Nachdem das DFB-Team nun auch gegen Kolumbien verloren hat, äussert sich Holger Badstuber zu der aktuellen Leistung der DFB-Elf und den Diskussionen um Thomas Müller und Manuel Neuer.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Holger Badstuber dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Servus Fussball-Fans!

Es ist eine sehr schwierige Zeit für den deutschen Fussball. Das hat die WM in Katar gezeigt – und es ist auch jetzt nach den drei erfolglosen Test-Länderspielen gegen die Ukraine, Polen und Kolumbien – ein Jahr vor der Heim-EM – immer noch ganz offensichtlich. Wir waren und sind Mittelmass im Weltfussball. Die Pfiffe, die es am Dienstag auf Schalke von den Fans gab, sind verständlich.

Je früher wir jedoch realisieren, dass wir 2024 nur ein Aussenseiter sind, desto einfacher wird es, diese Rolle zu akzeptieren. Psychologisch ist das vielleicht nicht schlecht, so ist auch mehr zu gewinnen. Wir sollten uns jedenfalls schnell darauf konzentrieren, eine starke Einheit zu formen. Auf und neben dem Platz.

Über Hansi Flick: "Er wirkt angefressen"

Noch ist das ganze Konstrukt von vorne bis hinten instabil. Es wird oft von einem "Prozess" gesprochen, in dem sich die Mannschaft weiterhin befindet. Doch allein das Verhalten von Hansi Flick in TV-Interviews zeigt, dass auch er alles andere als zufrieden ist. Er wirkt angefressen. Ich habe mir von ihm in dieser Phase eigentlich mehr Enthusiasmus, mehr Selbstvertrauen und Überzeugung erwartet. Die Souveränität fehlt mir. Trotzdem müssen wir ihm und seiner unbestrittenen Expertise vertrauen.

Im September und Oktober kommen mit Japan, Frankreich und den USA die nächsten Gegner – bis dahin soll sein Gerüst stehen. Ich möchte das gerne noch abwarten, bevor ich den "Prozess" wirklich beurteilen kann.

Für mich ist allerdings klar: Ilkay Gündogan hat als Kapitän von Manchester City auf höchstem Niveau performt und Titel gewonnen. Er muss im Mittelfeld gesetzt sein. Joshua Kimmich hilft der Nationalmannschaft am besten rechts hinten. Es geht im Fussball darum, auch mal in den sauren Apfel zu beissen und nicht auf seiner Lieblingsposition aufzulaufen. In der Abwehr kann er der Mannschaft extrem viel geben.

"Sind Müller und Neuer fit, müssen sie für die deutsche Nationalmannschaft spielen"

Eine klare Identität bedarf auch mutiger Entscheidungen. Deshalb kann ich überhaupt nicht verstehen, warum der DFB es überhaupt zulässt, dass immer wieder Diskussionen über Thomas Müller und Manuel Neuer entstehen. Sie sind Ikonen für Deutschland. Andere Nationen haben ihre verdienten Veteranen, die lange gespielt und Erfolge gefeiert haben. In Spanien war es ein Busquets, in Italien ein Bonucci – es sollte nicht darum gehen, wie alt sie sind, sondern um den Wert für das Team. Sind Müller und Neuer fit, müssen sie für die deutsche Nationalmannschaft spielen.

Müller kann mit seiner Erfahrung vorne, wo wir grosse Probleme haben, Tore zu erzielen, weil es dort durch ständige Wechsel keine Verbindungen, keine Automatismen gibt, immer positiv Einfluss nehmen.

Wir vermissen in der Nationalmannschaft aktuell das, was in den letzten Jahren in der Ausbildung junger Spieler auf der Strecke geblieben ist: Charakter und die Attribute, die uns als Nation bei grossen Turnieren ausgezeichnet haben wie Aufopferungswille, Kampfgeist, Disziplin, Durchschlagskraft, Ausdauer und Mut. Deshalb hat Deutschland auch zuletzt keinen Sieg verdient.

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Das Bewusstsein dafür zu entwickeln, sehe ich für einige junge Spieler allerdings auch als eine grosse Chance. Die Spieler, die jetzt die Möglichkeit bekommen, sich zu präsentieren, können unheimlich punkten, wenn sie eben genau diese Eigenschaften zu 120 Prozent leben.

Musiala und Wirtz sind Hoffnungsschimmer am Horizont. Ähnlich wie "Poldi" und "Schweini" einst die Fans verzaubert haben und für eine neue, freche Generation standen, haben auch sie das Potenzial dazu. Werden sie richtig eingesetzt, könnte die EM tatsächlich Spass für alle in Deutschland machen.

Die Nationalmannschaft verdient einen anderen Stellenwert als sie es momentan hat, davor muss sie aber jetzt mehr denn je leisten und performen!

Euer Holger Badstuber

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