Joey Barton hätte alles haben können. Eine erfolgreiche Karriere als Spieler und als Trainer. Doch nachdem bereits seine Spielerkarriere gewalttätigen Ausbrüchen zum Opfer gefallen war, hat der einmalige Nationalspieler nun einen noch gefährlicheren Weg eingeschlagen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Sabrina Schäfer sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Es gibt im Englischen das Sprichwort "I wouldn't touch him with a ten-foot pole", im Deutschen sinngemäss: "Den würde ich nicht mal mit der Kneifzange anfassen". Wobei man mit einer Kneifzange doch schon recht nah an die entsprechende Person ran muss im Gegensatz zu einer Drei-Meter-Stange, weshalb die Übersetzung nicht ganz akkurat ist. Denn worauf es den meisten Vereinen im englischen Fussball in Bezug auf Joey Barton ankommt, ist der grösstmögliche Abstand zu dieser Person, die es mit ihrer ganz eigenen Toxizität geschafft hat, sich zur Persona non grata zu machen.

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Bartons gewalttätige Ausbrüche

Dabei hatte Bartons Karriere eigentlich vielversprechend angefangen. Von 2003 bis 2007 spielte er für Manchester City, erzielte als Mittelfeldspieler 15 Tore in 130 Begegnungen. Doch spätestens 2004 wurde nicht nur den Klubverantwortlichen klar: Barton ist keiner, der sich besonders gut im Griff hat. Gewalttätige Ausraster ziehen sich durch seine gesamte Karriere.

Eine (unvollständige) Aufzählung:

  • Weihnachtsfeier 2004: Barton drückt eine Zigarre im Auge eines Mitspielers aus. Er muss 60.000 Pfund Strafe zahlen.
  • Mai 2005: Barton bricht einem Fussgänger das Bein, als er mit seinem Auto um zwei Uhr nachts in der Liverpooler Innenstadt unterwegs ist.
  • Juni 2005: Er prügelt sich in Thailand mit einem 15 Jahren alten Everton-Fan. Barton muss darauf hin ein Antiaggressionstraining absolvieren und 120.000 Pfund Strafe zahlen.
  • Mai 2007: Barton greift seinen Mitspieler Ousmane Dabo an, schlägt ihn. Dabo bringt den Vorfall zur Anzeige, Barton wird im Juli 2008 zu vier Monaten Gefängnis auf Bewährung und 200 Sozialstunden verurteilt. Später belegt ihn der englische Verband, The Football Association (FA), zudem mit einer Sechs-Spiele-Sperre.
  • Dezember 2007: Barton wird erneut wegen Körperverletzung festgenommen. Er hatte einen Mann und einen Teenager angegriffen. Dieses Mal kommt er nicht mehr auf Kaution frei und wird im Mai 2008 zu sechs Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Davon sitzt er 74 Tage im Strangeways-Gefängnis in Manchester ab.
  • November 2010: Barton schlägt den norwegischen Fussball-Profi Morten Gamst Pedersen und wird von der FA für drei Spiele gesperrt.

Barton war der augenzwinkernde "Bad Boy" des Fussballs, ein "working class lad", und so lange er halbwegs ordentlich gegen einen Ball trat, wurde ihm alles verziehen. Andere Zeiten ...

Barton - der Andrew Tate des Fussballs?

Inzwischen ist Barton kein Fussballspieler mehr und auch seine Tage als Fussballtrainer dürften der Vergangenheit angehören. Bei Zweitligist Bristol Rovers wurde er vergangenen Oktober entlassen und hat sich seitdem offenbar mit neuer Vehemenz vorgenommen, der Andrew Tate des Fussballs zu werden. Einer also, der ein Männerbild vertritt, in dem Frauen nur am Herd und im Bett Platz haben und ein bösartiger Gegenentwurf zu jedem Anflug von Wokeness.

Bartons favorisierte Plattform: Das unter Elon Musk zum Sammelbecken der "Das wird man wohl noch sagen dürfen"-Fraktion verkommene X, wo Barton 2,8 Millionen Menschen folgen. Dort bläst er ohne Rücksicht auf Verluste seine Misogynie unter dem Deckmantel des "gesunden Menschenverstands" und Meinungsfreiheit in die Welt.

Einen besonderen Hass hat Barton auf Fussballreporterinnen und -expertinnen, denen er jegliche Qualifikation abspricht, über den Fussball der Männer sprechen zu können. Nur ein Beispiel: "Jeder Mann, der den Kommentaren von Frauen zuhört oder mit ihnen mitfiebert, muss sich am Kopf testen lassen."

Dass der Hass, den Barton online über den Expertinnen auskübelt, auch im realen Leben Konsequenzen hat, ist Barton egal. "Ich hatte diese Woche wirklich Angst", erklärte Ex-Nationalspielerin Eni Aluko in einem Instagram-Video, nachdem Barton sie und ihre Kollegin Lucy Ward als das Serienmörderehepaar Fred und Rose West bezeichnet und damit nicht nur für ein gewaltiges Medienecho gesorgt hatte, sondern auch dafür, dass sich viele Gesinnungsgenossen von Barton angestachelt fühlten und die beiden Frauen in den sozialen Medien auf das Heftigste angriffen.

Ex-Nationalspielerin flieht ins Ausland

"Ich habe mein Haus bis Freitag nicht verlassen und jetzt bin ich im Ausland", beschrieb Aluko. "Es ist wirklich wichtig zu sagen, dass Online-Beschimpfungen einen direkten Einfluss auf deine Sicherheit haben und wie du dich fühlst und wie sicher du im realen Leben bist."

Sie habe sich bedroht gefühlt, führt Aluko weiter aus. Sie wolle kein Mitleid, sondern dass die Menschen verstünden, welche Auswirkung Hetze habe. "Den Effekt, den Misogynie auf uns alle, die wir als Frauen im Fussball, bei Sportübertragungen arbeiten, hat." Aluko wird laut "The Athletic" juristisch gegen Barton vorgehen. Auch andere Frauen sollen über diesen Schritt nachdenken.

Bartons Reaktion? Wonne über die Aufregung, die er da kreiert hat. Er werde sie (die Fussballexpertinnen, Anm.d.Red.) ab sofort alle nach Serienmördern benennen, kündigte er an und bediente dann noch ein Narrativ, dass man unter anderem von Donald Trump kennt. Diejenigen, die ihn nun kritisieren, das seien die Feinde der Meinungsfreiheit und er ein Held ebenjener. Und die Medien, die ihn kritisieren, seien ohnehin alle gleichgeschaltet und dem Woke-Wahn verfallen. Bartons Selbstbild lässt keine Zweifel zu. Kritik sieht er als Bestätigung. Wie soll man mit so jemandem umgehen?

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Darum sind Männer wie Barton so gefährlich

Statistiken aus Deutschland zeigen, dass zwei Drittel der Nutzerinnen und Nutzer, die Hassnachrichten erhalten haben, von negativen Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit berichten. Besonders häufig kommt es laut der Amadeu Antonio Stiftung dabei zu emotionalem Stress, 27 Prozent erleben Angst und Unruhe, 19 Prozent berichteten von Depressionen. Manchmal kommt es auch zu Selbstmordgedanken.

Die Berichterstattung über Barton ist auch immer eine Abwägung. Gibt man ihm die Aufmerksamkeit, die er sich so dringend wünscht? Ignoriert man ihn und hofft, dass ihm sein Spiel wie einem ungezogenen Kleinkind irgendwann langweilig wird?

Es ist unwahrscheinlich, dass das funktionieren würde. Männer wie Joey Barton finden ihr Publikum. Andere Männer, die Angst haben, dass ihnen Frauen etwas wegnehmen könnten, was doch ganz lange ihnen alleine gehört hatte und von dem sie annehmen, dass sie deshalb irgendeine Art von Recht darauf haben. Die sich von einem wie Barton bestätigt fühlen, der es ja wohl wissen muss, schliesslich hat er ja mal Profifussball gespielt.

Was bleibt, ist aufzuzeigen, wie gefährlich Männer wie Barton sind. Männer, die unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit Hassnachrichten schreiben und denen die Grenzen und psychische Unversehrtheit anderer Menschen dabei herzlich egal sind, weil es ihnen dabei nur um sich selbst und die Bestätigung ihrer eigenen Ansichten geht.

Frauen im Fussball erleben systematische Misogynie

Leider finden Männer wie Barton im Fussball immer noch zu viel Bestätigung. Chelsea-Trainerin und Bald-US-Nationaltrainerin Emma Hayes fasste die Gemengelage gegenüber "The Athletic" pointiert zusammen: "Man muss sich nur die Frauen im Internet und im Fussballbusiness, ob man Moderatorin, Trainerin oder Spielerin ist, anschauen, um zu begreifen, dass es für uns schon zur Routine geworden ist, mit systematischer Misogynie, Mobbing und anderem problematischem Verhalten umzugehen, das für einen grossen Teil der Fussballöffentlichkeit immer noch normal ist."

Und weiter: "Ich glaube, wenn es um Fussball geht, müssen wir uns im Klaren sein, dass unsere Gesellschaft im Fussball nicht besonders gut repräsentiert wird, sei es in den Medien oder auf oder neben dem Feld. Und wenn man selbst nicht – wie so viele von uns – systematische Misogynie erlebt hat, dann kann man nicht mal für einen kleinen Moment verstehen, wie schädlich einige dieser Aussagen sind. Denn wir wissen, dass alles, was jemand sagt, einfach nur einen Riesenhaufen nach sich ziehen kann, vor allem in den sozialen Medien. Das ist ziemlich normal für viele Fussball-Fans."

Doch auch der Fussball entwickelt sich weiter und während Barton zwar im Internet noch Bestätigung für seine Misogynie erfährt, wird er nach seinen Aussagen wohl kaum mehr im Profifussball arbeiten können. Und das ist ja irgendwie auch schon was.

Verwendete Quellen

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