Chinas Millionen überschwemmen den Transfermarkt. Das grösste Land der Erde will endlich auch im Fussball Grösse zeigen, koste es, was es wolle. Der Befehl zur Aufrüstung kommt von ganz oben. Das ambitionierte Unterfangen wird mit Geld allein aber nicht zu stemmen sein. Die Probleme des chinesischen Fussballs sind komplexer.
Die Wiege des Fussballs steht nicht in England, wie immer behauptet wird. Sondern in China. Bereits im dritten Jahrhundert vor Christus soll ein militärisches Ausbildungsprogramm Ähnlichkeiten mit dem Spiel gehabt haben, das heute weltweit als Sportart Nummer eins gilt.
Heute sind in China Qigong, Badminton, Tischtennis, Ringen, Turnen und Basketball die beliebtesten Sportarten des Landes. Der Fussball fristet ein vergleichsweise kümmerliches Dasein, lediglich die Spiele der Premier League und einige Grossereignisse locken die Chinesen wenigstens vor den Fernseher.
China zählt rund 1,4 Milliarden Einwohner, kein Land der Welt verfügt theoretisch über mehr "Ressourcen".
Die Wirtschaft hat derzeit allerdings mit ein paar Problemen zu kämpfen, die Börsen ächzen unter dem jahrelangen Sturmlauf bis hinauf auf Weltranglistenplatz zwei der Volkswirtschaften. China befindet sich auf der Überholspur - nur im Fussball, da ist das Super-Reich immer noch ein Zwergenstaat.
Befehl vom Staatschef
Im Sommer kam dann endlich die Direktive von ganz oben. Staatschef
Ende kommenden Jahres sollen 20.000 Grund- und Mittelschulen zu Fussballschwerpunktschulen werden, so sieht es der 50-Punkte-Plan Jinpings vor. China rekrutiert 40.000 Trainer und will bis zur WM 2018 rund 200.000 neue Fussballspieler regelrecht heranzüchten.
Finanziert wird das alles von der Regierung und staatstreuen Unternehmen. Der grösste Klub des Landes, Guangzhou Evergrande, will dann rund 10.000 Schüler in seinen Internaten aufnehmen.
Derzeit tummeln sich schon rund 4.000 Kinder und Jugendliche auf den 50 Trainingsplätzen, angeleitet von zumeist ausländischen Trainers und Fachkräften.
Unter anderem kooperiert Evergrande mit Real Madrid, hinter den Kulissen unterhält der chinesische Verband Kontakte zu Manchester United. Auch Bayern München ist ein Ziel für zukünftige Kooperationen.
Chinas Geld überschwemmt den Markt
Wie überdimensioniert und ambitioniert das alles schon ist, darauf hat die aktuelle Transferperiode einen kleinen Vorgeschmack geliefert. Rund 200 Millionen Euro haben chinesische Klubs in den letzten Tagen und Wochen für neue Spieler ausgegeben.
Aber nicht wie früher für angehende Pensionäre, die noch einmal einen wunderbar bezahlten Vertrag unterschreiben wollten, für europäische Spitzenklasse-Spieler auf der Höhe ihres Schaffens.
Jiangsu Suning holte den Brasilianer Ramires vom FC Chelsea (32 Mio.) Gervinho wechselte für 18 Millionen vom AS Rom zu Hebei China Fortune, Shanghai SIPG schnappte sich Elkeson für 18 Millionen Euro. Am Brasilianer waren auch einige Topklubs aus Europa dran.
Und am Montag dann der vorerst letzte Hammer: Jackson Martinez, erst im Sommer für 35 Millionen Euro vom FC Porto zu Atlético Madrid gewechselt, spielt ab sofort für Evergrande. Ablösesumme: 42 Millionen Euro.
Damit gehen vier der fünf teuersten Transfers des Winters auf das Konto chinesischer Klubs. Nimmt man die zweite chinesische Liga noch dazu, steht rund eine Viertelmilliarde an Ausgaben nur für Transfers.
Zweitligist Tianjin Quanjian, hinter dem ein Produzent traditioneller chinesischer Medizin steckt, hat bisher 13 Spieler gekauft und dafür 30 Millionen Euro ausgegeben - mehr als die Bundesliga.
"Was China veranstaltet, ist fast schlimmer"
Die Chinesen pflastern mit ihrem Geld alles zu und glaubt man Augsburgs Präsident Klaus Hofmann, war dies erst der Anfang. "Ich glaube, dass es im Sommer eine Riesen-Abwanderung geben wird. Und zwar in westliche und in östliche Richtung. Nicht nur nach England. Was China veranstaltet, ist fast schlimmer."
Das Spielniveau in der Chinese Super League ist schwach, die Nationalmannschaft dümpelt in der Weltrangliste hinter Haiti und Libyen auf Rang 82.
Die Grösse des Landes lässt bis auf die professionellen Ligen keinen geregelten Spielbetrieb zu, mit Turnieren und Auslandsreisen versuchen die Klubs im Jugendbereich die enorm grosse Lücke zu anderen Nationen zu schliessen.
Bis die Massnahmen aber greifen, bis in der Liga und im Verband professionelle Strukturen geschaffen sind, vergehen mindestens zehn, eher 15 Jahre. Das prophezeit zumindest Marco Pezzaiuoli, der ehemalige Hoffenheim-Coach ist als Nachwuchskoordinator bei Guangzhou Evergrande ganz nah dran an der Basis.
Mit Geld allein wird der Fussball auch in China nicht zu retten sein. Die Spuren des grossen Korruptionsskandals von 2003 haben bis heute Narben hinterlassen.
Derzeit sind lediglich etwa 10.000 aktive Fussballspieler gemeldet, die teuren Stars aus Südamerika, Afrika und Europa sollen die eigene Liga aufpäppeln und endlich auch wieder die Stadien füllen.
Der Zuschauerschnitt liegt bei 18.000 pro Partie - wenn zeitgleich die Premier League im Fernsehen läuft, noch deutlich darunter.
Noch ist nicht Schluss
Spektakuläre Spieler sollen die Liga attraktiv machen, der Verband will in nicht allzu ferner Zukunft eine Weltmeisterschaft austragen. Unter anderem dafür hat die Dalian-Wanda-Group vor einem Jahr den europäischen Sportrechte-Giganten Infront Sports & Media aufgekauft.
Die Premier League hat im Winter 255 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben und damit ziemlich genau 50 Millionen mehr als die Super League. Die wird aber auch diesen Rekord vermutlich noch knacken.
In China schliesst der Markt erst am 26 Februar. Das nächste grosse Ding soll nicht zufällig eine Ikone aus England sein.
John Terry habe Angebote von mehreren chinesischen Klubs. Eigentlich wollte der Veteran seine Karriere in den USA ausklingen lassen. Jetzt sei sich der Spieler aber nicht mehr ganz so sicher.
Kolportierte 24 Millionen Euro Jahresgehalt könnten für den 36-Jährigen durchaus Anreiz genug sein.
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