Er ist der momentan wohl unbeliebteste deutsche Fussballprofi. Julian Draxler gilt als egoistisch und geldgeil. In Frankreich allerdings ist er der grosse Hoffnungsträger des Top-Vereins Paris Saint-Germain. Kann er mit guten Leistungen sein Image wieder reinwaschen?
Julian Draxler steht in Deutschland als Synonym für Fussballprofis, die nur an sich denken. Vergangenen Sommer forderte er den VfL Wolfsburg dazu auf, ihn zu einem Top-Verein ziehen zu lassen. Dass er noch einen Vertrag bis 2020 hatte, interessierte ihn wenig. Mit seinem Ich-will-weg-Interview wurde er zum Buhmann einer ganzen Fussball-Nation.
Draxler macht zufriedenen Eindruck
Fast ein halbes Jahr musste er warten, bis sein Wunsch erfüllt wurde und er nach Paris durfte. Die fünf Monate hatten es in sich: Von den eigenen Fans wurde er ausgepfiffen, von Experten wie
Heute macht der 23-Jährige einen zufriedenen Eindruck. Und das nicht nur, weil er rund zehn Millionen Euro im Jahr verdient. Auch sportlich läuft es rund. In den sieben Pflichtspielen für PSG gelangen ihm vier Tore und eine Vorlage.
Dafür gab es ein Lob vom Bundestrainer. "Paris steht für technisch anspruchsvollen Fussball, das passt zu einem Spielertyp, wie
PSG-Trainer Unai Emery vertraut dem flinken Dribbler aus dem Ruhrgebiet. Sogar der ehemalige Real-Madrid-Spieler Jese Rodriguez wurde für Draxler aussortiert. "In seinem Spiel ist er variantenreich, egal ob mit oder ohne Ball. Deshalb kann man ihn nur schwer verteidigen", lobt Mitspieler Thomas Meunier in der "Sport Bild".
Auch in der Champions League, wo es heute gegen den FC Barcelona geht (20:45 Uhr, live auf Sky und bei uns im Ticker), gilt Draxler als Hoffnungsträger. Der Mittelfeldspieler kann mit dem Druck umgehen. "Es fühlt sich an wie ein Neuanfang. Ich bin in einer faszinierenden Weltstadt und einem neuen Klub – alles ist aufregend und spannend", sagt er gegenüber der "Welt".
Umgeben von Superstars der Champions League
Nun ist er umgeben von Superstars wie Edinson Cavani oder Thiago Motta, ist Bestandteil eines Vereins, der die Champions League gewinnen will. Und der so viel Wert auf die Aussendarstellung legt, dass die Akteure zu jedem Spiel mit dunklem Anzug und Krawatte anreisen. Nur die Aussendarstellung von Draxler könnte besser sein. Das Image des raffgierigen Profis haftet noch immer an ihm.
Draxler spricht rückblickend von einer "aberwitzigen Diskussion, die ich in einigen Punkten als sehr enttäuschend und unanständig empfand." Tatsächlich ist es zweifelhaft, Draxler als schwarzes Schaf darzustellen.
Im Milliarden-Geschäft Fussball wird mit harten Bandagen gekämpft. Berater geben Interviews im Namen ihrer Spieler, um mehr Geld zu fordern. Spieler werden von anderen Vereinen dazu aufgefordert, beim derzeitigen Arbeitgeber richtig Stunk zu machen, damit die Freigabe erfolgt. Nur gerät das nicht immer an die Öffentlichkeit wie bei Draxler.
Viele Vereine sind nicht besser: Spieler werden mit grossen Versprechungen verpflichtet. Bringen sie ihre Leistung nicht oder passen sie nicht in das System des neuen Trainers, werden sie weggemobbt.
Plötzlich sitzen sie auf der Tribüne, dürfen nicht mehr mit den Profis trainieren oder müssen sogar ihren Spind räumen, wie jüngst bei Bastian Schweinsteiger. Alles nur, um den Spieler schnell von der Gehaltsliste zu bekommen. Draxler und sein Berater Roger Wittmann kennen das Geschäft und haben entsprechend gehandelt.
Viel zu sympathisch für einen Buhmann
Eigentlich erscheint Draxler viel zu sympathisch, um ein Buhmann zu sein. Er nimmt sich Zeit für die Fans, steht normalerweise auch den Journalisten geduldig Rede und Antwort. Zudem ist er nicht für einen ausschweifenden Lebensstil bekannt.
Er geht nicht mit zigtausend Euro zum Pokern wie zum Beispiel Max Kruse. Er hat keine wechselnden Frauen wie Cristiano Ronaldo. Stattdessen ist er seit fast sieben Jahren mit seiner Jugendliebe Lena zusammen. Kurzum: Draxler ist der perfekte Schwiegersohn.
Warum er in Deutschland trotzdem ein schlechtes Image hat? Vermutlich weil Draxler ein "Wiederholungstäter" ist. Zur Erinnerung: Als er 2013 seinen Vertrag beim FC Schalke 04 verlängerte, liess der Verein Leinwände durch das Ruhrgebiet fahren. Darauf zu sehen war das Gesicht von Draxler und die Aufschrift "Mit Stolz und Leidenschaft bis 2018".
Im Sommer 2015 war davon kein Rede mehr. Plötzlich wollte er nach Wolfsburg. Dort wiederholte sich die Geschichte nun. Laut eigener Aussage hat er den Vereinen immer gesagt, zeitnah den nächsten Schritt machen zu wollen - sowohl in Wolfsburg wie auch auf Schalke. Die Wahrheit lässt sich im Nachhinein schwer ergründen.
Es wird jedenfalls dauern, bis Draxler die Herzen in Deutschland zurückgewonnen hat. Sein Leistungsaufschwung könnte helfen. Denn wie lautet noch die alte Fussball-Weisheit? Entscheidend ist auf dem Platz!
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