Wie passt das denn zusammen? Seit dieser Saison gilt europaweit das Uefa-Financial-Fairplay. Gleichzeitig verpflichtet Real Madrid, das angeblich mit über 590 Millionen Euro in der Kreide steht, Gareth Bale von den Tottenham Hotspurs für die neue Rekordsumme von rund 100 Millionen Euro. Da drängt sich die Frage auf: Wie können sich die "Königlichen" den Transfer überhaupt leisten?
"Die Fussball-Welt spielt verrückt", urteilte Arsenal-Trainer Arsene Wenger bereits vor Wochen auf den Rekordtransfer von Gareth Bale zu Real Madrid angesprochen. "Es würde das Financial Fair Play wie einen Witz erscheinen lassen", ärgert sich der Coach.
Jahrelang hatte sich die Uefa mit den europäischen Spitzenvereinen um die Regelungen und die Einführung des Financial Fairplay gestritten. Ursprünglich sollten die neuen Regeln, die die Transferausgaben im Verhältnis zu den Klubeinnahmen regulieren, bereits ab der Saison 2013/14 gelten. Doch dann wurde eine grosszügige Übergangsfrist gewährt.
In den Spielzeiten 2013/14 und 2014/15 dürfen Klubs noch ein Minus von insgesamt 45 Millionen Euro ausweisen, in den drei darauffolgenden Saisons sind es noch 30 Millionen Euro. Ab der Saison 2019/20 greift dann die eigentliche Fairplay-Regel: Ab dann dürfen Vereine über zwei Jahre hinweg nur noch ein Minus von fünf Millionen Euro ausweisen. Die grosszügigere Auslegung in dieser Saison führt dazu, dass nicht nur Real in diesem Jahr noch einmal kräftig zuschlagen kann.
Geld ausgeben, um Geld zu verdienen
Das nötige Geld ist anscheinend vorhanden: In der letzten bereits bilanzierten Saison 2011/12 hat Real Madrid als erster Fussballverein die Grenze von 500 Millionen Euro Umsatz durchbrochen. Laut der Unternehmensberatung Deloitte waren es 512,6 Millionen Euro. Auf Platz zwei landete der FC Barcelona mit 483 Millionen Euro. Mit Abstand folgen Manchester United (395,9 Mio.) und der FC Bayern München (368,4 Mio.).
Das Umsatz-Geheimnis der beiden spanischen Topklubs ist einerseits das Resultat aus der dezentralen Vermarktung der TV-Rechte - die Klubs vermarkten die Übertragungsrechte an ihren Spielen, anders als es in Deutschland oder England der Fall ist, selbst. In der Saison 2011/12 erhielten Real und Barca dadurch jeweils rund 183 Millionen Euro und damit mehr als die Hälfte der gesamten TV-Übertragungsgelder (rund 500 Mio. Euro).
Jeweils etwa ein weiteres Drittel der Real-Einnahmen kommen durch Ticketverkäufe für das 85.000 Zuschauer fassende Bernabeu-Stadion, Mitgliedsbeiträge sowie über Sponsorengelder und Merchandising zusammen. Das Real-Rezept lautet: Wer ein Team hat, das für Zuschauer wie Sponsoren attraktiv ist, nimmt auch mehr ein. Anders gesagt: Neue Stars spülen mittelfristig mehr Geld in die Kasse.
Tafelsilber für Star-Transfers
Dieses Konzept entwickelte der im Jahr 2000 zum Präsidenten gewählte Florentino Perez. "Jedes Jahr einen Star" war sein Wahlspruch - und er hatte Erfolg. Er holte Zinedine Zidan, Luis Figo, David Beckham und
Dabei waren die wirtschaftlichen Bedingungen keineswegs rosig: Real drückten Schulden in Höhe von rund 270 Millionen Euro. Bevor durch neue Stars mehr Geld in die Kassen gespült werden konnte, musste erst eine Geldquelle für deren Verpflichtung erschlossen werden.
Die fand Perez im riesigen Real-Trainingsgelände in der Madrider Innenstadt, das er für 487 Millionen Euro verkauft hat. Während seiner ersten Amtszeit - im Jahr 2006 trat Perez wegen der schlechten sportlichen Entwicklung überraschend zurück - konnte er Real trotz oder gerade wegen der Stareinkäufe wirtschaftlich weitgehend sanieren.
Trotz Bale: Ist das Real-Konzept immer noch tragfähig?
Seit 2009 steht Perez wieder an der Real-Spitze. Und auch diesmal wurde wieder im grossen Stil eingekauft: Innerhalb weniger Wochen holte er Topspieler wie Cristiano Ronaldo, Kaka, Karim Benzema oder Xabi Alonso in die spanische Hauptstadt. Unter Jose Mourinho kamen erst einmal keine neuen Stars. Doch mit dem Bale-Transfer und der schon seit Wochen diskutierten Vertragsverlängerung mit Cristiano Ronaldo - der Portugiese soll nun 17 Millionen Euro netto pro Jahr kassieren - mutiert Madrid einmal mehr zum Transfer-Krösus im europäischen Fussball.
Doch ist das Konzept "Viel ausgeben, um viel zu verdienen" auch in Zeiten des Uefa-Financial-Fairplay noch tragfähig? Und woher nimmt der erneut mit angeblich 590 Millionen Euro in der Kreide stehende Klub das nötige Geld?
Real hat in der Saison 2011/12 einen Vorsteuergewinn von 35 Millionen Euro erwirtschaftet, netto lag er immer noch bei 24,2 Millionen Euro. Das heisst, dass die Financial-Fairplay-Bedingungen erfüllt worden wären - wenn sie denn schon gegolten hätten. Die besagen, dass in den Fussball investiert werden darf, was durch Fussball erwirtschaftet wurde, beispielsweise durch Einnahmen aus Tickets, Sponsoring, Merchandising und Transfergewinnen.
Ablösesummen werden in Raten abbezahlt
Auch in den kommenden Jahren dürften gerade in diesem Bereich die Einnahmen von Madrid nur so sprudeln. So hat Real erst im Mai in der Fluggesellschaft Emirates einen neuen Trikotsponsor an Land gezogen, der dem Klub über fünf Jahre insgesamt 125 Millionen Euro zahlt. Das sind 30 Prozent mehr als beim vorherigen Trikotsponsor.
Zudem hat Madrid einen der wertvollsten Kader der Welt, laut "Transfermarkt.de" ist er aktuell über 500 Millionen Euro wert - und aus diesem Kader könnte der eine oder andere Spieler sozusagen als Anzahlung für
Und auch die Ausgaben werden niedrig gehalten. So ist Madrid dafür bekannt, Ablösesummen in Raten zu zahlen, wie zuletzt bei Luca Modric geschehen, analysiert "Focus Online". Der Kroate wechselte 2012 von Tottenham nach Madrid. Noch immer stottern die "Königlichen" die Ablösesumme in Höhe von 35 Millionen Euro ab, berichten spanische Medien. Die Laufzeit orientiert sich dabei zumeist an der Vertragslaufzeit des Spielers. Bale hat nun für sechs Jahre in Madrid unterschrieben, damit wären jährlich gut 16,6 Millionen Euro fällig, die dann in die Bilanz als Minus einfliessen.
Wie hoch sind die Real-Schulden tatsächlich?
Zuletzt hiess es in verschiedenen Medien, dass sich Tottenham-Boss Daniel Levy diesmal nicht auf eine Ratenzahlung einlassen werde - ein Grund, warum sich das Transfertheater um Bale so lange hingezogen hat. Um dennoch die Bilanz nicht übermässig zu belasten, dürfte Real in diesem Fall ein Darlehen bei einer Bank aufnehmen. So geschah es bereits beim bisherigen Rekordtransfer von Cristiano Ronaldo im Jahr 2009 für 96 Millionen Euro. Geldgeber damals war unter anderem die Sparkasse Cajamadrid, die im Zuge der spanischen Immobilien- und Bankenkrise später mit einem zweistelligen Milliardenbetrag gerettet werden musste und in dem Geldhaus Bankia aufging.
Auch wenn Real nun erneut Geld aufnehmen muss, im Tagesgeschäft wird der Verein kaum davon belastet. Auch die immer wieder erwähnten Schulden in Höhe von 590 Millionen Euro erdrücken die Madrider nicht. Denn darin sind sämtliche Zahlungsverpflichtungen der kommenden Jahre inbegriffen, obwohl Madrid jährlich eine Bilanz erstellt.
Laut International Financial Reporting Standards kommt bei Real tatsächlich ein Schuldenberg in Höhe von etwa 146 Millionen Euro zusammen - bei dem Mega-Umsatz von über 500 Millionen Euro wirtschaftlich kaum ein Problem. "Focus Online" berichtet ausserdem von einem Eigenkapital in Höhe von rund 275 Millionen Euro. Zum Vergleich: Der FC Bayern soll rund 250 Millionen Euro zur Verfügung haben.
EU-Verfahren gegen Real Madrid?
Real hat aber nicht nur eine Menge Kapital auf der Bank, sondern auch einen grossen finanziellen Unterstützer: die Stadt Madrid. Zwar fliessen keine direkten Zahlungen, was einer verbotenen finanziellen Unterstützung gleichkäme. Dafür haben Verein und Stadt in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche und ebenso undurchsichtige Immobiliengeschäfte miteinander gemacht.
Das letzte und für Real besonders lukrative Geschäft liegt knapp zwei Jahre zurück. Für Brachland am Stadtrand erhielt der Verein die Nutzungsrechte an einem Grundstück direkt neben dem Bernabeu-Stadion. Dort sollen nun ein Einkaufszentrum und ein Luxushotel entstehen.
Real Madrid könnte nach diesem Handel leichter Kredite aufnehmen und auf dem Transfermarkt stärker auftreten, mutmasste in diesem Frühjahr "The Independent" und berichtete, dass EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia prüft, ob es sich bei dem Handel nicht doch um eine versteckte finanzielle Beihilfe für den Klub handelt.
Sollten die EU-Wettbewerbshüter zu diesem Schluss kommen, müsste Real mit einer empfindlichen Geldbusse rechnen. Doch bis es so weit kommt, hat Bale bestimmt schon wieder Teile seiner Rekordablöse durch gestiegene Merchandising- und Sponsorenerlöse eingespielt.
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