Überall bleiben die Kirchen leer, während sich im Mikrokosmos Fussball immer mehr junge Profis zum christlichen Glauben bekennen. Aber wie erklärt sich dieser vermeintliche Widerspruch?
Seit Jahren beklagen die christlichen Kirchen einen Mitgliederschwund. Es gibt konstant mehr Aus- als Eintritte, die Kirchen bleiben leer. Missbrauchsskandale und vor allem deren Aufarbeitung haben in den vergangenen Jahren der Glaubwürdigkeit beider Kirchen schwer geschadet. Dazu kommt vor allem in der katholischen Kirche ein längst überholtes Frauenbild, eine ablehnende Haltung gegenüber Homosexuellen, Schwangerschaftsabbrüchen und Scheidungen. All das scheint Menschen von der Institution Kirche abzuschrecken. Daran haben auch die Reformbemühungen von
Stattdessen findet Glaube offenbar mehr und mehr im Privaten und weniger im öffentlichen Raum statt.
Da ist es doch zumindest bemerkenswert, dass ein Superstar wie David Alaba vom FC Bayern auf seinem Instagram-Profil folgende Botschaft in den Mittelpunkt stellt: "Meine Kraft liegt in Jesus".
Glaube erlebt Aufschwung im Fussball
Tatsächlich scheint der Glaube an Gott und Jesus in den vergangen Jahren im Profifussball einen unheimlichen Aufschwung erlebt zu haben. Profis wie Davie Selke,
David Kadel*, Autor (z.B. "Fussball Gott", "Was macht dich stark?"), Filmemacher ("Und vorne hilft der liebe Gott") und Mentalcoach für zahlreiche Fussballer, bestätigt diese Beobachtung im Interview mit unserem Portal: "Ich merke, dass die Kirchen immer leerer werden und dass es im Fussball - dazu gegenläufig - immer mehr gläubige Spieler gibt."
Sind Fussballstars also die Missionare unserer Zeit, die ihre Fans mit Tattoos und Instagram zurück zum Glauben führen?
Ein Stück weit kann man diese Frage wohl bejahen, findet zumindest Kadel. "Typen, wie
Noch können die beiden grossen christlichen Kirchen in Deutschland von dieser prominenten PR jedoch nicht profitieren. Seit Jahren bewegt sich die Zahl der Austritte in Deutschland sowohl in der katholischen als auch in der evangelischen Kirche auf konstant hohem Niveau, bei gleichzeitig rückläufigen Kircheneintritten.
In einer Umfrage für das ARD-"Morgenmagazin" vom Juni 2017 gaben zudem nur noch 37 Prozent der Befragten an, Religion und Glaube hätten für sie eine sehr grosse oder grosse Bedeutung. Für 63 Prozent hingegen spielen Glaube und Religion lediglich eine geringe oder gar keine Rolle.
Der Eindruck, dass Glaube im Gros der Gesellschaft an Wichtigkeit verliert, lässt sich also mit Zahlen belegen. Woher kommt dann aber die diametrale Entwicklung im Fussball? Warum ist der Glaube an Gott gerade für Fussballprofis so attraktiv und wichtig?
Christliche Profis zeigen viel Demut
Für viele Fans ist der Fussball längst zur Ersatzreligion geworden. Sie pilgern zu Spielen, verehren ihre Stars wie Heilige, singen zusammen. Das Stadion, so wirkt es geradezu, ersetzt das Kirchenschiff, der Fanblock die Gemeinde.
Für die Profis auf dem Platz ist das jedoch keine Option. Schliesslich sind sie es ja, die verehrt werden.
Mentaltrainer Kadel erinnert sich an Gespräche mit Ex-Nationalspieler Cacau, der in seiner aktiven Zeit nach Toren mit einer Geste immer einen Dank gen Himmel gesendet hatte. Laut Kadel sei es dem Deutsch-Brasilianer peinlich gewesen, wie ein Fussballgott verehrt zu werden. "Ich zeige nach oben, um zu zeigen, das ist der Einzige, den ich anbetungswürdig finde", war seine Meinung.
Für Kadel zeugt diese Aussage von einer Demut, die nicht-christlichen Profis oft abgehen würde. "Es gibt sicherlich genug Fussballer, die das geil finden, angebetet zu werden. Das passt zum Narzissmus unserer Zeit", glaubt er. Christliche Spieler wie Cacau oder auch David Alaba erlebe er hingegen wesentlich demütiger. Alaba sei ein "fast schüchterner" Kerl - trotz seines Status als Weltstar.
Zudem kann der Glaube auch eine Kraftquelle sein. In seiner Arbeit als Mentalcoach erarbeitet Kadel mit Fussballern stets eine ganz spezielle Schlüsselfrage: "Was macht dich stark? Woher bekommst du deine Kraft?" Gläubige Spieler, egal welcher Religion, "haben da was für sich entdeckt. Eine Kraftquelle, die sie ruhiger und zuversichtlicher macht, ihnen Mut gibt", erklärt Kadel die Gefühlswelt der Fussballer. "Sie wissen, ich hab da jemanden, der mich begleitet. Ich bin nicht alleine mit diesem Erwartungsdruck."
Auch Trainer stehen zu ihrem Glauben
Aber nicht nur Spieler, auch manche Trainer stützen sich in ihrer täglichen Arbeit auf christlich geprägte Grundsätze.
Bayer Leverkusens Trainer Heiko Herrlich ist bekennender Christ. Sein Glaube hatte ihm geholfen, eine bösartige Tumorerkrankung zu überstehen, die ihn im Jahr 2000 auch mit dem Tod konfrontiert hatte: "Wenn das Gottes Weg ist, dann gehe ich ihn mit", hatte er damals mit starkem Glauben erklärt.
Später machte Herrlich in seiner Zeit bei Jahn Regensburg Schlagzeilen, weil er mannschaftsinterne Konflikte mit Hilfe der Bibel löste. Als ein Spieler sich mit dem Co-Trainer anlegte, setzte Herrlich nicht etwa auf Sanktionen, sondern las vor dem Team stattdessen eine bekannte Stelle aus dem Johannes-Evangelium vor: "Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein."
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In seiner Arbeit mit den Spielern weisen sowohl Herrlich als auch Klopp zudem immer wieder auf die "4Ds" hin: Demut, Dienen, Dankbarkeit und Durchhaltevermögen bzw. Disziplin.
Vor allem Dankbarkeit gehe vielen jungen Spielern völlig ab, findet Kadel. "Ich kenne viele Fussballprofis, die sind total am Jammern, weil sie es mal aushalten müssen, dass sie auf der Bank sitzen. Und dann kommt eben ein Herrlich, oder ein Klopp daher und sagt: Vergesst die Dankbarkeit nicht. Die macht euch stark."
Den Begriff Demut hingegen müsse man vielen Spielern erst einmal erklären. Ein 17-Jähriger könne damit im ersten Moment nicht viel anfangen. "Denk einfach nicht, du wärst der Aller-Sexieste on earth", erklärt Kadel den Gedanken vereinfacht.
Geld scheffeln und Christ sein?
Doch wie viel Wert hat die Demut, wenn Fussball-Stars unvorstellbare Gehälter kassieren? Da gibt es zum Beispiel Neymar, der für 222 Millionen Euro auf Vereinstreue zum FC Barcelona pfeift und sich lieber einen gut dotierten Vertrag bei Paris St. Germain geben lässt.
Beim Gewinn der Goldmedaille bei den Olympischen Spielen von Rio 2016 band sich der Brasilianer medienwirksam ein Stirnband um, auf dem "100 % Jesus" stand.
Oder Lionel Messi, der immer wieder beteuert, wie wichtig ihm der Glaube an Gott sei und dass er jeden Morgen bete: Der Argentinier hat Steuern in Millionenhöhe hinterzogen und seine wohltätigen Stiftungen sollen hauptsächlich ihm selbst Geld in die Kassen spülen, wie der "Spiegel" herausgefunden haben will.
Geld zu scheffeln und dabei Jesus nachzufolgen, das scheint im ersten Moment ein Widerspruch in sich. Schliesslich hat Jesus sich mehr als einmal abfällig über den "schnöden Mammon" geäussert. In Lukas 16,13 beispielsweise erklärt er: "Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon."
Dennoch gibt es Strömungen, wie den Calvinismus, die genau gegen eine solche Sichtweise mit gottgewolltem Reichtum argumentieren.
Es ist also sowohl eine moralische wie auch eine theologische Frage, die sich so pauschal nicht beantworten lässt.
Die Fussballprofis, mit denen Kadel zusammenarbeit, gehen jedenfalls sehr gut mit ihrem Privileg um, erzählt der Autor: "Die sagen: 'Hey, wir haben viel zu viel, wir müssen was machen, lass uns eine Stiftung gründen.'"
Glaube für Marketingzwecke instrumentalisiert?
Dieses vorbildhafte Verhalten, ist jedoch nicht selbstverständlich. Denn es ist immer wieder zu beobachten, dass manche Fussball-Profis nach aussen hin allzu medienwirksam mit dem Überirdischen kokettieren, während sich ihr Lebensstil als maximal weltlich bezeichnen lässt.
Daraus könnte man nun den Vorwurf konstruieren, Glaube würde hier schlicht und ergreifend Marketingzwecken dienen, um die Fussballer volksnäher und zugänglicher zu präsentieren, als sie eigentlich sind.
Dabei macht es doch nur eines deutlich: Fussballer, gläubige wie ungläubige, machen, wie auch alle anderen Menschen, Fehler. Und diese Fehler machen sie nicht zwingend unglaubwürdig. Sie machen sie lediglich menschlich.
Man denke nur an Leverkusens Heiko Herrlich, der erst kürzlich im DFB-Pokal mit einer äusserst peinlichen Schwalbe für Aufsehen gesorgt hatte. Noch Aufsehen erregender war danach jedoch die entwaffnende Ehrlichkeit und auch Demut, mit der Herrlich seinen Fehler eingestand: "Ich habe mich geschämt. Ich wurde kritisiert und verhöhnt. Zurecht! Wir sind alle Menschen. Ich bin auch nur ein Mensch. Es war wohl nicht der grösste Fehler, den ich in meinem Leben gemacht habe. Und ich fürchte, es werden auch noch mal andere kommen."
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