Franck Ribery stand sich in seiner Karriere oft selbst im Weg. Der Franzose hat aber gelernt, seine Impulsivität besser zu kanalisieren, wurde in München zu einem echten Anführer. Jetzt ist er der beste Fussballspieler Europas.

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Sehr wahrscheinlich liess Franck Ribery damals die Asche stauben, auf einem der Hartplätze im Problembezirk Chemin vert in Boulogne-sur-Mer, an diesem Tag vor 16 Jahren.

In dem kleinen Nest nahe dem Ärmelkanal an der nordfranzösischen Küste dürften sich nur die wenigsten für die Entscheidung des europäischen Fussballverbandes Uefa und der European Sports Media interessiert haben, einen Deutschen zum besten Fussballer des Kontinents zu wählen.

Franck Ribery war damals 13 Jahre alt, als in Matthias Sammer 1996 der bislang letzte Spieler aus der Bundesliga zu Europas Fussballer des Jahres gewählt wurde. Ein Alter, in dem man schon einiges erlebt hat und anfängt, seine eigenen Träume beherzt zu verfolgen.

Ein Kämpfer aus dem Banlieue

Riberys Traum war immer der, der Beste zu sein. Vielleicht hat das mit seinen Jahren im Nirgendwo zu tun, die für ein Kind generell nicht leicht, für Franck Ribery aber besonders schwer gewesen sein dürften.

Bei einem Autounfall zerschnitten ihm die Splitter der Windschutzscheibe das Gesicht, da war er gerade zwei Jahre alt. Narben, die bis heute sichtbar sind. Auf den Bolzplätzen der Stadt war er immer einer der Kleinsten, dazu gezeichnet von den Nachwehen seiner Verletzungen: Gegen die Grossen musste er sich stets erwehren, zur Not auch mal mit den Fäusten. Irgendwie war er immer impulsiv bis wütend, und diese Wut entlud sich dann meist auf dem Platz.

Ribery wuchs zusammen mit drei Geschwistern auf, sein Vater arbeitete beim Strassenbau, viel Geld hatte die Familie aus dem Häuserblock der Cité nicht. "Mein Vater musste sein ganzes Leben hart arbeiten. Aber auch wenn es manchmal schwierig war, hat uns nie etwas gefehlt, wir hatten immer genug zu essen", erinnert sich Ribery im "Kicker" an die Tage in den Banlieues von Boulogne-sur-Mer.

Erster Profivertrag erst mit 21 Jahren

Er zieht mit zwölf Jahren ins Internat des OSC Lille, muss da aber schon kurze Zeit später wieder seine Zelte abbrechen. Die angeblichen Gerüchte um disziplinarische Verfehlungen halten sich lange, in Wirklichkeit bescheinigen ihm die Klubärzte aber körperliche Defizite; angeblich halte sein Wachstum nicht mit den Belastungen des Fussballsports mit.

Sein Talent verschleudert er deshalb beinahe in unterklassigen Klubs. Zuerst in seiner Heimatstadt, dann bei Olympique Alès und zuletzt bei Stade Brest. Geld gibt es dort zwar zu verdienen, es reicht aber nicht, um sich selbst zu ernähren, geschwiege denn die klamme Familie daheim etwas zu unterstützen. Also macht Ribery einen harten Schnitt, sagt dem semiprofessionellen Fussball vorübergehend Adieu und versucht sich mit harter Hände Arbeit.

Er hilft für einige Monate bei seinem Vater auf dem Bau aus, um sich über Wasser zu halten. Erst der FC Metz wird auf das Talent aufmerksam, das sich unter dem Radar der als vorbildlich geltenden französischen Nachwuchsausbildung in den unteren Ligen verdingt hat. Mit 21 Jahren unterschreibt Ribery deshalb erst seinen ersten Profivertrag.

Neuer Transferrekord der Bayern

Fussballerisch ist er eine Bereicherung, ein Streit mit seinem Arbeitgeber über sein zukünftiges Gehalt sowie eine Schlägerei in einer Diskothek bedeuten dann aber das Ende in Metz. Er wechselt zu Galatasaray Istanbul, hat dort Erfolg. Aber auch hier kommt es schnell zum Zoff mit den Klub-Bossen. Ribery wechselt zurück nach Frankreich und macht sich bei Olympique Marseille nun auch in der breiteren Öffentlichkeit einen Namen.

Die Bayern greifen 2007 zu und holen Ribery als Nachfolger für Mehmet Scholl. Der Rekordmeister geht dabei auch ein gewisses Risiko ein, schliesslich gilt der Franzose nicht eben als pflegeleicht. Die Ablösesumme von 25 Millionen Euro bedeutet zudem einen neuen Rekord in der Bundesliga.

Seinem Ruf wird er auch in Deutschland gerecht: Ribery ist ein vorzüglicher Vorbereiter und Torschütze. In seiner ersten Saison wird er gleichzeitig Deutschlands und Frankreichs Fussballer des Jahres. "Bayern hat wieder einen König", lässt sein Sponsor die Fans wissen und unterstreicht die Kampagne mit turmhohen Werbebannern, auf denen Ribery in königlicher Robe und mit einem Ball am Fuss zu sehen ist.

Schwere Zeit unter van Gaal

In München entwickelt er sich als Fussballspieler und auch privat weiter - allerdings unterwandert er seine Karriere in regelmässigen Abständen auch gerne selbst. Das Champions-League-Finale verpasst er wegen einer Unbeherrschtheit im Halbfinale gegen Lyon, als er sich eine Rote Karte einhandelte.

Wochen später war er einer der Rädelsführer bei der Revolte der Equipe Tricolore gegen Nationaltrainer Raymond Domenech während der Weltmeisterschaft. Das blamable Aus der Franzosen in Südafrika wurde vor allem Ribery in die Schuhe geschoben. Privat stürzt der dreifache Familienvater über die Lolita-Affäre. Ribery hat einen Abend mit einer minderjährigen Prostituierten verbracht, die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen noch.

Die Bayern stellen sich immer wieder schützend vor ihren Star und helfen ihm auch durch die für Ribery schwere Zeit unter Trainer Louis van Gaal, zu dem er keine innige Verbindung aufbauen kann. Ribery steht kurz vor dem Absprung nach London oder Madrid, der Nomade will weiterziehen. Aber die Bayern haben noch einiges mit ihm vor. Belohnt werden die Münchner dann in der abgelaufenen Saison mit dem besten Ribery aller Zeiten.

Nur noch der Ballon d'Or fehlt

Mit 15 Assists war er der beste Vorlagengeber der Bundesliga, dazu kamen zehn Treffer in der Liga. In der Champions League brillierte er und war im Finale gegen Borussia Dortmund bei beiden Münchner Treffern der Initiator. Jetzt ist er der "Uefa Best Player in Europe", wie die Auszeichnung seit ein paar Jahren offiziell heisst.

Er hat dabei die beiden zuletzt besten Spieler des Planeten hinter sich gelassen. Lionel Messi hat in der vergangenen Saison in Spanien 46 Tore in der Liga erzielt. Cristiano Ronaldo traf in 34 Ligaspielen 34-mal, in zwölf Champions-League-Spielen zwölfmal und in sieben Pokalspielen siebenmal. Und trotzdem wurde Ribery als wertvoller eingestuft als die beiden Protagonisten aus Barcelona und Madrid.

"Das ist ein Titel, von dem ich seit Langem träume, an den ich oft gedacht habe", sagte Ribery noch vor einigen Tagen. "Wenn du nirgendwo herkommst so wie ich, aus einem schwierigen Viertel in Boulogne-sur-Mer, einer kleinen Stadt, die kaum einer kennt; wenn du als kleiner Junge auf Hartplätzen anfängst zu spielen, dich gegen die Grösseren immer wehren musst; wenn du dann so eine Karriere hinlegst, die sehr atypisch verlief und mit vielen Rückschlägen verbunden war - und wenn man jetzt zur Wahl des besten Fussballers Europas steht, dann ist das unglaublich."

Jetzt ist er sogar der Sieger dieser Wahl. Der erste internationale Titel für ihn als Individualist. Und es muss nicht sein letzter sein. Im Januar vergibt die Fifa den Ballon d’Or für den besten Spieler der Welt. "Und von diesem goldenen Ball träume ich schon seit Jahren", sagt Ribery.

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