Der Transfermarkt, wie wir ihn kennen, könnte bald der Vergangenheit angehören - zumindest, wenn Lassana Diarra vor Gericht gewinnt. Sein Fall könnte die Fussballwelt in ihren Grundfesten erschüttern.
"Anarchie" auf dem Transfermarkt? Ein Fall Bosman 2.0? Das internationale Fussball-Business blickt diese Woche gespannt nach Luxemburg. Das anstehende Urteil des Europäischen Gerichtshofes im Fall Lassana Diarra hat laut Experten das Potenzial, das Fussball-Geschäft nachhaltig zu verändern.
Das wahrscheinliche "praktische Ergebnis von Diarra" werde sein, "dass das Transfersystem im Fussball, so wie wir es kennen, zu Fall gebracht wird", schrieben die belgischen Sportrechtsexperten Robby Houben, Oliver Budzinski und Melchior Wathelet in einem Beitrag mit Blick auf die wegweisende Entscheidung am Freitag.
Der Wettbewerb um die Spieler könnte sich verschärfen
Sollte Diarra Recht bekommen, dürften die Auswirkungen schnell spürbar werden. Kartellrechtsexperte Mark E. Orth erwartet "dass mit der EuGH-Entscheidung zu Diarra der Wettbewerb zwischen den Klubs um die Top-Spieler sich noch mal deutlich verschärfen wird. Die Top-Spieler werden also teurer", sagte der Experte laut kicker. Die Arbeitsvereinbarungen könnten zudem eine weniger starke Bindungskraft besitzen: "In Zukunft wird ein Spieler trotz bestehenden Vertrags deutlich leichter zu einem neuen Verein gehen können."
Die Auseinandersetzung, die das internationale Transfersystem infrage stellt, begann 2014. Zwischen Diarra, der zuvor auch für Real Madrid, den FC Arsenal und den FC Chelsea gespielt hatte, und seinem Klub Lokomotive Moskau kam es zum Bruch. Diarra verliess den russischen Klub wegen Gehaltskürzungen abrupt, nachdem er nur ein Jahr zuvor einen Vierjahresvertrag unterzeichnet hatte. Lokomotive verklagte Diarra wegen Vertragsbruchs.
Deshalb klagt Diarra
Die Fifa verhängte daraufhin eine Geldstrafe von mehr als 10 Millionen Euro gegen den Franzosen, die der Internationale Sportgerichtshof CAS später bestätigte. Fortan galt zudem, dass sich jeder potenzielle neue Klub von Diarra an der empfindlichen Strafe beteiligen müsse. Der belgische Erstligist Royal Charleroi nahm daraufhin Abstand von einer zuvor angedachten Verpflichtung, Diarra und seine Anwälte, die einst schon Bosman vertraten, gingen daraufhin juristisch gegen die Fifa vor.
Sie sehen Verstösse im aktuellen System gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit und das Kartellverbot. Maciej Szpunar, Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), stimmte im April im Grundsatz zu. Es besteht "kaum ein Zweifel am restriktiven Charakter der Fifa-Bestimmungen" über den Transferstatus von Spielern, heisst es in seinen Ausführungen: "Die angefochtenen Bestimmungen schränken naturgemäss die Möglichkeiten der Spieler ein, den Verein zu wechseln."
Nun wird die wegweisende Entscheidung der Richter mit Spannung erwartet, die laut des "Guardian" zu "Anarchie" führen könnte. Schon einmal veränderte der EuGH den Fussballmarkt mit dem sogenannten Bosman-Urteil nachhaltig. Damals wurde der Praxis, auch nach dem Vertragsende von Profis Ablösesummen zu verlangen, ein abruptes Ende gesetzt. Bosman, der am Donnerstag 60 Jahre alt wird, wird sicher verfolgen, ob sich das Milliarden-Business nun 29 Jahre später erneut spürbar verändert. (sid/bearbeitet von ska)
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