Der englische Fussball droht in der Coronakrise sein Ansehen bei den Fans einzubüssen. Schuld daran hat nicht zuletzt das Verhalten des FC Liverpool. Denn trotz eines satten Gewinns drängt sich der Verein in ein Rettungsprogramm der Regierung.

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Englische Fussballfans sind ein zäher Haufen. Sie haben schon viele sportliche Krisen überstanden. Sie haben sich daran gewöhnt, dass viele Traditionsklubs inzwischen Scheichs und Oligarchen gehören. Und sie nehmen hin, wenn auch zähneknirschend, dass die Tickets für den Besuch der Stadien jedes Jahr teurer werden und Fussball damit nicht mehr der Sport der Working Class ist, sondern ein massentaugliches Spektakel.

Dennoch halten die Anhänger ihren Klubs die Treue. Und als die treusten Fans gelten seit jeher die des FC Liverpool. "You'll never walk alone" - die Fans lassen ihren Verein auch in den dunkelsten Zeiten nicht im Stich. Vielleicht lässt sich so auch erklären, weshalb der Aufschrei in Liverpool derzeit besonders laut und besonders hasserfüllt ist.

Liverpool schickt Mitarbeiter in Zwangsurlaub

Am Samstag hatte der LFC in einem Schreiben mit dem unauffälligen Titel "Covid-19 Update" mitgeteilt, rund 200 Mitarbeiter des Klubs in den Zwangsurlaub zu schicken. Dabei nutzt der Vereinseigner, die Fenway Sports Group (FSG) ein Notfall-Programm der britischen Regierung zur Rettung von Arbeitsplätzen. 80 Prozent der Löhne zahlt dabei der Staat, den Rest schiesst der Klub zu, sodass die Angestellten keine finanziellen Nachteile erleiden.

Spieler und Trainer werden weiterhin voll bezahlt.

Liverpool ist nicht der einzige Verein, der sich staatliche Hilfen in Anspruch nimmt. Auch Tottenham Hotspur, Norwich City, Newcastle United und AFC Bournemouth verfahren ähnlich.

Dennoch ist der Imageschaden für den FC Liverpool bei Weitem am grössten. Klub-Legende Didi Hamann twitterte kurz nach Veröffentlichung der Pläne, er sei überrascht, dass sich der Klub das sogenannte "Furlough Scheme" der Regierung zunutze mache. Dafür sei dieses nicht gedacht. "Das widerspricht den Moralvorstellungen und Werten des Klubs, wie ich ihn kennengelernt habe."

Und Stan Collymore, ebenfalls ein ehemaliger LFC-Spieler, glaubt, dass jeder Fan des Klubs "angewidert" sein dürfte.

Immerhin hat Liverpool noch im Februar einen Gewinn von 42 Millionen Pfund (rund 50 Millionen Euro) vor Steuern, bei einem Umsatz von 627 Millionen Euro, verkündet.

Ein anonymer Mitarbeiter des Klubs spricht gegenüber der BBC aus, was nun viele denken: "Der Club bezeichnet die Mitarbeiter als Familie. Ich fühle mich nicht wie ein Familienmitglied."

Und das "Liverpool Echo", das Haus- und Hofmedium des Klubs, nennt das Vorgehen ein "spektakuläres PR-Eigentor" und eine "sehr schlechte Idee".

Rudert Liverpool wie Adidas zurück?

"You'll never walk alone" - davon scheint gerade nicht mehr viel übrig. Der Verein wirkt gierig und nur auf wirtschaftliche Vorteile bedacht. Viele dürften sich an die Diskussion um Liverpools früheren Ausrüster Adidas erinnert fühlen, der in der Coronakrise ankündigte, Mietzahlungen einzustellen. Nach einem Shitstorm gewaltigen Ausmasses ruderte Adidas zurück.

Es bleibt abzuwarten, wie der FC Liverpool auf die Kritik reagieren wird - und ob die Spieler und vor allem auch Trainer Jürgen Klopp noch länger die Füsse still halten werden. Schliesslich beschädigt der Klub mit seinem Vorgehen auch ihr Ansehen.

Schwierige Situation für Klopp

Von Klopp weiss man, wie wichtig ihm das Gemeinwohl ist, wie sehr ihm die Fans am Herzen liegen. Als einer der Wenigen im Fussballgeschäft fand er Mitte März in einem offenen Brief die richtigen Worte, um den Menschen klarzumachen, dass Fussball gerade einfach nicht wichtig ist.

"Denkt an die Verletzlichen in unserer Gesellschaft und handelt, wo möglich, mit Mitgefühl für sie. Passt bitte auf euch auf und achtet aufeinander", schrieb Klopp noch vor drei Wochen - und nun handelt sein eigener Klub diesen Worten zuwider.

Der FC Liverpool konterkariert auch die Bemühungen seines Kapitäns Jordan Henderson, der gerade zusammen mit den anderen Mannschaftsführern der Premier League einen Fonds auf die Beine stellt, der Millionen für den National Health Service (NHS) einbringen soll.

Spieler wollen keinen Gehaltsverzicht

Im englischen Fussball passt derzeit aber vieles nicht zusammen. Denn auch der Streit um die Spielergehälter eskaliert jeden Tag ein bisschen mehr. Während in Deutschland, Spanien und Italien Spieler der Top-Ligen auf Gehalt verzichten, weigern sich die englischen Profis bislang.

Die Argumentation der Spielergewerkschaft PFA: Der englischen Regierung würden bei einem Einschnitt von 30 Prozent rund 200 Millionen Pfund Steuergelder verloren gehen. "Das würde auf Kosten unseres nationalen Gesundheitsdienstes NHS oder anderen staatlich-unterstützten Diensten gehen", erklärte die PFA.

Der FC Liverpool und auch andere Vereine, die sich an Steuergeldern bedienen, aber auch Spieler, die angesichts der anhaltenden Coronakrise Solidarität vermissen lassen, fügen dem Ansehen des Fussballs in England erheblichen Schaden zu. Es wird sich zeigen, ob die Liebe der Fans auch diese Krise übersteht.

Disclaimer: Drei Stunden nachdem der Text veröffentlicht wurde, ruderte der FC Liverpool zurück. Der Vorsitzende des Klubs, Peter Moore, entschuldigte sich in einem offenen Brief und erklärte, man wolle die Mitarbeiter nun doch nicht in den Zwangsurlaub schicken.

Verwendete Quellen:

  • Website des Liverpool FC: "Liverpool FC statement: COVID-19 update"
  • Website des Liverpool FC: "Jürgen Klopp's message to supporters"
  • Liverpoolecho.co.uk: "FSG must accept criticism after controversial Liverpool furlough decision - but they can still change"
  • Thetimes.co.uk: "Wayne Rooney: Of course I’d give up my pay – but Matt Hancock and the Premier League are so out of order"
  • Theguardian.com: "Jordan Henderson setting up Premier League coronavirus fund for NHS"
  • Manager-magazin.de: "Rekordtransfer, Salah verlängert - Liverpool macht trotzdem 50 Millionen Euro Gewinn"
  • FAZ.de: "Klopps FC Liverpool erntet veritablen Shitstorm"
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