Erstmals seit zweieinhalb Jahren und erstmals unter Trainer Jürgen Klopp stehen die Reds wieder an der Spitze der Premier League. Liverpool spielt den aufregendsten Fussball und stellt das gefährlichste Sturm-Trio der Liga, die Euphorie an der Anfield Road schiesst förmlich durch die Decke. Aber noch haben die Reds nichts erreicht. Das weiss auch Jürgen Klopp.
Wenn man die Steigerungsform von Euphorie erleben mag, sollte man dieser Tage vielleicht einen Besuch in Liverpool anstreben. Der Hype um den FC Liverpool und Trainer Jürgen Klopp hat vom ersten Tag dessen Wirkens an der Mersey neue Dimensionen erreicht an einem an Trubel, Hektik und künstlicher Aufgeregtheit wahrlich nicht armen Fussball-Standort.
Und jetzt das: Der FC Liverpool steht wieder an der Spitze der Premier League. Zum ersten Mal seit der "Meisterschaft der Herzen", seit jenem ominösen 27. April 2014, an dem die Träume aller Fans der Red durch Steven Gerrards Tragödie gegen Chelsea einfach so zerplatzten.
Liverpool war damals die beste Mannschaft der Saison, führte drei Spieltage vor Schluss mit fünf Punkten vor Chelsea und drei vor Manchester City. Dann kam Gerrards Ausrutscher, der das 0:2 gegen Chelsea einleitete und die Reds waren nach dieser niederschmetternden Niederlage raus aus dem Titel-Modus.
Erste Tabellenführung unter Klopp
In den zweieinhalb Jahren danach hechelte Liverpool immer wieder der Spitze hinterher, sackte bisweilen bis in tiefste Mittelfeldregionen ab und sah die Konkurrenz aus Manchester und London und sogar Leicester fast schon uneinholbar wieder davonziehen.
Mit
Das famose 6:1 gegen den FC Watford spülte Liverpool auf Platz eins, vorbei am FC Arsenal und Manchester City, die beide nur remis gespielt hatten. Es war eine Machtdemonstration, wie sie die Premier League lange nicht gesehen hatte.
Liverpool pflügte nur so durch die gegnerischen Reihen, am Ende standen 17 Schüsse auf das Tor auf den Statistikzetteln - so viele wie noch seit Beginn der detaillierten Datenerfassung aus der Saison 2003/04. "Das beste Wort, um dieses Spiel zu beschreiben, ist folgendes: Boooooom!", sagte ein sichtlich entzückter Klopp nach dem Spiel gegen Watford.
Spitze in vielen Statistiken
Liverpool hat nun nach knapp einem Drittel der Saison nicht nur die meisten Punkte gesammelt, sondern auch die meisten Siege und die meisten Tore. Nach dem halben Dutzend gegen Watford sind es nun in elf Spielen schon 30 Treffer, die Klopps Mannschaft erzielt hat.
Wie ein Tornado wirbelt Liverpools Angriffs- und Gegenpressingmaschine durch die Liga und niemand an der Anfield Road will sich derzeit noch daran erinnern, wie das vor fast genau einem Jahr war: Als Klopps Mannschaft gegen Crystal Palace vor sich hin stümperte und die Fans in Scharen bereits vor dem Abpfiff das Stadion verliessen.
Moutinho, Roberto Firmino und Sadio Mane sind derzeit das gefährlichste Angriffs-Trio der Liga, zusammen kommen die Drei auf mehr als die Hälfte (16) aller Reds-Tore (30) in dieser Saison.
25 verschiedene Torschützen unter Klopp
40-Millionen-Euro-Mann Mane ist derzeit der heisseste Angreifer Englands, "Und wenn wie noch Luis Suarez hätten, würde der doch nur auf der Bank sitzen", singen sie auf dem "Kop". Aber auch ein Mane in Superform allein reicht nicht. Umso besser, dass Liverpool als Kollektiv so gut funktioniert wie seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr.
Auch gegen Watford trafen wieder fünf verschiedene Torschützen, seit Klopp an der Anfield Road arbeitet, haben unglaubliche 25 verschiedene Spieler schon Tore für die Reds erzielt. Die Anfield Road ist wieder eine Festung, die letzten 19 Pflichtspiele zu Hause gingen nicht verloren, 13 davon gewannen die Reds.
Keine Mannschaft spielt aufregenderen Fussball und steht so sehr für Spektakel wie der FC Liverpool in dieser Saison. Es brauchte einige Monate Anlaufzeit und einige herbe Enttäuschungen wie die beiden Finalniederlagen in der letzten Saison. Aber jetzt läuft der Motor auf vollen Touren.
Es gibt nur ein Problem…
Dass die Defensive der Mannschaft noch nicht auf Titelniveau agiert und bereits 14 Gegentore zugelassen hat, fällt im Moment (noch) nicht so sehr ins Gewicht. Auf Dauer muss Klopp aber die Balance zwischen Angriff und Verteidigung wieder ein wenig zurechtrücken. Auch wenn er in der ihm eigenen Flapsigkeit behauptet: "Wer braucht schon Spiele ohne Gegentreffer, wenn er drei Punkte haben kann?"
"Wir wollen diese Erfahrungen mitnehmen und nutzen", sagte er unmittelbar nach dem verlorenen Europa-League-Finale gegen den FC Sevilla im Mai. "Es wird der Tag kommen, an dem jeder sagen wird: 'Basel war ganz entscheidend für die wunderbare Zukunft des FC Liverpool!'"
Noch ist es langer Weg zum Triumph und die Konkurrenz wird ganz sicher nicht locker lassen und Liverpool jetzt jagen. "Die beiden Manchester Klubs, Arsenal, Chelsea und Tottenham: Mein Gott, das sind starke Teams. Also müssen auch wieder stark sein", sagt Klopp.
Dass der FC Liverpool so stark ist wie in der fast magischen, am Ende aber doch so tragischen Saison 2013/14, sollten jetzt auch die letzten Zweifler erkannt haben.
26 Jahre ist der letzte Meistertitel der Reds jetzt schon her.
Die Hoffnungen auf ein Comeback auf der Siegertafel sind so gross wie nie. "Ich bin der Letzte, der nicht feiert, wenn es etwas zu feiern gibt", sagt Klopp. "Es gibt nur ein Problem: Die Saison ist leider noch nicht zu Ende."
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.