Gareth Bale war mal der teuerste Fussballspieler der Welt und eine Säule bei Real Madrid. Dann wurde der 30-Jährige zum Auslaufmodell, das die Königlichen sofort verlassen sollte. Am Wochenende stand er nun völlig überraschend in Reals Startelf - und überzeugte. Die Geschichte einer Transfer-Posse.

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Es gab mal eine Zeit, da war Gareth Bale ein sehr nützliches Werkzeug für Zinedine Zidane. Es waren noch die Ronaldo-Jahre in Madrid, als da eine Mannschaft auf dem Platz stand, die zu elft ihre Angriffe fuhr, aber nur zu zehnt verteidigte.

Cristiano Ronaldo hatte diese Ausnahmestellung zusammen mit Leo Messi exklusiv, nur Real Madrid und der FC Barcelona konnten es sich leisten, eine komplette Mannschaft für ihre beiden Stars schuften zu lassen, damit diese dann im eigenen Ballbesitz Sprint an Sprint, Dribbling an Dribbling und Torschuss an Torschuss reihen konnten. In Barcelona ist das immer noch so, in Madrid seit einem Jahr nicht mehr.

Gareth Bale war stets auch einer, der rackern musste für CR7, der die Drecksarbeit verrichten musste, penibel und sauber im Spiel gegen den Ball arbeitete. Und der damit in das Zidane-Konzept der früheren Jahre perfekt passte.

Reals Spiel war mit dem Franzosen an der Seitenlinie nie auf totale Dominanz und Ballbesitz ausgelegt, sondern auf Dynamik, Geschwindigkeit und schnelle Umschaltmomente. In diesen Phasen konnten die Granden im Angriff glänzen, Karim Benzema als Stossstürmer und CR7 und Bale drumherum wie zwei Naturgewalten, die förmlich durch die gegnerischen Reihen hindurch flogen.

Keiner will Bale mehr haben

Ronaldo und Bale, das war eine Art Hassliebe. Bale stand eigentlich immer im Schatten des Portugiesen, lediglich nach wichtigen Toren wie im Finale der Copa del Rey gegen Barca oder später bei seinem Fallrückzieher im Champions-League-Endspiel gegen Liverpool konnte der Waliser Ronaldos Phalanx ein wenig aufbrechen.

Aber andererseits lebten beide auch eine vernünftige Symbiose, schafften gegenseitig Räume, legten sich ab und an sogar ein paar Treffer auf. Nach Ronaldos Abgang vor etwas mehr als einem Jahr dachten die meisten, dass Bale nun so richtig aufblühen würde im königlichen Dress, dass er sich in die Herzen der Fans spielen würde, die ihn mit liebem Applaus, aber selten mit Standing Ovations bedacht hatten. Aber genau das Gegenteil war der Fall.

Aus 21 Toren in der Vor-Saison wurden 14 und nur sieben Assists, es war Bales zweitschlechteste persönliche Bilanz in sechs Jahren in Madrid und gefühlte Lichtjahre entfernt von seiner Premieren-Saison mit 22 Toren und 19 Vorlagen.

Die eigenen Fans pfiffen ihn teilweise gnadenlos aus. Und deshalb, so die unmissverständliche Botschaft seines Trainers, soll nun eigentlich Schluss sein in Madrid. Nach dem verlorenen Testspiel gegen die Bayern vor einigen Wochen wies Zidane dem Spieler öffentlich die Tür. "Wir hoffen, dass er uns bald verlässt - wenn das morgen ist, ist das sogar noch besser", sagte Zidane damals und liess nun wirklich keinen Raum mehr für Spekulationen oder eine andere Deutung als: Du bist hier nicht mehr erwünscht.

Für eine Million pro Woche nach China

Das ohnehin schon angespannte Verhältnis der beiden war spätestens von diesem Zeitpunkt an gar keines mehr, die Replik des Bale-Lagers liess natürlich nicht lange auf sich warten.

"Zidane ist eine Schande, so über jemanden zu sprechen, der so viel geleistet hat für Real", keifte Bales Berater Jonathan Barnett bei "ESPN" zurück. "Sollte er wirklich gehen, dann nur, weil es im besten Interesse von Gareth ist. Es hat nichts damit zu tun, dass Zidane ihn rausdrücken will."

Nur: Bale will offenbar gar nicht so richtig gehen. Ausserdem schob Real einem Wechsel zu Jiangsu Suning in die chinesische Super League und damit in völlig neue Dimensionen des Geldverdienens einen Riegel vor.

Bale sollte bei den milliardenschweren Chinesen offenbar mehr als eine Million Euro verdienen. Nicht pro Monat, sondern in der Woche - was den mittlerweile 30-Jährigen zum bestbezahlten Fussballer der Welt gemacht hätte. Und was Bale dann tatsächlich auch zu einem Wechsel bewogen hätte.

Die abenteuerliche Behauptung, Real wolle Bale diesen Triumph aber nicht gönnen und verhinderte deshalb den Transfer, stand im Raum. In Wirklichkeit war der Grund wohl viel lapidarer:

Die kolportierte Ablösesumme von 30 Millionen Euro war zu niedrig. Nun haben die Königlichen weiter das Problem, einen Abnehmer für den allenfalls noch geduldeten Spieler zu finden. Und das ist gar nicht so einfach. Bale soll in Madrid 15 Millionen Euro pro Jahr verdienen, grössere Gehaltskürzungen sind aus Spielersicht eher nicht vorgesehen.

Bale wird zur Teilzeitkraft

Dabei war Bale in den letzten vier Jahren immer wieder verletzt, am Oberschenkel, in der Wade, an der Hüfte, im Sprunggelenk, an den Adduktoren und am Knöchel. Nur 79 Spiele in La Liga bestritt er in dieser Zeit, also rund die Hälfte.

In der letzten Saison waren es auf dem Papier zwar wieder etwas mehr, da war Bale aber spätestens nach Zidanes Rückkehr allenfalls noch Teilzeitkraft. Nach einem fantastischen Start mit sechs Scorerpunkten aus den ersten vier Spielen unter dem damaligen Coach Julen Lopetegui sackte Bales Leistungskurve förmlich in sich zusammen. Am Ende war er eher Tourist als Mitglied der Mannschaft und machte aus seiner Gleichgültigkeit auch selten ein Geheimnis.

In der Mannschaft hat sich der Spitzname "der Golfer" längst etabliert, weil Bale lieber auf den Anlagen rund um Madrid und in seinem eigenen Garten abhing, als sich um seinen Beruf zu kümmern.

Auf Bales Anwesen befindet sich ein Drei-Loch-Golfplatz. Torhüter Thibaut Courois berichtete zudem, dass Bale einen Teamabend mit der Mannschaft geschwänzt habe, weil ihm der Termin zu spät war.

Auch nach sechs Jahren in Spanien habe sich der Waliser nicht an die Gepflogenheit gewöhnt, spät zu essen und auch später ins Bett zu gehen. Er - und auch Toni Kroos - hätten den Abend deshalb verpasst, Bale wollte wie immer um 23 Uhr ins Bett gehen.

Starke Leistung in der Liga - Kommt es zur Wende?

Bale ist in der Mannschaft deshalb nicht erst seit ein paar Wochen isoliert, sein Trainer hat ihm einen Abgang gelinde gesagt ans Herz gelegt, der Klub hätte einen seiner Spitzenverdiener am liebsten gestern als heute von der Gehaltsliste.

Und trotzdem ist Bale immer noch in Madrid. Gerüchte, wonach die Bayern Interesse am Spieler haben könnten, halten sich schon länger. Nach dem Zukauf von Ivan Perisic und Philippe Coutinho vom FC Barcelona dürften die Bayern ihren Bedarf an Aussenbahn- und Flügelspielern aber auch ohne Bale decken.

Also ging Real am Samstag bei Celta Vigo mit seinem Sorgenkind in dessen siebte Saison - und es kam zur grossen Überraschung.

Zinedine Zidane gewährte Bale trotz aller Querelen und Aussagen, welche die Causa Bale zu einer veritablen Transfer-Posse machten, einen Platz in der Startelf.

Und noch überraschender: Der Waliser spielte überragend, bereitete bei Reals 3:1-Erfolg unter anderem den Führungstreffer durch Karim Benzema mit einer spektakulären Einzelaktion vor. Die verrückte Geschichte des Gareth B. ist um eine verrückte Wendung reicher.

Stand heute darf Bale also erstmal bleiben, er wird geduldet und soll - wie beim Ligaauftakt geschehen - einfach seinen Job verrichten.

Aber noch ist das Transferfenster ja ein Weilchen geöffnet, die Namen Neymar und Christian Eriksen werden weiter als potenzielle Zugänge gehandelt.

Dann würde Real Gareth Bale wohl sofort wieder abgeben wollen. Die Frage ist halt nur, ob Bale das überhaupt mit sich machen lässt oder in diesem Fall nicht lieber seinen Vertrag bis 2022 aussitzt. Und nebenbei ein bisschen Golf spielt.

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