Die Gerüchte um Jürgen Klopp und den FC Liverpool bekommen neue Nahrung. Trainer Brendan Rodgers steht enorm unter Druck, die Fans wollen einen Neuanfang. Für den könnte es eigentlich kaum einen Besseren geben als Klopp.

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Ein Urlaub auf Sylt, ein Abstecher zur Basketball-EM, danach erstmals als Nicht-Trainer auf den Tribünen in Lissabon und Mainz, eine Stippvisite auf der IAA und am Wochenende ein kurzer Besuch auf der Wiesn in München: Jürgen Klopp hat sein Sabbatical nicht nur formuliert, er füllt es auch mit Leben.

Seit Anfang Juni ist Borussia Dortmunds Ex-Coach nach 25 Jahren im Profigeschäft auf unbestimmte Zeit ausgestiegen - und doch weiterhin in aller Munde. Im Sommer überschlugen sich die angeblichen Offerten. Real Madrid oder Manchester City seien eine Option gewesen, sogar der FC Bayern München, Manchester United und Juventus wurden mit Klopp in Verbindung gebracht.

Am heissesten aber waren die Gerüchte um einen Wechsel des Umworbenen zum FC Liverpool. Die Reds legten nach der Fast-Meisterschaft im Jahr zuvor eine enttäuschende Saison hin und verpassten erneut die Champions League. Coach Brendan Rodgers war da schon gehörig angezählt, nach der höchsten Klatsche der Liverpooler Premier-League-Geschichte gegen Stoke City (1:6) schien die Entlassung des Nordiren nur noch eine Frage der Zeit.

Rodgers konnte sich halten und steht jetzt, nach gerade einmal sieben absolvierten Spieltagen in England, schon wieder kurz vor dem Rauswurf. Die Fans der Reds haben längst das Vertrauen in den einstigen Überflieger verloren, der mit Swansea City erstmals überhaupt einen walisischen Klub in die höchste englische Spielklasse führen konnte und als aufregendster Trainer Europas galt.

Klopp: Deutschland oder England

Mehr als 200 Millionen Pfund hat Liverpool in den letzten beiden Sommertransferperioden in den Kader gesteckt. Mit dem Ergebnis, dass trotzdem keine Weiterentwicklung zu erkennen ist. Carlo Ancelotti soll deshalb ein möglicher Rodgers-Nachfolger sein - oder eben Klopp.

"Ich denke, England ist das einzige Land neben Deutschland, in dem ich arbeiten sollte. Weil es das einzige Land ist, in dem ich die Sprache ein bisschen beherrsche und die brauche ich für meine Arbeit", sagte Klopp vor einem Jahr in einem Interview mit "BT Sport 1".

Vor wenigen Tagen riefen Liverpool-Fans in den sozialen Netzwerken dazu auf, als Klopp verkleidet dem Heimspiel gegen Aston Villa beizuwohnen. "#KloppForTheKop" war der Hashtag, in Anlehnung an die Stehtribüne "The Kop" im Stadion an der Anfield Road. Nun waren es gegen Villa nicht wirklich viele, die der Aufforderung nachkamen. Trotzdem ist der Wunsch der Fans nach einem frischen, mutigen "Heavy Metal Football" der Marke Klopp besonders sehnlich.

Angebliche konkrete Anfrage

Am Wochenende wollte der "Daily Express" erfahren haben, dass die Verantwortlichen nun endlich auf das Klopp-Management zugegangen seien und eine offizielle Anfrage hinterlegt hätten. Allerdings erwünsche sich Klopp volle Hoheitsgewalt in allen Transferangelegenheiten.

Rodgers wurden zuletzt einige Spieler ohne Rücksprache auf den Hof gestellt, dazu verwehrten die amerikanischen Gesellschafter der Fenway Sports Group um deren Chef John W Henry dem Trainer dessen Wunschspieler Ashley Williams. Bestätigt sind all diese Gerüchte nicht, ebenso verwehrt sich Klopp selbst dagegen. Er habe nichts mit den Liverpool-Gerüchten zu tun.

Trotzdem bleibt das Gefühl, dass es mit dem Kultklub von der Mersey und Klopp so gut passen könnte wie sonst nirgendwo ausserhalb Dortmunds. Die Mentalität der Menschen und das Fan-Potenzial in Liverpool ähneln dem des BVB, der Klub benötigt nach den Jahren des Stillstands unter Rodgers eine neue Ausrichtung, die Mannschaft neuen Schwung. Und die Fans dürstet es zehn Jahre nach dem Wunder von Istanbul, dem letzten grossen Titel, geradezu nach Erfolg.

Liverpool als logische Lösung?

Alle anderen angeblichen Kandidaten des Sommers stehen derzeit gut bis sehr gut da, ausgenommen Juventus, das einen Horrorstart hingelegt hat und nach dem personellen Umbruch der Spitze in der Serie A hinterherhechelt. Aber Italien dürfte nicht der Sehnsuchtsort für einen wie Jürgen Klopp sein. Und in England haben sich die beiden Manchester-Klubs besser aufgestellt; Jose Mourinho sowie Arsene Wenger sitzen bei Chelsea beziehungsweise Arsenal fest im Sattel. Bliebe also noch Liverpool. Aber auch dort dürfte Klopp nur interessiert sein, wenn ihm die eine oder andere Bedingung zugestanden wird.

Zum Beispiel die, dass die komplette sportliche Ausrichtung unter seine Regie fällt. Das Spielsystem der Mannschaft in allen Facetten, das Scouting und ganz sicher auch bis zu einem gewissen Grad die Entscheidungsgewalt bei möglichen Transfers. Klopp wäre - egal bei welchem Klub auch immer - das sichere Signal für einen kompletten Neustart. Ein "Weiter so" wird es mit einem wie ihm kaum geben.

Der FC Liverpool wabert derzeit wie in einer Seifenblase hin und her, von Rodgers einst gefeiertem System ist nicht mehr viel übrig, Ikonen wie Steven Gerrard oder Dani Agger haben den Klub jüngst ebenso verlassen wie Superstar Luis Suarez oder die grosse Nachwuchshoffnung Raheem Sterling. Der FC Liverpool hat aus sportlicher Sicht grosse Stücke seiner Identität verloren, als neuhochdeutscher "Unique Selling Point" bleiben der Mythos und die Fans.

Da wäre es gar keine so schlechte Idee, sich wieder eine leibhaftige Identifikationsfigur zuzuführen. "Ich werde wieder eine Mannschaft trainieren. Das muss aber kein absoluter Topverein irgendwo auf der Welt sein", sagt Klopp. Am Sonntag müssen die Reds ein paar Kilometer rüber zum FC Everton, das Merseyside-Derby steht an. Eine Niederlage gegen die Toffees und Rodgers dürfte seinen Job los sein. "Kein absoluter Topverein" wäre dann auf Trainersuche.

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