Er kann es einfach nicht lassen: Mit dem Graue-Maus-Klub AC Monza will Silvio Berlusconi den italienischen Fussballbetrieb aufmischen. Für die einen ist das eine Cinderella-Story, andere wittern dahinter reines Kalkül.

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Tycoon kauft Fussball-Klub. An Meldungen wie diese hat man sich längst gewöhnt, mehr als ein Schulterzucken ist da in der Regel nicht mehr. Ob nun ein neuer Mitspieler mehr oder weniger aus China, Indonesien oder dem Nahen Osten auftaucht und ein bisschen Aufmerksamkeit haben will: Wen interessiert das noch gross im kontinentalen Fussballgeschäft?

Bei Silvio Berlusconi ist das anders. Steinreicher Unternehmer, allgegenwärtiger Medienmogul, ehemals Ministerpräsident, politischer Rechtsaussen, der Milan-Patron, ein bisschen Bunga-Bunga - das alles ist Berlusconi und vermutlich noch viel mehr. Nicht nur in Italien. Vor ein paar Tagen ist Il Cavaliere stolze 83 Jahre alt geworden, er hat mehrere schwere Operationen, unter anderem am Herzen und an den Nieren, tatsächlich überlebt und weit mehr als 100 Strafrechtsverfahren im übertragenen Sinne. Kein einziges davon konnte ihn rechtskräftig überführen oder verurteilen. Der Mann hat mehr gesehen und erlebt als andere in 20 Leben und kann doch nicht genug bekommen.

Die alte Gang beim neuen Klub

Milan war mal seine grosse Liebe und vielleicht sind es die Rossoneri ja immer noch, tief drin in seinem generalüberholten Herzen. Er ganz allein hat den stolzen Klub aus dem Stadtteil San Siro ans Licht geführt, ihn zum zeitweise grössten der Welt gemacht. Seit der Aufgabe aller Geschäftsbeziehungen und dem Verkauf Milans an die US-amerikanische Investementfirma Elliott Management Corporation vor ein paar Jahren ist diese Ehe geschieden. Rund 750 Millionen Euro soll Berlusconis Fininvest Holding dafür kassiert haben.

Genug Geld, um sich nach ein paar neuen spannenden Projekten umzusehen. Das aufregendste lag dabei direkt vor der Haustür, in Monza, einem 120.000-Einwohner-Städtchen im erweiterten Speckgürtel von Mailand. Berlusconis Anwesen in Arcore ist nur rund zehn Kilometer entfernt. Motorsport-Fans ist Monza ein Begriff, Fussball-Fans dürften zum ersten Mal vor rund zwei Jahren überhaupt von der Existenz des ansässigen Klubs gehört haben. Silvio Berlusconi hat damals den AC Monza gekauft, einen darbenden Drittligisten ohne jegliche Ambitionen. Zusammen mit seinem lebenslangen Adjudanten Adriano Galliani und Bruder Paolo steht er dem Klub seitdem vor. Berlusconi als Eigentümer und Geldgeber, Paolo als Präsident und Galliani, in Monza geboren und aufgewachsen, als Vorstandsvorsitzender. Die alte Gang ist wieder vereint.

AC Monza das RB Leipzig Italiens?

Und weil es bei den Berlusconis kein Mittelmass oder "schau'n mer mal" gibt, liegen die grossen Pläne schon lange auf dem Tisch. Der AC Monza, bisher noch nie über die Serie B, Italiens zweite Liga, hinausgekommen, soll so schnell wie möglich hinein in die Serie A und dort das Establishment mal so richtig aufmischen: Die Grosskopferten aus der Hauptstadt, Juventus und die Agnelli-Familie natürlich, den verhassten FC Internazionale und wenn es sein muss, dann eben auch Milan.

Das ist in etwa so, als würde jemand den SV Wehen-Wiesbaden kaufen oder den VfB Lübeck und dann hinausposaunen, in ein paar Jahren die grossen Vier in der Bundesliga zu attackieren. Vermutlich würden die meisten Beobachter das als einen kleinen Marketing-Gag halten, Berlusconi geht seine Mission aber mit dem gewohnten Todesernst an. Und so ist man dann doch eher an den SSV Makranstädt erinnert, den sich einst ein Brausehersteller aus Österreich einverleibt hat und der neulich bis ins Halbfinale der Champions League vorgedrungen ist.

Keine Tattoos, keine Bärte, keine Ohrringe, anständige Frisuren

Die Gelder, die man mittlerweile benötige, um im internationalen Fussball ganz vorne mitzumischen, "kann eine einzelne Familie gar nicht mehr stemmen", sagte Berlusconi bei seinem Abschied von Milan. Das ist natürlich - wie eigentlich ziemlich oft bei ihm - nur die halbe Wahrheit. Als gesichert gilt wenigstens, dass er in sein neues Spielzeug Monza deutlich weniger Geld investieren muss, um im ersten Schritt zumindest in Italien eine gewisse Aufmerksamkeit zu erlangen.

Drei Millionen Euro hat Berlusconi für den AC Monza bezahlt und in den letzten beiden Jahren kaum einen Stein auf dem anderen gelassen. Letzte Saison hatte Monza inklusive aller Leihspieler 25 Zugänge und 27 Abgänge, in diesem Sommer war die Fluktuation ähnlich gross.

Sportdirektor Filippo Antonelli, ebenfalls in Monza geboren und ehemaliger Spieler des Klubs und Trainer Cristian Brocchi obliegt die sportliche Verantwortung des Projekts. Brocchi ist, wie sollte es auch anders sein, als ehemaliger Milanisti auch ein alter Weggefährte Berlusconis.

Antonelli und Brocchi haben die grosse Aufgabe, die hochtrabenden sportlichen Ziele des Patrons zu erreichen und dabei ein paar Leitplanken, wenn möglich, nicht zu durchbrechen. Bei der Übernahme des Klubs fiel Berlusconi durch eine unmöglich einzuhaltende Vorgabe auf: "Wir wollen hier ausschliesslich italienische Spieler, die keine Tattoos, keine Bärte, keine Ohrringe tragen und anständige Frisuren haben!"

Monza wie ein "Panzerkreuzer"

Ein klassischer Berlusconi war das, provokant und selbstherrlich; die Forderung hätte auch aus dem Wahlprogramm seiner Partei "Forza Italia" stammen können. Die Leute verstanden die Botschaft dahinter, umsetzen lässt sich der Plan allerdings schon jetzt nicht mehr. Nicht nur deshalb zweifeln viele Beobachter und auch Fans an der heimeligen Stimmung, die Berlusconi und seine Mitstreiter verbreiten wollen und fürchten stattdessen politisches Kalkül.

Die erste Etappe ist längst geschafft, Monza rauschte mit einem überwältigenden Vorsprung durchs Ziel der letzten Serie-C-Saison. "Der Aufstieg in die Serie B ist der erste Schritt in Richtung Aufstieg in die Serie A. Wir wollen der Stadt, in der ich zur Welt gekommen bin, diese Freude geben", sagte Galliani in einem Interview mit "Sky Sport".

Das freut die kleine Fan-Schar des AC Monza, lässt den grossen Rest des italienischen Fussballs aber eine Drohkulisse zeichnen. Was Fininvest in der Provinz aufbaue, gleiche einem "Panzerkreuzer", schrieb die Zeitung "Il Giorno". Und nicht nur die politischen Gegner Berlusconis vermuten hinter der romantischen Herz-Schmerz-Geschichte mit Monza einen neuerlichen politischen Angriff des Cavaliere. Nicht zufällig gibt es in Italien den Begriff des "Berlusconismus", einer Sonderform des (politischen) Populismus.

Boateng heuert in Monza an

Die Sache mit dem rein italienischen Team hat sich jedenfalls schon lange erledigt. Ein Brasilianer, ein Spanier, ein Kroate, ein Bosnier, ein Däne und ein Portugiese kicken mittlerweile für Monza und vor ein paar Tagen kam noch ein siebter Ausländer hinzu: Kevin-Prince Boateng hat sich dem Projekt AC Monza angeschlossen - mit einem deutschen und einem ghanaischen Pass in der Tasche, schwerst tätowiert, bärtig, ohrberingt und mit monatlich wechselnder Haarpracht. "Vielleicht die grösste Herausforderung meiner Karriere. Aber ich kann es kaum erwarten", twitterte Boateng bei seiner Vorstellung.

Er soll nun mithelfen, die Serie B so schnell es eben geht hinter sich zu lassen. Trotz grosser Investitionen in den Kader, die Rede ist von fast 20 Millionen in diesem Transfersommer, dürfte das aber ein schwieriges Unterfangen werden. Die Serie B gilt als so interessant und stark wie schon lange nicht mehr. Neben den Absteigern Brescia Calcio, SPAL Ferrara und UC Lecce tummeln sich dort fast nur ehemalige Erstligisten.

Die Grossen des italienischen Fussballs jedenfalls zieht es mittlerweile schon regelmässig in Monzas Stadio Brianteo. Fabio Capello war in der Drittliga-Saison ebenso Stammgast wie der ehemalige Nationalstürmer Christian Vieri. Und irgendwann, wenn die Gegner nicht mehr Pordenone Calcio oder Virtus Entella heissen, sondern Juventus oder Milan, soll sich Fussball-Italien wieder vor ihm verneigen. So steht es geschrieben im Buch Berlusconi.

Verwendete Quellen:

  • Galliani/sky sport: "Voglio la Serie A, ma non ho tradito il Milan per il Monza"
  • Twitterprofil von Kevin-Prince Boateng


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