Während Mario Gomez sein Glück in Italien beim AC Florenz erst noch suchen muss, hat ein anderer deutscher Fussballer sein Glück im Ausland längst gefunden. Seit 2011 spielt Gerhard Tremmel für Swansea City in Wales – und laut eigener Aussage war der Torhüter während seiner gesamten Karriere "noch nie so relaxed". Wir sprachen mit dem Keeper über hitzige Fans, nervige Handtücher und belgische Schokolade.

Mehr News zum Thema Fussball

Gerhard Tremmel wird in England "The Big G" genannt – ob das "G" für "German" oder Gerhard steht, darf man sich wohl aussuchen. Es ist jedenfalls ein liebevoller Spitzname, denn in Grossbritannien ist der deutsche Torhüter überaus beliebt. Nach Stationen in Hannover, Cottbus und bei Red Bull Salzburg ist Tremmel bei Swansea City angekommen. Dank seiner Leistungen im englischen League Cup wird der kleine Klub aus Wales in der nächsten Saison sogar auf der grossen Bühne der Europa League mitspielen.

Sie kennen die deutsche und die englische Liga – Wo gefällt es Ihnen besser?

Gerhard Tremmel: Aus der Perspektive eines Spieler ist es hier in England wesentlich besser. Zum einen, weil du einen höheren Stellenwert hast. Die Saison ist so lang, es gibt so viele Spiele, dass du zu irgendeinem Zeitpunkt immer gebraucht wirst. In Deutschland ist ja alles sehr auf die Startelf beschränkt.

In England zu spielen ist nach wie vor ein Traum. Es ist das ganze Flair, das ganze Drumherum. Deutschland ist toll, was das Leben angeht, keine Frage. Ich werde auf jeden Fall zurückkehren, aber irgendwie fühl ich mich hier wohler.

Liegt es vielleicht auch an Ihrem Verein, dass Sie sich hier so wohlfühlen?

Gerhard Tremmel: Swansea ist etwas ganz Spezielles. Was mir besonders gefällt: In grossen Vereinen bist du eine Nummer. Es ist wahnsinnig schwierig dort einen Status zu erreichen, wie ihn zum Beispiel ein Frank Lampard bei Chelsea oder ein Ryan Giggs bei Manchester United haben. Das sind Ausnahmespieler, die in dem Verein über längere Zeit tragende Rollen übernehmen – auch menschlich gesehen.

Hier ist das anders. Dieser Zusammenhalt im Verein, die menschliche Komponente ist einzigartig. Es ist so familiär. Das ist grandios.

Frage: Klingt fast schon romantisch. Sitzt man als Spieler dann auch mal abends mit den Fans im Pub?

Gerhard Tremmel: Nene, das muss ich ehrlich gesagt nicht haben. Wir sind die ganze Zeit in der Öffentlichkeit, wenn wir am Trainingsplatz sind. Da muss ich nicht auch noch abends mit den Fans zusammensitzen. Aber die Leute kommen schon auf einen zu und sagen: "Super Spiel!"

In England gibt es eine grosse Fankultur. Sehen Sie Unterschiede zu den deutschen Fans?

Gerhard Tremmel: In Deutschland unterstützt eigentlich nur die Fankurve die Mannschaft. Der Rest schaut sich den Fussball an, und wenn ihnen etwas nicht gefällt, dann buhen sie. Dieter Hoeness hat einmal gesagt: "Die Gesellschaft sitzt im Stadion". Das heisst, den Deutschen geht es eigentlich sehr gut, sonst könnten sie nicht im Stadion sitzen und rumjaulen.

Hier in England ist das ein bisschen anders. Viele Leute geben ihr letztes Geld für eine Karte aus. Und wenn du ihnen das auf dem Feld zurückgibst, dann sind sie sofort da. Die honorieren alles. Eine gute Idee, ein guter Pass – in Deutschland hörst du da nichts. In Deutschland ist es selbstverständlich, dass ein Verteidiger ein gutes Tackling macht.

Werden Sie manchmal mit Vorurteilen über Deutsche konfrontiert? Immerhin sind Sie der einzige Deutsche in Ihrer Mannschaft.

Gerhard Tremmel: Handtücher. Es sind immer die Handtücher. Dieses Klischee, dass die Deutschen alles mit Handtüchern reservieren. Ich hab das zwar noch nie gemacht, aber ich nenne das dann einfach "german efficiency". Mir bleibt ja nichts anderes übrig, als ein bisschen mit der Rolle des grossen Deutschen zu kokettieren. Ich kann ja meine Herkunft nicht verleugnen.

Manchmal kommen auch Weltkriegswitze. Aber das ist eigentlich immer ganz harmloser "banter" (zu Deutsch "Neckerei", Anm.d.Red.). Aber eigentlich ist mir das so schon lieber, als nur eine Randnote zu sein. Ein Belgier zum Beispiel. Was kannst du über Belgien sagen? (überlegt kurz) Belgische Schokolade vielleicht.

Und was halten die Engländer vom deutschen Fussball?

Gerhard Tremmel: Ich musste den deutschen Fussball bisher immer verteidigen. Hier in der Kabine wird wenn dann mal über Spanien gesprochen – über Real oder über Barcelona. Die deutsche Liga an sich ist einfach nie in Erscheinung getreten, weil wir bisher international einfach immer abgekackt haben. Bayern ist da natürlich eine Ausnahme.

Durch das deutsche Champions-League-Finale hat sich das jetzt geändert. Jetzt reden sie auch schon davon, ob es an der Zeit ist, den deutschen Fussball zu kopieren. Da muss ich dann immer schmunzeln, weil sich ja eigentlich nichts geändert hat. Trotzdem halte ich die englische Liga für stärker. Die Spitze ist einfach breiter. In Deutschland sind es nur Bayern und Dortmund. In England hast du die Manchester-Teams, Chelsea, Arsenal, Tottenham. Man hat einfach eine breitere Spitze.

Trotzdem wildern die englischen Klubs nun auch in der Bundesliga. Man denke nur an Schürrle, der jetzt zum FC Chelsea gewechselt ist.

Gerhard Tremmel: (lacht)… ja, das ist ganz schlecht für mich. Stell dir vor, ich wäre der einzige Deutsche in der Premier League. Da stehe ich ganz anders im Fokus, als wenn hier 20 Deutsche rumlaufen.

In der neuen Saison spielen Sie mit dem FC Swansea in der Europa League. Freuen Sie sich darauf?

Gerhard Tremmel: Ich hab schon mit Red Bull Salzburg eine Saison Europa League gespielt, deswegen weiss ich, wie es läuft. Das ist schon eine tolle Erfahrung. Klar, die Champions League war immer mein grosser Traum, aber ich glaube, das wird eng. Aber sag niemals nie …

Ich kann jedenfalls andere Spieler verstehen, die unbedingt Champions League spielen wollen. Dieser Vergleich mit Teams aus anderen Ländern, das ist schon super.

Sie sind in Swansea meistens nur zweiter Torhüter hinter Michel Vorm. Wie kommen Sie mit Ihrer Rolle als Reservist zurecht?

Gerhard Tremmel: Auf der Bank als Torwart weisst du eigentlich, dass du nicht spielen wirst. Wobei mich die vergangene Saison gelehrt hat, dass ich das in Zukunft anders angehen muss. Ich bin vorher in meinen 15 Jahren als Keeper nie ein- oder ausgewechselt worden, zumindest nicht aufgrund einer Verletzung – und in der vergangenen Saison gleich zweimal. Das erste Mal war in Manchester. Es war schweinekalt und ich dachte nur "Oh Gott, lass dieses Spiel vorbeigehen." Und auf einmal liegt Michel am Boden, und dann kommt die Erkenntnis: "Scheisse, ich muss doch rein." Als Torwart habe ich eigentlich eine ganz spezielle mentale Vorbereitung auf ein Spiel. Das geht natürlich in so einem Fall nicht.

Nach dem Spiel bin ich rein in die Kabine und habe zu unserem Trainer Michael Laudrup gesagt: "Trainer, das ist nichts für mich." Da hat er nur gelacht.

Sie haben jetzt bis 2015 verlängert. Heisst das, Sie haben sich mit Ihrer Rolle abgefunden?

Gerhard Tremmel: (lacht) Im Fussball weiss man nie, wo es hingeht. Verträge sind ja im Fussball nicht dazu da, um gehalten zu werden.

Allerdings sind Sie jetzt schon 34 Jahre alt. Beunruhigt Sie der Jugendwahn, der vor allem auch bei deutschen Torhütern um sich greift?

Gerhard Tremmel: Ich hab mich da schon x-mal mit Leuten drüber unterhalten. Die meinen dann immer, "Ja, die sind halt besser ausgebildet". Wo soll ein Torhüter besser ausgebildet sein? Der kann auch nur Bälle halten. Es heisst dann immer "fussballerisch besser ausgebildet". Kannst du vergessen, wenn ich mir so anschaue, was die fussballerisch draufhaben.

Die Diskussion ist Schrott. Schau sie dir an, die jungen Torhüter. Die sind alle wirklich gut, die sind talentiert, das sieht man an ter Stegen oder Zieler, aber Gegenbeispiel: ein Weidenfeller. Der ist jetzt 33 und hält die Bälle genauso. Und er stand im CL-Finale.

Das wirst du kaum sehen in England. Es gibt nur ganz wenige junge Torhüter hier. In England steht man auf Erfahrung.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.