Der "Gaucho-Tanz" der deutschen Nationalmannschaft sorgt immer noch für grossen Wirbel. Einige Medien stilisieren den Jubel auf der Fanmeile in Berlin zu einem Skandal hoch. Zugegeben: Die Aktion der DFB-Spieler war vielleicht nicht besonders reflektiert, doch andere Nationen treiben es beim Jubeln oft viel bunter.

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Die hitzige Debatte um den "Gaucho-Tanz" der deutschen Nationalmannschaft ebbt nicht ab. Darf sich ein Weltmeister so benehmen? Verhöhnt er damit den unterlegenen Gegner in arroganter Weise oder haben es die Spieler verdient ihren Titel in dieser Form zu feiern?

Einige deutsche und vereinzelte argentinische Medien kritisieren das Verhalten der Deutschen heftig. Ein Sportjournalist bezeichnete die DFB-Spieler kürzlich gar als "ekelhafte Nazis". Fakt ist: Mit etwas mehr Besonnenheit hätten die frisch gekürten Weltmeister einen medialen Aufschrei verhindern können. Andererseits ist es nur allzu menschlich, wenn junge Spieler nach dem Gewinn des grössten Fussballtitels der Welt ausgelassen feiern wollen und sich dabei keine Gedanken um mögliche Interpretationen machen.

Sieht man sich das Jubelgebaren anderer Nationen an, wirkt das deutsche "Gaucho-Gate" geradezu lächerlich harmlos.

Argentinien feiert Neymars Wirbelsäulen-Verletzung

Die Argentinier, die Betroffenen der deutschen Jubelgeste, nehmen es oft selbst nicht ganz so genau mit politisch korrektem Jubel. Vor allem in ihrer Rivalität zu Brasilien schiessen sie oft über das Ziel hinaus. Aktuellstes Beispiel: Während der WM tauchte ein Internetvideo auf, das feiernde Argentinier bei einer Public-Viewing-Veranstaltung zeigt. Doch die Fans jubeln nicht etwa ihrem eigenen Team zu, sondern halten das Modell einer Wirbelsäule in die Luft und singen dazu "Ole, ole, ola, wir haben hier die Wirbelsäule von Neymar." Eine üble Anspielung auf den gebrochenen Lendenwirbel des Superstars der "Selecao". Mehr Häme geht kaum.

Auch die argentinische Mannschaft beteiligt sich munter an der Verschmähung des Erzfeindes. So übernahm die "Albiceleste" bei der WM einen populären höhnischen Fangesang und schmetterte diesen nach Siegen auf dem Platz oder in der Kabine. Frei übersetzt bedeutet der Gesang:

Brasilien, sag mir, wie es sich anfühlt,
dass Papa in deinem Haus ist.
Ich schwöre, dass selbst nach all den Jahren
wir niemals vergessen,
wie Diego dich umdribbelte
und Cani(ggia) es euch besorgte.
Ihr weint seit Italien bis heute.
Ihr werdet Messi sehen,
wie er uns den Pokal zurückbringt
Maradona ist grösser als Pele!

Homophobe Ausfälle der Mexikaner

Ein weiteres Beispiel sind die homophoben Sprechchöre der lateinamerikanischen Fans. Vor allem die Mexikaner bezeichnen gegnerische Torhüter bei jedem Abstoss regelmässig als "Puto". Der Begriff kann als "Schwuchtel" oder "Stricher" übersetzt werden. Das Ritual hat zwar eine lange Tradition im mexikanischen Fussball, ist deswegen aber nicht weniger verletzend. Nach einer Rüge der Fifa zeigten sich die mexikanischen Verantwortlichen bei der WM uneinsichtig. Trainer Miguel Herrera versuchte den Vorfall relativieren: "Wir müssen dazu nichts sagen. Wir unterstützen unsere Fans und müssen daraus keine grosse Sache machen."

Beisser Luis Suarez wird als Held gefeiert

Ebenfalls fragwürdig ist die Reaktion Uruguays auf den WM-Aussetzer von Stürmerstar Luis Suarez. Nach seiner Beissattacke gegen den Italiener Giorgio Chiellini wurde er von der Öffentlichkeit in Uruguay nicht etwa verurteilt, sondern als Held gefeiert. Tausende Fans empfingen den Wiederholungstäter am Flughafen und zeigten sich solidarisch. Staatspräsident Jose Mujica sah sogar eine Verschwörung gegen sein Land: "Nur weil Uruguay eine winzige Nation ist, ist die Sanktion der Fifa so hart." Suarez' Tat wurde durch dieses Verhalten extrem verharmlost. Der Täter wurde von einem ganzen Land in Schutz genommen und sogar zum Opfer stilisiert.

Jubel-Skandale auch in Europa

Auch in Europa gibt es weit extremere Beispiele für Jubel-Skandale. Der ehemalige Stürmer von Lazio Rom, Paolo di Canio, sorgte beispielsweise mehrmals mit rechtsextremen Ausfällen für Aufsehen. So wurde er beispielsweise 2005 vom italienischen Verband verurteilt, weil er nach einem Tor den faschistischen "römischen Gruss" gezeigt hatte. Der ausgestreckte rechte Arm galt Benito Mussolini, dem ehemaligen Führer der italienischen faschistischen Partei und sorgte bei Teilen der Lazio-Fans für grossen Jubel. Aus ihrer Gesinnung machten einige Fangruppen und di Canio selbst nie ein Geheimnis.

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