- Dass viel in den Frauenfussball investiert wird, ist ein gutes Zeichen. Trotzdem muss die Grundsatzdebatte geführt werden, wohin sich der Sport entwickeln soll.
- Barcelona hat auf grosser Bühne gezeigt, was möglich ist. Werder Bremen zeigt auf kleiner Bühne, wie es auch in Deutschland langfristig gehen kann.
- Aktuell: Bayern geht im Topspiel unter und der VfL Wolfsburg träumt vom Triple.
Während sich die Bayern-Spielerinnen noch mit grossen Fragezeichen in den Augen entsetzt in die Augen blickten, jubelten die Wolfsburgerinnen über die wohl entschiedene Meisterschaft. Mit 6:0 schickten sie den amtierenden Meister nach Hause. Eine Machtdemonstration? Ganz so einfach ist es nicht.
Bei aller Überraschung, die nach diesem Spiel geäussert wurde: Es war eine Niederlage mit Ansage. Vermutlich sogar in dieser Höhe. Innerhalb von einer Woche wurden bei den Bayern damit drei Titelchancen zu nur noch einer. Die Länderspielunterbrechung dürfte ihnen gelegen kommen.
Dieser 19. Spieltag hat jedenfalls die Luft etwas rausgenommen aus dieser bisher so spannenden Bundesliga-Saison. Im Abstiegskampf konnte der SC Sand seine zuletzt aufsteigende Form nicht bestätigen und der Titel geht relativ sicher nach Wolfsburg. Immerhin: Das Duell um den dritten Champions-League-Platz verspricht Spannung bis zum Schluss.
Die Ergebnisse des 19. Spieltags im Überblick:
- Jena 0:4 Frankfurt
- Potsdam 2:0 Köln
- Sand 1:1 Essen
- Wolfsburg 6:0 Bayern
- Leverkusen 0:3 Hoffenheim
- Bremen 0:0 Freiburg
Die Themen der Woche sind der Abstiegskampf, eine besondere Atmosphäre beim Werder-Spiel und das Bayern-Debakel im Topspiel.
1. Topspiel-Desaster für den FC Bayern
Beim 6:0-Kantersieg der Frauen des VfL Wolfsburg gegen die amtierenden Meisterinnen aus München kamen die Bayern zu keinem Zeitpunkt zu ihrem Spiel, am Ende konnten sie beinahe nur noch dabei zusehen, wie sie überrollt wurden.
Doch allzu hoch hängen sollte man dieses Ergebnis auf beiden Seiten nicht. Wolfsburg hat seine aktuell herausragende Form bestätigt, mit der sie auch schon den FC Arsenal im Viertelfinale der Champions League schlugen. Sie sind variabel, können mit dem und gegen den Ball sehr dominant auftreten. Zugleich mussten sie gegen arg gebeutelte Bayern nicht mal an ihre Leistungsgrenze gehen.
Die Münchnerinnen hat eine Coronawelle zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt erwischt. Trotzdem wären sie im Rückspiel gegen Paris Saint-Germain beinahe weitergekommen. Mit einer starken Leistung drehten sie den 1:2-Rückstand aus dem Hinspiel und retteten sich in die Verlängerung – wo ihnen die Kraft ausging.
Titelchancen für Bayern schwinden – bei Wolfsburg bahnt sich Grosses an
Ein solch intensives Spiel war mit dem aktuellen Kader nicht wegzustecken. Insofern war es absehbar, dass es gegen Wolfsburg nicht reichen würde. Und dennoch tat die Deutlichkeit der Niederlage dem FC Bayern spürbar weh. In nur einer Woche sind zwei von drei Titelchancen kaputt. Für die letzte Chance müssen sie abermals den VfL Wolfsburg schlagen. Nach der Länderspielunterbrechung werden die Bayern im DFB-Pokal-Halbfinale erneut auf den VfL treffen – dann daheim.
Bleibt im Sinne eines grossartigen Fussballspiels zu hoffen, dass der Kader der Bayern dann wieder breiter aufgestellt und die Spielerinnen auf dem Platz fitter sind. Wolfsburg dürfte wiederum etwas unzufrieden damit sein, dass ihr Flow ausgerechnet jetzt unterbrochen wird. Es scheint, als hätten sie ihre Bestform zum richtigen Zeitpunkt erreicht. Und so lebt auch der grosse Traum vom Triple weiter.
Spielerin der Woche: Dominique Janssen
Es gab wieder Doppelpacks und Hattricks in dieser Fussballwoche, aber oft kommen jene Spielerinnen zu kurz, die ganz andere, genauso wichtige Aufgaben auf dem Platz haben. Dominique Janssen ist als Kapitänin in der Innenverteidigung eine Ankerspielerin für den VfL Wolfsburg und ein absoluter Schlüssel zum Erfolg. Gegen den Ball ist sie auch gegen Topteams sehr stabil, mit dem Ball findet sie unter grösstem Druck die richtigen Lösungen. In ihrer aktuellen Verfassung ist sie eine der besten Innenverteidigerinnen der Welt.
Zitat der Woche
"Das ist sehr, sehr bemerkenswert, was die Trainer mit der Mannschaft zusammen hier auf den Platz bringen und von daher ist vieles möglich und ich hoffe auch auf das ganz, ganz Grosse." – Alexandra Popp bei "MagentaSport" über die Triple-Chancen des VfL Wolfsburg.
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2. Ultra-Stimmung in Bremen
1.285 – das ist die Zahl des Wochenendes. Denn so viele Menschen besuchten das Bundesliga-Spiel zwischen dem SV Werder Bremen und dem SC Freiburg. "Das ist aber nicht so viel", denken wahrscheinlich jene, die nicht so oft Frauenfussball schauen. Tatsächlich haben die Bremerinnen damit aber alle ihre bisherigen Saisonwerte pulverisiert. Der Rekord lag zuvor bei rund 500 Zuschauerinnen und Zuschauern.
Selbstverständlich kein Vergleich zum schwindelerregenden Champions-League-Rekord vergangene Woche, als der FC Barcelona 91.553 Menschen beim Viertelfinal-Rückspiel gegen Real Madrid zählte – übrigens kein Weltrekord, wie fälschlicherweise oft berichtet wird. Dieser datiert aus dem Jahr 1971, als Dänemark im WM-Finale in Mexiko vor mindestens 110.000 Zuschauerinnen und Zuschauern die Gastgeberinnen schlug.
Doch zurück zu den mehr als tausend Menschen in Bremen. Kluge Anstosszeiten und gutes Marketing haben das alles ermöglicht. Das Heimspiel der Männer gegen den SV Sandhausen fand um 13:30 Uhr statt, die Frauen spielten anschliessend um 18:00 Uhr. Fans, die ein Ticket für das Männerspiel hatten, konnten jenes der Frauen vergünstigt besuchen. Der Klub bemühte sich zudem sehr um Sichtbarkeit und entsprechende Werbung rund um diesen Doppelspieltag.
Auch die organisierte Fanszene bekam davon Wind und warb intern zusätzlich für das Abendspiel. Das Resultat war eine insgesamt tolle Atmosphäre. 1.285 sind vielleicht nicht viele Menschen. Aber es ist mehr als eine Verdopplung des Normalzustandes. Mit noch gezielterem Marketing wäre vielleicht noch mehr möglich. Ein kleiner Schritt für den Frauenfussball, ein grosser für Werder Bremen. Ebenso wie das starke 0:0 gegen favorisierte und formstarke Freiburgerinnen.
3. Essen, Sand, Jena – Opfer der Professionalisierung
Die aktuelle Bundesliga-Tabelle ist vielsagend. Was haben die derzeit besten neun Klubs gemeinsam? Sie alle haben eine mehr oder weniger finanzstarke Männerabteilung hinter sich. Turbine Potsdam bildet hier eine kleine Ausnahme, weil sie nicht unter dem Dach eines aus den Männer-Bundesligen bekannten Klubs sind. Allerdings kooperieren sie mit Hertha BSC.
Auf Platz 10 folgt die SGS Essen, dann der SC Sand und abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz steht Carl Zeiss Jena. Sie alle sind mehr oder weniger Opfer der zunehmenden Professionalisierung in der Bundesliga. Denn die kostet Geld. Geld, das eben nur die finanzstarken Klubs haben. Wolfsburg, Bayern, Hoffenheim, Frankfurt, Freiburg – sie alle haben neben dem notwendigen Geld auch schon eine Infrastruktur, die es den jeweiligen Frauenabteilungen einfacher macht.
Eine solche gibt es in Essen, Sand oder Jena nur bedingt. Sand versucht sich beispielsweise eine Flutlichtanlage durch T-Shirt-Verkäufe zu finanzieren. Deshalb werden solche Klubs über kurz oder lang wohl aus der höchsten Spielklasse verschwinden – wenn der DFB kein ernsthaftes Interesse daran hat, ihnen unter die Arme zu greifen und quasi das zu bieten, was woanders von den Männerabteilungen geboten wird.
Den Männerfussball zu imitieren, ist keine nachhaltige Lösung
Sportlich und finanziell ist der Unterschied zur Spitze jetzt schon riesig. Mit RB Leipzig ist der nächste Klub auf dem Vormarsch, der aus der Männer-Bundesliga bekannt ist. Aktuell stehen die Leipzigerinnen in der 2. Bundesliga auf dem dritten Platz – mit vier Punkten und einem Spiel Rückstand auf den zweiten Platz. Borussia Dortmund, Schalke 04, jetzt auch der 1. FSV Mainz 05 – das sind nur weitere Beispiele für Klubs, die in den kommenden Jahren nach und nach aufsteigen werden.
Ein Verdrängungsprozess, der einerseits notwendig sein wird. Denn wie sonst soll der Frauenfussball professionalisiert und weiterentwickelt werden? Alle Argumente führen zum Geld. Dort gibt es eben die Möglichkeiten, die Essen oder Sand nicht haben. Und doch wird es Zeit für eine Grundsatzdebatte: Will man die Verdrängung durch mehr Geld in Kauf nehmen? Und welche Rolle kann der Verband da einnehmen, um gegenzusteuern? Die Suche nach Lösungen muss früh genug beginnen.
Denn letztendlich hängt noch deutlich mehr damit zusammen. Aktuell ist es noch so, dass vergleichsweise kleine Investitionen reichen, um einen Klub mittelfristig konkurrenzfähig zu machen. Aber gibt es Grenzen? Wird sich die Struktur irgendwann ähnlich entwickeln wie bei den Männern? Den Männerfussball einfach zu imitieren und strukturell nachzubauen, wird wohl eher nicht funktionieren.
Die Nachteile werden in den teils langweiligen nationalen Wettbewerben des Männerfussballs überdeutlich. Der Frauenfussball hat die grosse Chance, sich alternative Wege zu überlegen und sich genau in den Nischen zu entwickeln, die der Männerbereich nicht (mehr) abdecken kann. Womöglich auch, um sich bei aller Kooperation als echte Alternative zu den Männern zu etablieren. Eine Kopie des Männerfussballs wird jedenfalls kaum Chancen auf Nachhaltigkeit haben.
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So geht es jetzt weiter
Die Klubwettbewerbe pausieren jetzt bis Ostern, viele Nationen sind in den kommenden Tagen in der WM-Qualifikation gefordert. Bisher konnte die deutsche Nationalelf alle sechs Partien für sich entscheiden. Folgende Partien stehen jetzt an:
- Deutschland – Portugal (Samstag, 9.4., 16:10 Uhr, ARD)
- Serbien – Deutschland (Dienstag, 12.4., 16:00 Uhr, ZDF)
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