Besser könnte der Stoff kaum sein: "The Special One", José Mourinho, muss mit dem FC Chelsea unbedingt gewinnen, sonst ist er seinen Job los. "The Normal One", Jürgen Klopp, hält mit dem FC Liverpool dagegen. Was die beiden Startrainer trennt, was sie vereint. Und warum sie sich vielleicht ähnlicher sind, als viele denken.

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Breites Grinsen, schelmisches Lachen, in sich gekehrter Blick. Es ist der 9. Oktober, 10.17 Uhr Ortszeit. Der FC Liverpool stellt Jürgen Klopp als neuen Teammanager vor. Und der Deutsche sagt etwas, was ihn seine gesamte Amtszeit bei den "Reds" begleiten dürfte: "Maybe, I'm the normal one." Vielleicht bin ich der Normale. Es ist eine Anspielung auf José Mourinho, den Trainer des FC Chelsea. Dieser sagte einst: "I'm the special one." Ich bin der Spezielle.

Am Samstag (13.45 Uhr MESZ) kommt es zum Duell der beiden Startrainer in der Premier League. Der Stoff könnte kaum besser sein. Für Mourinho hat das Spiel Showdown-Charakter. Chelsea, der Meister, ist nach fünf Niederlagen aus zehn Liga-Spielen nur 15.. Gewinnt der 52-Jährige nicht, ist er seinen Job los, mutmassen englische Medien. Und das ausgerechnet gegen Klopp.

"Mir gefällt es nicht, wenn sich die Leute freuen, wenn ein neuer Trainer kommt. Mit gefällt das überhaupt nicht", sagte Mourinho zum Hype um den einstigen BVB-Coach. Sind die beiden wirklich so verschieden? Oder sind sie sich näher, als viele denken? Eine Spurensuche.

Diesen Fussball lassen Mourinho und Klopp spielen

Pressing und Gegenpressing sind für Klopps Idee von Fussball massgeblich. Sein Spiel ist kraftraubend. Klopps Mannschaften stehen hoch, drücken, was das Zeug hält. Und sind offen für Gegenstösse. 116 Kilometer liefen seine Spieler bei Tottenham, 640 Sprints gab's oben drauf - zu diesem Zeitpunkt jeweils Saisonrekord.

Mourinhos Fussball ist weniger aufwendig. Anhänger von Ballbesitzstatistiken und Passquoten nahe der 90 Prozent dürften seinen Spielstil als hässlich bezeichnen. Befürworter dagegen nennen Mourinho einen Fussball-Realisten. Sein Team überlässt dem Gegner das Spiel, steht meist tief. Prägend sind knallharte Verteidiger, John Terry zum Beispiel. Vorne sollen es nach notfalls hohen, weiten Bällen Stossstürmer richten, Strafraumwühler, Direktabnehmer, wie der Spanier Diego Costa.

Diese Charaktereigenschaften werden Mourinho und Klopp nachgesagt

Auch hier sind die Unterschiede deutlich. Heisst es zumindest.

Beiden gelten als intelligent und eloquent. Während Klopp mit kessen Sprüchen die Lacher auf seiner Seite hat, ist Mourinho ein Freund der unbequemen Sprache. Auch deshalb wird dem Portugiesen eine grosse Arroganz nachgesagt, die bis hin zur Selbstherrlichkeit reichen soll.

Also: Klopp der Kumpeltyp, Mourinho der Querschläger? Das greift zu kurz. Klopps Laune unterliegt starken Schwankungen. Das äussert sich in einem mitunter überheblichen Auftreten gegenüber Journalisten oder Schiedsrichtern.

Das trennt Mourinho und Klopp

Klopp lässt nichts auf seine Spieler kommen. Selbst der wegen seiner Eskapaden umstrittene Kevin Grosskreutz genoss immer den Schutz seines Trainers. Loyalität zählt.

Mourinho dagegen trennt strikt. Zuletzt stellte Mourinho die Chelsea-Spieler ausnahmslos in Frage, ruderte erst spät zurück. Dennoch gibt es auch Spieler, die - martialisch ausgedrückt - "für ihn sterben würden". Dazu zählen beispielsweise Mourinhos frühere Schützlinge Zlatan Ibrahimovic und Nuri Sahin.

Weiter: die Beliebtheit. Alle feiern Klopp, Dortmund, sein Ex-Klub Mainz, selbst die Bayern, Sozialromantiker unter den Fans sowieso und nun auch England. Mourinho dagegen schilderte jüngst: "Ich habe nicht viele Freunde in der Fussballwelt. In schlechten Momenten zahle ich dafür."

Diese Abneigung teilen Mourinho und Klopp

Journalisten. Mourinho verzettelt sich gerne in Kleinkriegen mit Reportern. "Ich finde, sie als Medienvertreter sollten sich schämen", sagte er im Herbst 2014. Es hiess, er habe sich abwertend über Stürmer Samuel Eto’o geäussert. Mourinho verneinte vehement: "Das ist eine absolute Schande." Später raunzt er einen Journalisten an: "Klick Google anstatt so dumme Fragen zu stellen."

Auch Klopp ist nicht immer höflich. Einst fragt er einen Reporter, ob dieser für das Ressort "Tierfilme" arbeite. Unvergessen: Im April 2014 bricht er nach dem 0:3 gegen Real Madrid in der Champions League ein ZDF-Interview vor Millionenpublikum ab und lässt Moderator Jochen Breyer sowie TV-Experte Oliver Kahn verdutzt im Studio zurück.

Das verbindet Mourinho und Klopp

Die Kritik am System. Beide gehen in die Tiefe, hinterfragen viel. "Meine Welt verändert sich immer mehr, es wird immer schlimmer. Im Fussball gibt es heute eine Geierkultur", sagte Mourinho kürzlich. "Wenn sie glauben, dass etwas passieren kann, fangen sie an zu kreisen. So etwas habe ich nie getan."

Klopp legte sich öffentlich mit dem englischen Fussballverband FA an. Der Grund: Der erst 18-jährige Jordan Rossiter kehrte nach drei Länderspielen in nur fünf Tagen mit einem Muskelfaserriss zurück. "Diese Spieler sind unser Zukunft. Wenn wir mit ihnen umgehen wie mit Pferden, dann werden sie auch zu Pferden. Ich wollte eigentlich nicht gleich an meinem ersten Tag mit der FA reden, aber das ist nicht okay."

José Mourinho und Jürgen Klopp – zwei Startrainer, die sich vielleicht näher sind, als viele denken.

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