- In der Frauenfussball-Liga der USA sorgen Vorwürfe gegen mehrere Trainer für Aufsehen. Sie sollen die Spielerinnen ihrer Teams beschimpft, sexuell belästigt und rassistisch beleidigt haben.
- Die Liga-Chefin ist zurückgetreten, der amerikanische Fussballverband kündigte Untersuchungen an.
- Wir fassen den Skandal zusammen und erklären, wie es weitergeht.
In der sechsten Spielminute unterbrachen sie das Spiel, stellten sich am Mittelkreis, untergehakt, in einer Reihe auf und schwiegen für eine Minute. Die Spielerinnen der beiden Partien zwischen Washington Spirit und dem FC Gotham sowie North Carolina Courage und Racing Louisville wollten auf die sechs Jahre aufmerksam machen, die vergangen waren, bis die Vorwürfe gegen Trainer Paul Riley endlich ernstgenommen wurden.
In einem Statement erklärte die Spielerinnenvereinigung National Women's Soccer League Players Association (NWSLPA) dazu: "Heute haben wir uns unseren Platz auf dem Feld zurückgeholt, denn wir lassen uns die Freude nicht nehmen. Aber das ist keine Rückkehr zur Normalität."
Missbrauchsskandal in den USA: Gegen wen werden Vorwürfe erhoben?
Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht Paul Riley, der North Carolina Courage von 2017 bis September 2021 trainiert hatte. Zuvor war er Trainer verschiedener anderer Mannschaften in der NWSL gewesen. Ihm wird vorgeworfen, Spielerinnen sexuell genötigt zu haben.
Sinead Farrelly und Mana Shim spielten von 2014 bis 2015 unter Riley, im Magazin "The Athletic" (Bezahlinhalt) packten sie über ihren früheren Coach aus. Sie erzählten, dass sie sich mehrfach zum Sex mit ihrem Trainer gedrängt und sich abhängig von ihm fühlten.
North Carolina Courage hat Riley mittlerweile freigestellt. Der 64-Jährige bestreitet die Vorwürfe, er habe keinen Sex mit den Spielerinnen gehabt "oder ihnen sexuelle Avancen gemacht", sagte er gegenüber "The Athletic". Die Liga hat ihren Spielbetrieb am ersten Oktober-Wochenende unterbrochen.
Riley ist nicht der einzige: Wer ist noch in den Skandal involviert?
Der Skandal um Riley ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Zuvor mussten bereits drei andere Trainer in der NWSL gehen.
- Richie Burke wurde bei Washington Spirit entlassen. Er soll Spielerinnen seiner Teams jahrelang beschimpft und bedroht haben, wie die "Washington Post" berichtete.
- Auch der Trainer von Racing Louisville, Christy Holly, wurde entlassen. "Aus Gründen", wie es auf der Homepage des Klubs heisst. Genaue Umstände waren zunächst nicht bekannt. "The Equalizer" und andere Medien berichteten später von einem "toxischen Umfeld".
- Der Coach von OL Reign, Farid Benstiti, trat im Juli zurück – wegen beleidigender Äusserungen zur Fitness und Ernährung mancher Spielerinnen.
Neben der vier Trainer musste auch die Geschäftsführerin von Gotham FC, Alyse LaHue, gehen. Sie habe gegen die Anti-Belästigungs-Richtlinien verstossen.
NWSL-Liga-Chefin Lisa Baird soll zumindest von den Vorwürfen gegen Riley bereits ein halbes Jahr gewusst haben, berichten verschiedene US-Medien.
Wie reagierte die Liga auf die Vorwürfe - und wie geht es nun weiter?
Der US-amerikanische Fussballverband hat Riley die Trainerlizenz entzogen. In einer Mitteilung des Verbands heisst es, sein Verhalten sei "abstossend, inakzeptabel und hat keinen Platz im Fussball oder in der Gesellschaft". Burke darf in der NWSL nicht mehr trainieren.
Liga-Chefin Baird ist bereits wenige Tage, nachdem die Vorwürfe gegen Riley bekannt geworden waren, zurückgetreten. "Der Schmerz, den so viele fühlen, tut mir leid", sagte sie und nahm die Verantwortung auf sich.
Der nationale Fussballverband US Soccer und die FIFA kündigten Untersuchungen an. Wie erfolgreich diese sind und ob weitere Personen für den Skandal verantwortlich gemacht werden können, ist nicht klar.
Die NWSLPA forderte unterdessen ein Ende des Systems, in dem Männer sich gegenseitig schützen und Macht gegenüber Frauen ausüben. Und ausüben können: Viele Spielerinnen seien auf ihr monatliches Gehalt angewiesen und hätten Angst um ihren Job, wenn sie etwas sagen.
In allen vier Fällen sollen die Vorwürfe schon länger bekannt gewesen sein. Und die Verantwortlichen haben, wie unter anderem die "Washington Post", "The Athletic" und ESPN berichten, nichts dagegen unternommen.
Morgan, Rapinoe: Was sagen die Spielerinnen der NWSL?
US-Nationalspielerin Alex Morgan spielte mit Farrelly und Shim, den beiden Spielerinnen, die die Vorwürfe gegen Riley erheben, zusammen. Sie kritisiert die Liga scharf. Gegenüber NBC sagte sie, sie wolle "ihre Stimmen verstärken und einfach dieses systemische Versagen der Liga aufzeigen - und wie falsch sie mit Manas Fall und Beschwerde und der anschliessenden Untersuchung umgegangen sind". Die Liga würde den Spielerinnen weder Hilfe noch ein Angebot einer anonymen Beschwerde anbieten.
Drastischer als Morgan drückte sich Fussball-Superstar
Unterstützung erfuhren die Fussballerinnen auch von Tennis-Ikone Billie Jean King. Sie sagte, nun müssten die Spielerinnen geschützt werden. Es dürfe null Toleranz geben.
Angetrieben von Farrelly und Shim haben auch Fussballerinnen aus anderen Ländern der Welt, zum Beispiel aus Venezuela und Australien, ausgepackt und erzählt, sie seien sexuell belästigt und schikaniert worden.
Es scheint, als habe die Diskussion um Missstände im Frauenfussball erst begonnen. Wie ernsthaft der Wandel erfolgt, ist offen.
Verwendete Quellen:
- theathletic.com: "This guy has a pattern"
- Washington Post: NWSL Players speak out amid abuse claims: “Burn it all down”
- The Equalizer: Racing Louisville fires Christy Holly for cause
- Sportschau.de: Missbrauch im Frauenfussball: „Entschlossen, unser Schweigen zu brechen“
- ESPN: NWSL: Paul Riley Scandal points to a bigger problem in which the league repeatedly fails its players
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