Es gibt etwas, dass meine ehemalige Schulsportlehrerin und die Trainerin des FC Chelsea verbindet: Das Wissen, dass Menstruierende in ihrer Periode leistungsstärker sind. Meine Sportlehrerin nutzte diese Aussage, wenn eine Schülerin wegen ihrer Periode nicht am Schulunterricht teilnehmen wollte. Emma Hayes benutzt das Wissen, um ihre Spielerinnen fitter zu machen.

Tamara Keller
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht der Autorin dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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Genau ein Jahr ist es her, dass die britische Zeitung "The Telegraph" titelte: "Exklusiv: Chelsea wird der erste Verein, der sein Training an den Menstruationszyklus anpasst." Der Zyklus der Spielerinnen wird mit einer App getrackt. Bestimmte Infos und Symptome werden darin festgehalten. "Man kann sagen, dass ich in einer Industrie Trainerin bin, in der Frauen immer wie kleine Männer behandelt worden sind", sagte Hayes dem Telegraph.

Erstaunlich, denn die Periode kann wissenschaftlich nachgewiesen Einfluss auf Muskelauf- und abbau, Gewichtsveränderungen, Wassereinlagerungen und Entzündungswerte haben. "Alles, was wir im Trainingsalltag machen – Kraft, Kondition, Reha, Taktik – stammt aus dem Männerfussball. Wir sollten mehr darüber erfahren, wie wir unsere Performances verbessern können, da wir Frauen monatlich etwas ganz anderes durchmachen", sagte Hayes. Hat sich seit dieser Nachricht etwas im Sport beim Thema Menstruation getan?

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Zuerst gilt es festzustellen: Das Thema Menstruation und Leistungssport ist in der öffentlichen Wahrnehmung nach wie vor im Hintergrund - auch wenn die Nachricht um Chelsea mehr Berichterstattung nach sich zog. Die Zeit titelte erst im November: "Das letzte Sporttabu" - was problematisch ist. Häufig wird es so dargestellt, als sei es ein Tabu, dass Sportlerinnen über die eigene Menstruation im Zusammenhang mit Leistung sprechen.

Realitätsnäher ist: Der Grund ist das gesamtgesellschaftliche Tabu um das Thema Periode. Sport ist eben ein Spiegel der Gesellschaft. Wer einen Beweis dafür braucht, der sollte sich mal sämtliche Werbung zu Menstruationsprodukten anschauen und sich dabei fragen: "Ist dort Blut zu sehen?"

Ein Gegenbeispiel im Sport ist die Schwimmerin Fu Yuanhui, die 2016 bei den olympischen Spielen in einem Liveinterview ihre Periode und die damit einhergehende Müdigkeit als Grund dafür angab, nicht ihre Bestleistung erbracht zu haben. Sie betonte allerdings, dass es keine Entschuldigung sei: "Ich bin trotzdem nicht gut genug geschwommen". In den Medien und in den sozialen Netzwerken wurde sie danach für ihre Aussagen gefeiert. 1989 waren die Reaktionen noch anders ausgefallen. Nachdem Steffi Graf überraschend das Finale der French Open verloren hatte, titelte Deutschlands grösste Boulevardzeitung: "Steffis Geständnis: Ich hatte meine Tage." Die Folge: ein Aufschrei.

Bessere Leistung während dem Zyklus: Nicht nachweisbar?

Zurück zum Beispiel Fussball: In Deutschland äusserte sich zuletzt die Nationalspielerin Pauline Bremer, als sie von der Deutschen Presse-Agentur kurz vor ihrem Wechsel von Manchester City zum VfL Wolfsburg dazu befragt wurde: "Jede Leistungssportlerin kann bestätigen, dass die Leistung tagesabhängig schwankt", so Bremer. Seit die Nachricht rund um das Chelsea-Team weite Kreise gezogen hat, ist trotzdem weiterhin nicht bekannt, ob deutsche Vereine den Zyklus mit ins Training einbeziehen - zumindest nicht öffentlich.

Allerdings veröffentlichten Forscher*innen der Universitäten in Saarbrücken und Münster im Sommer 2020 zwei neue Studien. Das Ergebnis der einen Studie weist darauf hin, dass die Menstruation die wettkampforientierte körperliche Leistung - also am Spieltag selbst - nicht "signifikant beeinflusst". Die Forscher*innen beobachteten dazu die Leistung von 15 Spielerinnen über vier Monate hinweg in 76 Einzelspielen.

Eine weitere Studie der gleichen Forschungsgruppe kommt zu dem Schluss, dass es nur eine begrenzte Anzahl an Studien gibt, die eindrücklich die physiologischen Auswirkungen der Menstruation auf die tatsächliche Leistung bestätigen. Sie stellen einen Mangel an Studien und Massnahmen zur optimalen Überwachung dieses Phänomens fest. Die Periode und ihre Auswirkungen ist also nach wie vor ein Geheimnis?

Von Frau zu Frau unterschiedlich - doch Expertin Julia Eyre setzt auf ihre Periode

Dass der Umgang mit den Zyklusdaten schwierig ist, weiss auch Julia Eyre, Ex-Fussballspielerin, Fitnesscoach, Neuro- und Sportwissenschaftlerin. Als Grund nennt sie, wie auch die Studie aus Saarbrücken und Münster, dass der Zyklus bei jeder Menstruierenden anders sein kann und zusätzlich auch die Hormonzusammensetzung immer unterschiedlich ist. Eyre kennt das Zyklus-Tracking aus den USA. Dort benutzt das Nationalteam bereits seit 2015 die Zyklusdaten, um das Training anzupassen. Sie sind also eigentlich die wahren Pionierinnen vor dem FC Chelsea.

Sowohl 2015 als auch 2019 holte das Team den WM-Titel. Laut Eyre wurden bereits seit 2010 bei den Sportlerinnen verschiedenste Dinge via Fragebögen abgefragt - um gewisse Trainings- oder Ernährungsschritte an die Spielerinnen anzupassen. "Seit 2015 ist einfach noch die Periode dabei", sagte sie im FRÜF-Podcast.

Gerade in der ersten Phase, wenn die Periode beginnt und danach seien menstruierende Personen besonders leistungsfähig. Während und nach des Eisprungs hingegen seien die Spielerinnen besonders verletzungsgefährdet und müde. "In allen Phasen kann je nach Bedarf der Spielerinnen mit mehr Schlaf und einer angepassten Ernährung versucht werden, zu intervenieren", so Eyre.

Eine moderne und vor allem gesunde Herangehensweise: Denn laut Eyre wurde in den 80er- und 90er-Jahren häufig zu der Methode gegriffen die Periode mit Hilfe der Pille zu verschieben. "Die Sportlerinnen hatten dann nach ihrer Karriere oft Fruchtbarkeitsprobleme." Dass bei Leistungssportlerinnen die Periode auch des Öfteren aussetzen kann, ist bis heute kein seltenes Phänomen und kann ein Zeichen von Stress, Leistungsdruck und Gewichtsverlust sein.

Pauline Bremer wird übrigens den Rest der Saison nicht mehr spielen. Sie verletzte sich im Oktober bei einem Bundesligaspiel. Die Diagnose: Kreuzbandriss und Innenbandriss im rechten Knie. Einer der Faktoren, warum Frauen für Knieverletzungen anfälliger sind, sind die Hormone., berichtet die "Badische Zeitung".

Fest steht: Fussballvereine können die Periode ihrer Spielerinnen nicht länger ignorieren. Auch wenn bis dato keine Steigerung der Leistung wissenschaftlich nachgewiesen ist, sollte es jeder Club zumindest der Gesundheit seiner Spielerinnen zuliebe tun und ins Training miteinbeziehen, um das Verletzungsrisiko zu vermindern.

Verwendete Quellen:

  • The Telegraph: Exklusiv: "Chelsea wird der erste Verein, der sein Training an den Menstruationszyklus anpasst"
  • Taylor & Francis Online: "Menstrual cycle phase and elite female soccer match-play: influence on various physical performance outputs"
  • Science & Medicine in Football: "Periodisation: tailoring training based on the menstrual cycle may work in theory but can they be used in practice?"
  • FRÜF-Podcast: Sportverletzungen und Gender
  • Badische Zeitung: Darum haben Frauen häufiger einen Kreuzbandriss als Männer
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