buffon, Torhüter von Juventus Turin, anlässlich Tottis 20-jährigem Serie-A-Jubiläum verfasst hat. Darin heisst es unter anderem: "Du hast italienische Fussballgeschichte geschrieben. 20 Jahre in der Serie A: Was für eine Leistung! [...] Wir sind Freunde, und du weisst, wie viel du mir bedeutest. [...] Für mich wirst du immer ein Azzurro sein."
Totti erfindet sich selbst
Inzwischen spielt Totti seine 23. Saison für den AS Rom. Und er ist noch kein bisschen müde. Im Gegenteil: Sein Vertrag läuft noch bis 2015 und er hat sich im hohen Fussballalter noch einmal selbst erfunden. "Selbstverständlich ist Francesco der König von Rom und ein einzigartiges Genie. Doch er ist demütig, uneigennützig und stellt das Wohl der Roma immer vor persönliche Bestmarken", sagte Roma-Trainer Rudi Garcia vor kurzem im Interview mit dem "kicker". Das war nicht immer so. Lange Zeit war Totti - trotz aller Liebe zum Verein - eine Diva. Einer, der immer seinen Kopf durchsetzen wollte und der deshalb vielleicht nicht immer sein volles Potential abrufen konnte.
Sein aktueller Trainer Rudi Garcia hat grossen Anteil daran, dass Totti mit seinen 38 Jahren fussballerisch einen zweiten Frühling erlebt. Totti mag nicht mehr der spritzigste sein, dennoch hat man ihn selten besser gesehen. Das liegt auch daran, dass ihm Garcia viele Freiheiten im Spiel lässt. Totti ist unter Garcia für den Gegner fast unberechenbar geworden. Und dazu muss der "Gladiator" nicht einmal einen Sprint anziehen.
Auch vom FC Bayern München gibt es übrigens Lob für Francesco Totti. Karl-Heinz Rummenigge schwärmt: "Der Bursche scheint gute Gene zu haben. Er ist topfit. Man kann ihm zu seinem Körper nur gratulieren." Und zu seiner langen, erfolgreichen Karriere beim AS Rom natürlich auch.
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