Tobias Levels von Fortuna Düsseldorf sass auf der Bank und weinte. Teile des eigenen Publikums hatten ihn bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen. Es waren nicht die Fans in den Kurven, sondern die Zuschauer auf den teuren Plätzen. Diejenigen also, die sich bereits durch ihre Platzwahl von den vermeintlichen Proleten in der Kurve abheben wollen.
Im November werden es vier Jahre, seit sich Torhüter Robert Enke das Leben genommen hat. Sein Name wird auf ewig mit dem riesigen Druck verbunden sein, der im Profifussball herrscht. Damals sass gefühlt ganz Deutschland trauernd vor den Fernsehern. Fassungslos darüber, dass ein junger Mensch an diesem Druck zerbrochen war.
Rein statistisch betrachtet wird auch ein Teil der Menschen, die Tobias Levels vergangenen Freitag nach seinem Stellungsfehler gegen den TSV 1860 München mit Pfiffen bedacht haben, damals vor dem Fernseher gesessen sein. Diese Menschen haben offensichtlich wenig aus der Tragödie um Robert Enke gelernt. Denn es sind nicht nur die Vereine oder die Presse, die Druck auf Spieler ausüben. Es sind auch die Fans.
Die Würde kauft man nicht mit
In Levels' Fall verschiebt sich der Fokus allerdings von den Fans in der Kurve, den Ultras, den sogenannten Problemfans hin zu den Mittelklassefans auf den teureren Sitzplätzen. Dort hat sich Doppelmoral breitgemacht. Wo augenscheinlich brave Bürger im Alltag vermutlich nicht einmal laut werden, glauben sie am Eingang des Fussballstadions das Korsett des Anstands ablegen zu können. Schlimmer noch: Sie glauben, sich mit ihren 50 Euro Eintritt die Würde jedes einzelnen Spielers "ihrer" Mannschaft erkauft zu haben.
Das ist ein gefährliches Besitzdenken. Es entmenschlicht die Spieler. Sie werden zu Instrumenten. Hölzerne Kicker-Männchen, die sich so zu verhalten haben, wie es dem Fan gefällt. Es ist so banal, dass man es eigentlich nicht aufschreiben müsste, aber auch Spieler haben Gefühle. Sie sind nach einem Fehler, wie er Tobias Levels passiert ist, enttäuscht und angreifbar. In diesen Momenten brauchen sie die Unterstützung der Fans am meisten. Wenn ihnen dieser Liebesbeweis verweigert wird und er sogar in Hass umschlägt, entsteht Druck, mit dem schwieriger umzugehen ist als mit jeder Standpauke des Trainers.
Levels schreibt offenen Brief
Glücklicherweise gibt es aber auch das andere, das schöne Fangesicht. Die Fans in Düsseldorfs Kurve reagierten auf die Pfiffe von den Stehplätzen. Tobias-Levels-Sprechchöre hallten nach dem Spiel durch das Stadion, als die Unruhestifter wohl schon auf dem Weg in die Parkgarage waren.
Am Montag bedankte sich ein sichtlich bewegter Levels für diese Geste in einem offenen Brief an die Fans: "Ich wende mich auf diesem Wege direkt an Euch, um mich zu bedanken. In der Vergangenheit war es nicht immer leicht für mich, mit den Antipathien einiger Fans umzugehen, und oftmals hat es mich sehr bedrückt. Eure bedingungslose Unterstützung in dem sportlich sehr schweren Moment am Freitag Abend hat mich fühlen lassen, dass ich auf euch zählen kann. Schon heute kann ich sagen, dass dies der emotionalste Moment meiner sportlichen Karriere und mit grosser Sicherheit einer der wichtigsten Augenblicke meines Lebens gewesen ist. Ich bin froh, für Fortuna Düsseldorf spielen zu dürfen. Tobi Levels"
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