Tummeln sich in den Stadien haufenweise Rechtsradikale und Gewalttäter? Werden die wahren Fans mit Drohungen unter Druck gesetzt? Eine Sky-Dokumentation warf einen unschönen Blick auf die Fanszene der Bundesliga.
Ultras gelten als die wahren Fussballfans. Sie leben ihren Verein, unterstützen ihn unabhängig vom Tabellenstand, sorgen mit Choreographien und Fan-Gesang für Gänsehautstimmung. Doch die Fanszene hat auch ihre dunkle Seite. Offengelegt wurde dies durch die Sky-Dokumentation "Ultras - unter Druck", die der Pay-TV-Sender am Mittwoch nach der Bundesliga-Übertragung ausstrahlte.
Das dargestellte Problem
Ob nun Aachen oder Bremen, Köln oder Braunschweig – in vielen Städten gibt es Probleme mit gewaltbereiten Hooligans. Der Autor Klaus Fiedler hat einmal das Beispiel Borussia Dortmund herausgezogen. BVB Boss Hans-Joachim Watzke gesteht: "Wir haben immer mehr Vorfälle von Gewalt."
Als hauptverantwortlich gilt die Gruppierung 0231 Riot. Dabei soll es sich um einen Zusammenschluss vieler Ultragruppen aus Dortmund und von anderen Vereinen handeln, die einfach nur Randale machen wollen. Watzke weiss: "Die versuchen, einen Einfluss auf andere Ultragruppen auszuüben und eine höhere Gewaltbereitschaft zu zeigen. Das hat auf manche jüngere Menschen eine Faszination."
Ein Fan, der anonym bleiben möchte, berichtet: "Sie holen sich bewusst Leute dazu, die sich einfach nur hauen möchten. Plötzlich sieht man Leute im Stadion, die man nie vorher beim Fussball gesehen hat, die aber echte Schränke sind und denen man ihre Gesinnung ansieht."
Laut des Films nutzt die Gruppierung zum Beispiel ihre Verbindungen zur rechten Szene, um Gewaltbereite hinzuzugewinnen. Gemeinsam werden gegnerische Fans angegriffen. Sie wollen über die Landesgrenze hinaus als krasse Gewalttäter wahrgenommen werden.
Ähnliche Probleme soll der SV Werder Bremen haben. Durch einen Schulterschluss zwischen Verein, Medien und Fans soll es zwar gelungen sein, Rechtsradikale weitestgehend aus dem Stadion zu verdrängen. Die Fans fühlen sich im Weserstadion dadurch sicher – aber nicht um die Arena herum.
Ein Ostkurvengänger erklärt, dass die Gefahr durch rechtsradikale Hooligans immer präsent ist: "Die ziehen durch die Gegend und suchen linke Ultras. Man muss immer damit rechnen, dass etwas passieren kann."
Wenig Lösungsansätze
Noch immer werden wenig Straftaten um den Fussball herum zur Anzeige gebracht. Es fehlt an Zeugen. Watzke kennt den Grund: "Die Menschen haben Angst, demjenigen, dem sie sagen, er sei neonazistisch oder antisemitisch aufgefallen, einen Tag später zu begegnen und dass er ihn dann bedroht."
Der Journalist Christoph Ruf dreht das Problem noch weiter: "Die Fangruppen fühlen sich zwei Seiten verpflichtet. Einmal ihrem Ultra-Codex, nicht mit der Polizei zu reden. Auf der anderen Seite würden sie aber natürlich gerne etwas gegen solche Leute unternehmen , weil diese allem entgegenstehen, was für sie den Ultra-Spirit ausmacht."
Letztendlich bekamen in der Sky-Dokumentation alle Beteiligten ihr Fett weg. Einmal die Vereine, weil sie Kollektivstrafen gegen ganze Fangruppen aussprechen. So wird dafür gesorgt, dass sich eigentlich friedliche Fans ungerecht behandelt fühlen und mit den Gewalttätern solidarisieren.
Auch die Polizei bekommt wegen ihrer Konzeptlosigkeit ihr Fett weg. Laut eines Kriminologen sind sich die Polizisten nicht einmal untereinander einig, ob gegen gewaltbereite Gruppierungen mit strenger Hand oder Bedacht vorzugehen ist.
Auch der Deutsche Fussball Bund wird kritisch gesehen. Carsten Blecher vom Fanprojekt Köln sagt: "Der DFB steht für ein Feindbild, ist aber auch weit weg. Das sind praktisch die da oben, von denen immer die Strafen kommen." Dass die Strafen, die an die Vereine ausgesprochen werden, irgendeine positive Wirkung haben, wird im Film mehrfach bezweifelt.
Was also tun? Die Personalisierung der Tickets wird als kaum durchführbar dargestellt. Reduzierte Gästekontingente wollen die Fans wie auch die Verbände nicht. Übrig blieb lediglich ein unpräziser Lösungsansatz, der praktisch bei jedem Problem dieser Welt hervorgekramt wird: Alle Beteiligten sollen sich gemeinsam an einen Tisch setzen und im ständigen Dialog bleiben.
Die wichtigste Aussage
Christoph Ruf ahnt, was die Folge der Gewalttaten im Fussball sein wird: "Es wird immer mehr Strafen geben. Irgendwann wird die öffentliche Meinung für die Abschaffung der Stehplätze sein, was Politiker jetzt schon wollen. Vielleicht sehen wir erst dann, was wir verloren haben."
Gemeint ist die Gänsehautstimmung, für die die Ultras (noch) an jedem Spieltag der Bundesliga sorgen.
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