Ein Angebot aus der Elfenbeinküste versetzt das französische Nationalteam der Frauen knapp ein halbes Jahr vor dem Olympischen Fussballturnier im eigenen Land und nur einen Monat vor dem Final Four in der Nations League in Aufruhr. Fast hätte der Fussball der Frauen wieder einmal nur an zweiter Stelle gestanden. Frankreichs Vize-Verbandspräsident Jean-Michel Aulas versteht die Aufregung nicht.

Annika Becker
Eine Kolumne
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Frankreichs Nationaltrainer Hervé Renard ist gerade sehr beliebt, er soll in den letzten Wochen Angebote aus Algerien und Kanada jeweils für die Nationalteams der Männer erhalten haben. Hitzig diskutiert wird aber in der französischen Presse in den letzten Tagen eine ganz andere, ungewöhnliche Offerte: Die Elfenbeinküste spielt gerade beim Afrika-Cup der Männer und entliess während des laufenden Wettbewerbs Nationalcoach Jean-Louis Gasset und dessen gesamten Staff. Dann kamen die „Elefanten“ am selben Tag doch noch eine Runde weiter und der Verband fragte in Frankreich an, ob man Hervé Renard nicht für den Rest des Turniers ausleihen könne.

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Dieser schien der Sache nicht abgeneigt zu sein, obwohl er eigentlich gerade alle Hände voll zu tun haben sollte. Schliesslich finden in rund einem Monat die Finalspiele um den erstmaligen Gewinn der Nations League statt, Frankreich empfängt Deutschland. Da die Französinnen als Gastgeberinnen sowieso für Olympia qualifiziert sind, geht es für sie vor allem um den Titel und ein positives Gefühl vor Olympia. Zur Erinnerung: Bei den Frauen hat das Olympische Turnier traditionell einen sehr viel höheren Stellenwert und es spielen die A-Nationalteams statt einer U23 wie bei den Männern.

Bei der WM 2023 war nach dem Viertelfinale und einem dramatischen Elfmeterschiessen gegen die australischen Ko-Gastgeberinnen Schluss. Sowohl dort als auch in der Nations League setzten die Französinnen sich mit ihrer individuellen Klasse durch, konnten aber nie zu hundert Prozent überzeugen. Zudem gäbe es einen Generationen-Umbruch zu moderieren. Zu tun sein sollte bei einem der besten Nationalteams der Welt also genug.

Hervé Renard: Afrika-Cup-Sieger mit der Elfenbeinküste 2015

Renard war trotzdem überzeugt, dass eine kurzfristige Tätigkeit für die Elfenbeinküste schon mit seinem Amt als französischer Nationaltrainer zu vereinen gewesen wäre. Wenn Verbandspräsident und Ministerpräsident ihn fragten, stünde ihm ein "Nein" nicht zu und er hätte es wirklich gerne gemacht. Renard führte die Elfenbeinküste 2015 im Afrika-Cup zum Titel, dem ersten seit 1992. Die Verbindung ist also klar.

Zu erwarten gewesen wäre aber, dass der französische Verband eine klare Absage erteilt. Stattdessen wurde erstmal verhandelt. Wie Frankreichs Vize-Verbandspräsident Jean-Michel Aulas der L’Équipe erzählte, sei das Zustandekommen einer 10-tägigen-Leihe letztendlich daran gescheitert, dass die Elfenbeinküste nicht genug Geld geboten habe.

Er habe vor diesen Verhandlungen mit den Spielerinnen und ihren Beraterinnen gesprochen, keine negativen Rückmeldungen bekommen und erst dann die Verhandlungen aufgenommen, so Aulas. Man kann sich freuen, dass die Spielerinnen wenigstens gefragt wurden. Tatsächlich aber ist es ein weiteres Beispiel für das unnötige Abwälzen von Entscheidungsdruck auf Spielerinnen. Ist es für sie wirklich ohne negative Konsequenzen möglich, "Nein" zu sagen? Bei einem Verband, der sehr lange gebraucht hat, um sich letztes Jahr endlich hinter die Spielerinnen zu stellen und nach Jahren der Streitereien und Vorwürfe die damalige Nationaltrainerin Corinne Diacre zu entlassen?

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"Würde sich das jemand trauen, wenn es um ein Männer-Team ginge?"

Der absolute Gipfel der Unverschämtheit ist, dass Aulas in seinen Aussagen bei der L’Équipe andeutet, man könne eine mögliche Leihe nur kritisch sehen, wenn man gewohnt sei, den Fussball der Frauen an zweiter Stelle zu sehen – und dann gleichzeitig aber diese Hierarchisierung fortsetzt. Es sei unglaublich, dass eine grosse Fussballnation wie die Elfenbeinküste den Trainer eines Frauenteams zu sich holen wolle, das werte die Entscheidung pro Renard auf und letztendlich sei der Trainer eine Aufwertung für Verband und Team.

Dieses Denken, dass der Fussball der Frauen nur ein Sprungbrett für Trainerinnen und Trainer ist, um den Gipfel, den Fussball der Männer, zu erreichen, weil nur von dort Wertschätzung zu bekommen sei, gehört endlich eingemottet. Spielerinnen und Trainerinnen sind es leid. Bestes Beispiel ist Sarina Wiegman, die nach ihren Erfolgen mit Englands Frauen als Trainerin der Männer ins Gespräch gebracht wurde. Sie bekannte sich erstens klar zu ihrem jetzigen Team und wehrte sich zweitens dagegen, dass ein solcher Schritt als eine Art Aufwertung anzusehen sei.

Klar ist, dass es endlich normal werden muss, dass Frauen auch im Männerbereich trainieren. Nicht weil der das Nonplusultra ist, sondern im Sinne der Gleichberechtigung und weil es umgekehrt schliesslich auch bereits zigfach möglich ist.

Im Fall von Hervé Renard brachte es die ehemalige französische Nationalspielerin Élise Bussaglia laut Eurosport (192 Länderspiele, unter anderem Olympique Lyon und VfL Wolfsburg) perfekt auf den Punkt: "Mal wieder frage ich mich: würde sich das irgendjemand trauen, wenn es um den Trainer einer anderen Auswahl ginge? Und mit andere meine ich: einer männlichen Auswahl? Natürlich nicht! Ich habe es ein wenig satt, dass der Frauenfussball als Unterkategorie des Männerfussballs betrachtet wird."

Es ist schwer vorstellbar, dass ein ähnlicher Fall bei einem Trainer der Männer ohne Konsequenzen bliebe. Welcher Verband, welcher Verein sähe es gerne, wenn einer der wichtigsten Angestellten sich nicht komplett auf seine Aufgabe konzentriert? Da sich Verband und Trainer offenbar so einig waren, wird das in diesem Fall ausbleiben; die Spielerinnen sind vermutlich froh, dass sie nichts gesagt haben. In ihrem Sinne ist das alles aber nicht.

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