Erstmals spricht Weltmeisterin Jennifer Hermoso offen über den erzwungenen Kuss, der sie weltbekannt machte, über Drohungen und ihre Hoffnung auf Veränderungen.
Knapp zwölf Wochen liegt jener Tag zurück, der das Leben von Jennifer Hermoso schlagartig veränderte. Erst der WM-Titelgewinn mit Spanien, der grosse Jubel danach, doch im grössten Moment ihrer Laufbahn dann plötzlich dieser erzwungene Kuss. Hermosos Name ist seit dem Finale von Sydney wohl weltweit bekannt - mit gravierenden Folgen.
Alles, was passiert sei, habe sie "ein wenig aus der Bahn geworfen", sagte die 33-Jährige nun dem Magazin GQ, das sie zu Spaniens "Frau des Jahres" gekürt hat. Erstmals spricht sie in einem Interview offen über die "schwierigen Wochen", über Drohungen, das Schweigen vieler männlicher Kollegen, aber auch über ihre Hoffnung auf gesellschaftliche Veränderungen.
Hermoso erhielt Drohungen
"Ich musste die Konsequenzen einer Tat tragen, die ich nicht provoziert habe, die ich mir nicht ausgesucht habe, auf die ich nicht vorbereitet war", sagte Hermoso. Sie habe "sogar Drohungen erhalten, und das ist etwas, woran man sich nie gewöhnt". Nun wolle sie als eine Person in Erinnerung bleiben, "die Spanien an die Spitze gebracht hat, die aber vor allem versucht hat, die Mentalität zu ändern".
Vieles ist passiert, seit der damalige Verbandschef Luis Rubiales ihren Kopf bei der Siegerehrung gepackt, sie an sich gezogen und ihr einen Kuss auf die Lippen gedrückt hatte. Rubiales ist inzwischen für drei Jahre vom Weltverband Fifa gesperrt, die Behörden ermitteln, im Verband tut sich durch den Druck der Weltmeisterinnen etwas.
Der Zuspruch von vielen Seiten, ob Mitspielerinnen oder Gegnerinnen, half Hermoso, die erst kürzlich ein Traum-Comeback in Spaniens Nationalelf hingelegt hatte. Es habe ihr aber "sehr wehgetan, es immer und immer wieder erzählen zu müssen", sagte die Mexiko-Legionärin, die nach eigenen Angaben noch immer psychologische Hilfe in Anspruch nimmt.
Weitere Fussball-News gibt's in unserem WhatsApp-Kanal. Jetzt abonnieren!
Hermoso vermisst Solidarität männlicher Kollegen
Kritisch sieht sie, dass sich nur wenige männliche Kollegen solidarisierten. "Wenn man ungerechte Situationen sieht, muss man auf der einen oder anderen Seite stehen", sagte Hermoso: "Ihre Unterstützung, ich weiss nicht, ob sie alles einfacher gemacht hätte, aber sie hätte uns sicherlich sehr geholfen."
Grosse Erwartungen setzt sie dafür auf die zu ihrer Unterstützung gegründeten Stiftung "#SeAcabo (Es ist vorbei)". Sie hoffe, "dass dadurch eine neue Ära für den Frauensport anbrechen wird", sagte Hermoso, die zum Gesicht des Wandels werden könnte: "Wenn ich meinen Beitrag leisten muss, Dinge zu ändern, werde ich nicht zögern." (sid/jum)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.