Um das Geschäft im englischen Fussball gibt es in diesen Tagen einen Riesenwirbel. Nationaltrainer Sam Allardyce musste jetzt seinen Hut nehmen, weil er Ratschläge erteilt haben soll, wie man Regeln beim Spieler-Transfer illegal umgehen kann. Doch damit nicht genug. Nach der Entlassung des 61-Jährigen stehen die nächsten Skandale ins Haus. Korruption und Betrug scheinen auf der Insel ungeahnte Ausmasse anzunehmen.

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Es geht bei diesen Geschäften um viel Geld, denn die englische Premier League ist die reichste Fussball-Liga der Welt. In diesem Sommer ist laut einem Bericht des "Handelsblatt" die Rekordsumme von 1,17 Milliarden Pfund (1,35 Milliarden Euro) für Spielertransfers geflossen. Doch nach und nach kommen Informationen ans Licht, die zeigen, dass es in der Vergangenheit nicht immer mit rechten Dingen zuging.

Nationaltrainer Sam Allardyce tappte in die Falle

Nur 68 Tage nach Allardyces Berufung als Nationaltrainer muss der englische Fussballverband, die Football Association (FA), schon wieder einen neuen Teammanager einstellen. Der Grund: Allardyce war im August in die Falle von Reportern des "Daily Telegraph" getappt. Als Investoren getarnt sollen die Journalisten dem Coach Tipps für die Umgehung der Transferregeln von FA und FIFA entlockt haben. Währenddessen sei der 61-Jährige gefilmt worden – und ist damit nicht der erste englische Nationaltrainer, der Opfer von Undercover-Journalisten wurde.

Allardyce soll im Zuge dessen sogar einen Beratervertrag unterschrieben haben, der ihm 461.000 Euro einbringen sollte. Ein klarer Verstoss gegen das Verbot der "Third-Party-Ownership"-Regel.

Was ist die "Third-Party-Ownership"-Regel?

Mit dem 2008 eingeführten Verbot der "Third-Party-Ownership"-Regel wollte die FA ursprünglich verhindern, dass ein Agent oder ein Investor "Anteile" an einem Spieler kauft und bei dessen Wechsel zu einem anderen Club mitkassiert. Bei der Regel handelt es sich um eine illegale Absprache zwischen Vereinen und einer Sportagentur oder einem Privat-Investor. Im Zuge dieser Vereinbarung erwirbt die dritte Partei eine wirtschaftliche Beteiligung am Transfer eines Fussballers. Diese Regelung wird auch als "Sklaverei" bezeichnet, da vor allem junge Spieler auf diese Weise schnell zum Spielball der Investoren werden.

Allardyce, Pagliara, Cellino - es stecken noch mehr mit drin

Nicht nur Allardyce, auch einige Spieleragenten seien dabei gefilmt worden, wie sie davon erzählen, Premier-League-Trainer für Transfers bezahlt zu haben. Der italienische Agent Pino Pagliara gehört laut eigenen Angaben dazu. Er wurde 2005 wegen Spielmanipulation für fünf Jahre vom Profifussball-Geschäft ausgeschlossen. Gegenüber den Undercover-Journalisten soll Pagliara von "gierigen" Managern gesprochen und von Codes zwischen ihnen und den Agenten erzählt haben.

Es ginge dabei um Deals, die "unter der Hand" abliefen. Laut Pagliara sollen insgesamt acht Premier-League-Trainer Schmiergeld im Transfer-Skandal genommen haben. Manche davon seien ehemalig, manche noch aktiv. Fünf davon habe Pagliara selbst bezahlt, berichtet der "Daily Telegraph". Obwohl die Zeitung bislang keine Namen aus der Premier League genannt hat, soll Ex-Nationaltrainer Allardyce in dieser Geschichte angeblich ebenfalls eine grössere Rolle spielen.

Doch auch Trainer und Funktionäre von englischen Zweitligisten müssen nun Stellung beziehen, nachdem sie in die Reporter-Falle getappt sind: Gegen Trainer und Ex-Stürmerstar Jimmy Floyd Hasselbaink haben die Queens Park Rangers Untersuchungen eingeleitet. Assistenz-Coach Tommy Wright vom FC Barnsley wurde bis auf Weiteres suspendiert.

Der (bisher) grösste Namen, der in diesem Zusammenhang gefallen ist: Massimo Cellino. Der Vereinsbesitzer von Leeds United muss sich nun gegen Vorwürfe wegen Beihilfe zur Umgehung von Transferbestimmungen verantworten. Alle drei haben bislang bestritten und die Anschuldigen zurückgewiesen.

Die Folgen des Skandals

Der englische Fussball droht nun in einem Korruptions-Sumpf zu versinken. Der Image-Schaden dürfte schon jetzt kaum reparabel sein und könnte sich noch verschärfen. Die Empörung auf der Insel ist jedenfalls gross. Sturm-Legende Alan Shearer äusserte sich gegenüber der BBC: "Ich dachte, England könnte nicht mehr tiefer sinken als bei der EURO 2016. Doch bitteschön, wir sind die Lachnummer im Weltfussball." Die Ermittler dürften nun jeden Winkel der Clubs durchleuchten und dort jeden Stein umdrehen, bis die Sache geklärt ist. Dabei bekommen sie tatkräftige Unterstützung.

Ist das nur die Spitze des Eisbergs?

Wahrscheinlich. Der "Daily Telegraph" hat bereits für die kommenden Tage neue Enthüllungen angekündigt. Das Blatt habe "umfassende Beweise" für Korruption im englischen Profi-Fussball gefunden, hiess es. Zudem hat die Zeitung zugestimmt, ihre aufgezeichneten Transkripte und Filmaufnahmen an die FA und die britischen Behörden weiterzuleiten. Der englische Fussballverband muss sich also womöglich auf einen schmutzigen Bestechungsskandal gefasst machen, dessen ganzes Ausmass momentan nur gemutmasst werden kann.

Für Interims-Nationaltrainer Gareth Southgate dürfte das Debüt im Wembleystadion am 8. Oktober gegen Malta in der WM-Qualifikation derweil alles andere als leicht werden. Laut einer FA-Mitteilung vom 27. September soll Southgate den Weltmeister von 1966 für die kommenden vier Spiele betreuen. Parallel dazu werde ein neuer Coach gesucht. Doch die Liste der möglichen Kandidaten für diesen Posten wird aus gegebenem Anlass vermutlich immer weiter schrumpfen.

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