Auch "The Normal One" Jürgen Klopp kann den FC Liverpool nicht im Handumdrehen aus der sportlichen Krise führen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die "Reds" müssen nun geduldig bleiben - und auf ein paar Treffer auf dem Transfermarkt hoffen.

Mehr News zum Thema Fussball

Im Prinzip gibt es zwei Jürgen Klopps auf der Insel. Der eine, der ständig in den Medien und den sozialen Netzwerken präsent ist. Klopps charismatische Art hat es den Engländern angetan, die Titelseiten sind voll mit Geschichten über den Deutschen.

Und dann gibt es noch den anderen Klopp, den schnöden Fussballlehrer. Der ja den FC Liverpool aus der Versenkung holen soll. Der endlich wieder durchdachten, attraktiven und vor allen Dingen erfolgreichen Fussball lehren soll. Nur gestaltet sich diese Aufgabe offenbar schwieriger als angenommen.

Das 0:3 beim FC Watford am Wochenende war mehr als ein Rückschlag; die Niederlage hat Klopp und seinem Trainerteam vor Augen geführt, dass da noch mehr Arbeit wartet als bisher angenommen.

Nicht das Ergebnis als solches, sondern die Art und Weise, wie wirr und konfus besonders die Defensive gegen den Aufsteiger agierte, machte den sonst so wortgewandten Klopp nahezu sprachlos.

Highlights und Chaos-Veranstaltungen

"Zwischen dem, was wir wollen und dem, was wir machen, klafft eine grosse Lücke. Daran müssen wir arbeiten!", sagte er dann doch noch.

Grossen Momenten wie bei den Siegen gegen Chelsea (3:1), ManCity (4:1) oder im Pokal gegen den FC Southampton (6:1) stehen regelrechte Chaos-Veranstaltungen wie nun gegen Watford oder davor schon gegen Newcastle (0:2) gegenüber.

"Es ist viel passiert in den letzten Wochen", deutete Klopp in der BBC vielsagend an, ohne danach aber konkret zu werden. Es sei nicht leicht, all diese Dinge kurz zu benennen.

Augenscheinlich sind die Probleme in der Defensive sehr gross, sowohl in den gruppentaktischen Abläufen als auch bei den individuellen Entscheidungen der Spieler.

Da gibt es Zuordnungsprobleme, Unsicherheiten bei gegnerischen Standards, viel zu viele grobe Fehler einzelner Spieler. Die Mannschaft hat das eigentlich recht einfache Credo vom gemeinsamen Verteidigen und gemeinsamen Angreifen noch lange nicht verinnerlicht. Das Team zeigte sich zuletzt immer öfter wie in zwei Teile zerbrochen, aber nicht als schlüssig agierende Einheit.

Klopp-Plan nur teilweise zu erkennen

Es sind immer wieder Versatzstücke von Klopps Ideen sichtbar: das Spiel ohne Ball, die Laufwege in der Offensive, das Gegenpressing. Aber nur vereinzelt gelingt es den "Reds", diese auch zu einem Gesamtkunstwerk zusammenzufügen.

Wird die Kette irgendwo unterbrochen, weil ein Spieler eine falsche Entscheidung trifft, wird es schon schwer. Agiert die Mannschaft wie elf Individualisten wie zuletzt gegen Newcastle oder Watford, entsteht das reinste Chaos.

So sind auch die absurd abweichenden Leistungen und demzufolge auch die Ergebnisse zu erklären. Klopp steht jetzt bei je drei Siegen, Remis und Niederlagen in der Liga. Das ist eine schlechtere Bilanz als sie sein Vorgänger Brendan Rodgers bei seinem Amtsantritt vorweisen konnte.

Nebengeräusche lenkten zuletzt dankenswerterweise oft von der wieder schwächer spielenden Mannschaft ab: Klopp als Gesprächspartner von Klub-Ikone Steven Gerrard, Klopp als Weihnachtsmann in einem Kinderhospital, Klopp als Aggressor an der Linie, der danach seinem West-Brom-Kollegen Tony Pulis den Handschlag verwehrt.

Ein Interview von Jordon Ibe sorgte für Verzückung, als der Klopps eigenwillige Motivationsmethoden verriet ("Er hat mich drei- oder viermal geohrfeigt, er meint das aber in einer guten Art. Er will uns motivieren.") und überdies so zitiert wurde: "Er sagte uns, dass er es in sich hat - zu sein wie ein Dämon. Das ist das Wort, das er gebrauchte: Dämon." Das sind amüsante Anekdoten, die am Ende aber auch vom Wesentlichen ablenken.

Etliche Namen werden gehandelt

Klopp selbst hat von Anfang an Geduld eingefordert. Liverpools Kader ist schräg zusammengestellt, es fehlt an neuralgischen Positionen im Team an individueller Spitzenklasse. Nicht umsonst stehen Neuverpflichtungen im Winter im Raum.

Die ehemaligen Klopp-Spieler Neven Subotic und Kevin Grosskreutz werden gehandelt, dazu der Schalker Innenverteidiger Joel Matip oder dessen Mitspieler Sead Kolasinac.

Für die Offensive sollen die Verhandlungen mit Serbiens Supertalent Marko Grujic von Roter Stern Belgrad schon sehr weit fortgeschritten sein. Auch Valencias Andre Gomes ist angeblich ein Kandidat, ebenso soll Basels Stürmer Breel Embolo, hinter dem viele europäische Spitzenklubs her sind, auf dem Zettel stehen.

In Liverpool ist das mehr als das übliche Transfergeraune in der Winterpause. Die "Reds" wollen die Qualifikation mindestens für die Europa League. Am nötigen Kleingeld für Transfers soll es nicht mangeln. Über 500 Millionen Euro haben die US-amerikanischen Besitzer um John W. Henry in den letzten fünf Jahren bereits investiert.

Geduld ist gefragt

Von der Transferpolitik eines Klubs hängt der unmittelbare Erfolg ab - diese Regel gilt natürlich auch für den FC Liverpool. Denn dass sie einen der besten Trainer der Welt haben, daran zweifelt an der Mersey auch nach dem Stotterstart unter Klopp niemand.

Bei Borussia Dortmund hat Klopp fast zwei Jahre benötigt, um den Kader nach und nach aufzuräumen und die Mannschaft sowohl personell als auch ideell nach seinen Vorstellungen auszurichten.

Demnach wären jetzt in Liverpool gerade die ersten zaghaften Schritte vollbracht. Die Richtung ist damit klar vorgegeben, jetzt muss das grosse Puzzle aber noch richtig zusammengefügt werden. Das kann dauern. In der Zwischenzeit helfen die kleinen Gesten.

"Die Atmosphäre im Verein ist brillant. Ich denke, Jürgen Klopp hat den ganzen Ort hier verändert", schwärmte Steven Gerrard nach seinem Treffen mit dem Deutschen regelrecht, um dann zu enden: "Als ich danach aus dem Zimmer kam, war ich einfach nur glücklich."

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.