Früher wurde über Ablösesummen im Fussball lediglich spekuliert. Heute lassen sich die Verträge einfach im Internet herunterladen. Zu verdanken ist dies der Enthüllungsplattform "Football Leaks". Die Mächtigen des Fussballs zittern vor weiteren Veröffentlichungen.
Nun weiss die ganze Welt, wie viel Geld Toni Kroos bei Real Madrid verdient. Sein Jahresgehalt beträgt 10,9 Millionen Euro. Für eine Nominierung zum Weltfussballer gäbe es 1,8 Millionen Euro als Bonus. Möchte er Madrid vor dem Vertragsende im Sommer 2020 verlassen, würde die festgeschriebene Ablösesumme 300 Millionen Euro betragen.
Wer weitere Informationen wünscht, kann sich die Verträge einfach auf "Football Leaks" herunterladen. Dort lässt sich sogar in Erfahrung bringen, an welchen Tagen das Geld überwiesen wird - nämlich immer am 10. Januar und am 10. Juli.
Der deutsche Nationalspieler ist nicht der erste Fussballer, der seine Arbeitspapiere im Internet wiederfindet. Seitdem "Football Leaks" im September 2015 erstmals online ging, wurden rund 80 Verträge veröffentlicht.
Veröffentlichung ist eine Straftat
Die Identität der Macher ist nicht bekannt. Und das aus gutem Grund: Die Veröffentlichung der Verträge gilt als Straftat. Ein Polizeisprecher aus Portugal, wo die Betreiber der Seite angeblich herkommen sollen, sagte gegenüber der spanischen Sporttageszeitung "AZ", es handele sich um eine "internationale Verbrecher-Organisation."
Dem "Spiegel" gelang es immerhin, per Mail ein Interview mit den Enthüllern zu führen. "Wir selbst sind grosse Fussballfans und wollen in erster Linie anderen Fussballfans helfen, dieses verschlossene Fussballgeschäft besser zu verstehen", verriet der Sprecher von "Football Leaks", der sich "John" nennt:
"Klauseln, Verträge, Beraterhonorare - all das ist im Fussball tabuisiert. Der Sport braucht eine öffentliche Diskussion, um sich von dieser Geheimniskrämerei zu lösen."
Tatsächlich haben die Enthüllungen für viel Furore gesorgt. So wurde zum Beispiel den langjährigen Spekulationen, ob
Im Vertrag steht sogar, dass öffentlich eine niedrigere Ablösesumme kommuniziert wird. Vermutlich um Ronaldo die Illusion zu lassen, er sei mit einer Transfersumme von einst 96 Millionen Euro noch immer der wertvollste "Ball-Künstler".
Dass nun die Wahrheit an das Tageslicht kam, dürfte Ronaldo genauso wenig gefallen wie der Vereinsführung.
Überhaupt zählt Real Madrid zu den Hauptgeschädigten von Football Leaks. Auch die Transferbedingungen des Wechsels von Mesüt Özil zu Arsenal London im Jahre 2013 sind öffentlich einsehbar.
Die Ablösesumme betrug 44 Millionen Euro. Für jede Spielzeit, in der Arsenal in die Gruppenphase der Champions League einzieht, gibt es eine Million obendrauf.
Weitere Details: Sollte Arsenal Mittelfeldspieler Özil an einen spanischen Verein verkaufen wollen, müsste Real darüber informiert werden, um mit dem Angebot gleichziehen zu können. Wird Özil für mehr als 50 Millionen an einen spanischen Verein verkauft, streicht Real 33 Prozent der Differenz ein.
Wie viel Geld Manchester United für ein 19-jähriges Mega-Talent auf den Tisch legt, lässt sich auf der Enthüllungsplattform ebenfalls einsehen. Für Anthony Martial zahlte der englische Top-Verein 50 Millionen Euro an den AS Moncao.
Sollte der Stürmer bis zum Vertragsende im Sommer 2020 insgesamt 25 Pflichtspieltore schiessen, 25 Länderspiele absolvieren oder zum Weltfussballer nominiert werden, gäbe es jeweils zusätzliche 10 Millionen. So könnten aus den 50 Millionen ganz schnell 80 Millionen Euro werden.
Dokumente aus unterschiedlichen Quellen
Wie Football Leaks an die Verträge gelangt, ist nicht bekannt. Die Macher behaupten jedenfalls, niemanden gehackt zu haben. Stattdessen würden die Dokumente von unterschiedlichen Quellen ihres Netzwerkes stammen.
"Wir wollen, dass das Transfersystem transparenter, dass der Einfluss von Spielerberatern und Investmentfonds, die zunehmend den Fussball beherrschen, verringert wird", verraten die Macher im "Spiegel"-Interview.
Dass Spielerverträge an die Öffentlichkeit gelangen, ist nicht neu. Anfang 2014 wurden zum Beispiel die Arbeitspapiere des deutschen Innenverteidigers Jonathan Tah publik, der damals noch beim Hamburger SV unter Vertrag stand.
Doch das waren Einzelfälle. Dass nun eine geheime Organisation laufend neue Verträge zum Herunterladen bereitstellt, ist eine nie gekannte Bedrohung für die Mächtigen des Fussballs.
Die Veröffentlichungen hatten für einen Verein bereits ernste Folgen: Der niederländische Erstligist Twente Enschede wurde für drei Jahre von allen internationalen Wettbewerben ausgeschlossen. Grund ist ein Verstoss gegen die Vorschriften zur Zusammenarbeit mit Investoren.
Bekannt wurde das durch Football Leaks. Der Meister aus dem Jahre 2010 dürfte nicht der letzte Verein sein, für den die Enthüllungsplattform zum Problem wird, weil sie unangenehme Fragen provoziert.
Kein Wunder also, dass die Betreiber laut eigener Aussage vielen Attacken ausgesetzt sind. Privatdetektive wurden angesetzt, und Hacker-Angriffe habe es gegeben. Sogar der russische Provider soll unter Druck gesetzt worden sein, die Cloud zu schliessen. Bislang blieben die Aktionen ohne grösseren Erfolg.
Die Macher kündigten an, noch über 500 Gigabyte Material zu besitzen und ständig neues hinzuzubekommen. "Wir versuchen, jeden Tag zwei Dokumente online zu stellen", verriet "John" im "Spiegel". Für neugierige Fussballfans klingt das wie ein Segen, für Vereinsoffizielle, Berater und Spieler wie eine Drohung.
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