Der ehemalige türkische Fussball-Profi Hakan Sükür erzählt in einem Interview von seinem Absturz vom gefeierten Fussball-Helden zum Uber-Fahrer in den USA. Schuld an dieser Entwicklung sei laut Sükür das türkische Staatsoberhaupt Recep Erdogan. Sükür sei bedroht und seine Besitztümer konfisziert worden.

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Hakan Sükür ist der wohl grösste Fussball-Profi, der je für die Türkei gespielt hat. Für die Nationalmannschaft erzielte er in 112 Partien 51 Tore und ist damit mit grossem Abstand Rekordtorschütze des Landes.

Der heute 48-jährige Mittelstürmer erzielte in seinen 21 Jahren als Profi (1987-2008) in 689 Spielen 322 Tore. Allein 13 Jahre spielte er beim türkischen Erstligisten Galatasaray Istanbul und erlangte dort Legendenstatus. Mit Galatasaray gewann er achtmal die nationale Meisterschaft und fünfmal den Pokal. Im Jahr 2000 gewann er mit dem erfolgreichsten türkischen Klub ausserdem den UEFA-Pokal.

Wenn man von solch einer Karriere liest, würde man annehmen, der Spieler sei heute ein ähnlich erfolgreicher Trainer, ein TV-Experte oder würde einfach das Leben geniessen. Bei Sükür ist die Lage allerdings anders. Er arbeitet in Washington, D.C. (USA) als Fahrer für Uber, dem Online-Vermittlungsdienst zur Personenbeförderung.

In einem Interview mit der "Welt am Sonntag" gab der Ex-Profi Auskunft über sein Leben nach dem Fussball und wie sehr der türkische Präsident Recep Erdogan ihn offenbar einschränkt.

Hakan Sükür: "Erdogan nahm mir alles"

"Erdogan nahm mir alles", behauptet Sükür in dem Interview. "Mein Recht auf Freiheit, das Recht, mich zu erklären, mich zu äussern, das Recht auf Arbeit." Er habe nichts mehr, nirgendwo auf der Welt, so der Ex-Profi.

In der Türkei habe er Besitz im Wert von Dutzenden Millionen Dollar. Davon sei jedoch alles konfisziert worden. "Ich kann nicht einmal meine Wohnungen vermieten, potenzielle Mieter werden bedroht. Damit ich ganz unten lande, nichts mehr verdienen kann", sagt Sükür.

Auslöser dafür sei der Austritt Sükürs aus der AKP, der Partei des heutigen Präsidenten Erdogan, im Jahr 2013 gewesen. Erst zwei Jahre zuvor, 2011, war Sükür der Partei beigetreten. Sükür ist der Ansicht, die Partei hätte ihn damals nur eingeladen, um von seiner Popularität zu profitieren. Mit dem Parteiaustritt hätten dann die Feindseligkeiten begonnen.

"Die Boutique meiner Frau wurde mit Steinen beworfen, auf der Strasse wurden meine Kinder belästigt. Nach jeder Äusserung, die ich gemacht habe, erhielt ich Drohungen", erzählt der 48-Jährige. Deshalb sei er 2015 in die USA ausgewandert. Dies habe allerdings alles nur noch schlimmer gemacht.

"Als ich weg war, haben sie meinen Vater eingesperrt." Nur wegen einer Krebserkrankung sei er aus der Haft entlassen worden. Der Prozess gegen ihn laufe allerdings weiter, darüber hinaus stehe er unter Hausarrest.

Sükür erzählt ausserdem von einem türkischen Schüler, den er in den USA kennengelernt hat und mit dem er ein Selfie aufgenommen hat. Als der Schüler wieder in die Türkei einreiste, sei das Foto auf seinem Handy entdeckt und der Junge daraufhin 14 Monate in ein Gefängnis gesteckt worden.

Auch Sükür selbst sieht sich in den USA Druck ausgesetzt. Er hätte dort eine Zeit lang ein Café betrieben. "Komische Leute kamen vor mein Café, haben Dombra-Musik gespielt", erzählt er der "Welt am Sonntag". Die in der Türkei so genannte Dombra-Musik wird von der AKP vereinnahmt als "die wahre Musik der Türken". Auf diesen Vorfall hin, berichtet Sükür, sei er unter Polizeischutz gestellt worden. Mittlerweile sei die Lage jedoch besser geworden.

Obwohl er als Held von Galatasaray Istanbul gilt, wurde Sükür im Jahr 2017 entgegen der Stimmen der Mitglieder vom Verein ausgeschlossen. Sükür meint, dies sei nicht, wie in der Öffentlichkeit vermutet, auf Druck des türkischen Sportministers geschehen, sondern auf Druck Erdogans.

Das hält Sükür von Mesut Özils Foto mit Recep Erdogan

Auch zum Foto aus dem Frühjahr 2018, auf dem die Fussballspieler Ilkay Gündogan und Mesut Özil gemeinsam mit Erdogan posieren, hat Sükür eine klare Meinung. "Das Foto finde ich nicht toll, die sollten das Land ehren, für das sie spielen", meint er. Özil und Gündogan rate er, auch in die AKP einzutreten. Dann würden sie erkennen, was die Partei wirklich sei.

Auf die Frage hin, ob er eine Botschaft für Erdogan habe, antwortet Sükür: "Kehre zurück zu Demokratie, Gerechtigkeit und Menschenrechten. Sei einer, der sich für die Probleme der Menschen interessiert. Werde zu dem Präsidenten, den die Türkei braucht."

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