FC Bayern München, FC Arsenal, Inter Mailand - und jetzt Galatasaray Istanbul: Für die meisten Beobachter ist Lukas Podolski damit endgültig auf dem Abstellgleis gelandet. Der 30-Jährige hat aber gute Gründe, in die Türkei zu gehen. Vieles ist dabei dem einen grossen Ziel untergeordnet.
Immerhin, denken jetzt wohl einige, ereilt
Lukas Podolski hat einen neuen Verein gefunden. Podolski wechselt von Inter Mailand zu Galatasaray Istanbul. Nur die offizielle Bestätigung steht noch aus. Auf ihn wartet die Süperlig, die inoffizielle Istanbuler Stadtmeisterschaft, Heimat der Mäzene und verrückten Patriarchen, der fanatischen Fans und überbordenden Leidenschaft. Aber eben auch: der schale Geschmack von Korruption und Skandalen.
Für die meisten deutschen Beobachter sind die Süperlig und selbst Galatasaray, seit Jahrzehnten der erfolgreichste Klub des Landes, ein Abstellgleis für Veteranen. Oder, im besten Fall, der Zufluchtsort für jene Deutsch-Türken, die es in der Bundesliga nicht geschafft haben, aber trotzdem ein wenig Profifussball spielen und dementsprechend verdienen wollen.
Die Süperlig hängt hinterher
Für einen wie Podolski passt das Bild des Gescheiterten, der auf die alten Tage in einer ordentlichen Liga noch sehr ordentliches Geld verdienen will. Aber so ganz stimmig ist dieses Bild eben auch nicht. Natürlich hinkt die Süperlig den Big Four aus England, Spanien, Italien und Deutschland in fast allen Belangen weit hinterher. Natürlich ist Galatasaray ein allenfalls geduldeter Gast unter den besten 16 Mannschaften der Champions League. Und natürlich hat der Klub im internationalen Ranking auch nicht die Strahlkraft wie die Grössen Europas.
Dazu kommt Podolskis Vita mit den grossen Adressen ausserhalb der kölschen Heimat: Bayern München, der FC Arsenal, Inter Mailand. Klubs mit Weltformat und entsprechendem Glanz und Gloria. Da erscheint Gala nun einmal wie ein veritables Downgrade. Doch ganz so klar ist die Sache nicht.
Podolski hat es weder bei den Bayern, noch danach in London und in den letzten sieben Monaten in Mailand gepackt. Er konnte sich nirgends durchsetzen, wurde nach jeweils euphorischem Start immer mehr in die Rolle des Zusehers gedrängt, um dann am Ende den jeweiligen Klub entnervt zu verlassen. Beim FC Arsenal hat er noch einen Vertrag, aber in London wollten sie ihn nicht mehr aufnehmen. Das war der eigentliche Abschied aus der Champions League des Vereinsfussballs.
Podolski hat verstanden
Podolski hat verstanden, dass es für ihn ganz oben im Klub-Fussball nicht mehr reicht, Spötter würden anmerken, dass es nie gereicht hat. Vielleicht hat er mit Galatasaray einen Bruder im Geiste gefunden. Die Türken, einst sensationeller Europapokalsieger, hecheln trotz üppiger finanzieller Anstrengungen immer noch hinterher.
So richtig ist Gala nie im Konzert der Grossen angekommen. Überehrgeizige oder korrupte Funktionäre, ein fehlendes Jugendkonzept und ein völlig wirres Scoutingsystem mit dem Schwerpunkt darauf, sich zu oft nur an Namen, nicht aber an Leistung zu orientieren, haben den Klub stagnieren lassen.
Aber: Der Klub spielt dauerhaft in der Champions League, so auch in der kommenden Saison. Das unterscheidet ihn kolossal von Inter Mailand. Trainer Hamza Hamzaoglu hat sich komplett Podolski verschrieben und sich auch nicht von der Tatsache beeindrucken lassen, dass der Deutsche die letzten zwölf Monate fast ausschliesslich die Ersatzbänke Englands und Italiens gewärmt hat. Das wiederum unterscheidet den neuen Coach elementar von Arsene Wenger, der mit Podolski beim FC Arsenal nichts mehr anfangen konnte.
Vor allen Dingen aber gibt es einen Sinneswandel beim mittlerweile 30-Jährigen: Podolski hat kapiert, dass er für einen letzten Anlauf auf Klubebene einen halben Schritt zurück machen muss. Denn nur so wird das letzte ganz grosse Ziel auch realisierbar sein: die Teilnahme an der Europameisterschaft im kommenden Jahr.
Löw macht Druck auf Podolski
Galatasaray ist das Tagesgeschäft, Podolski wird aber immer auch die deutsche Nationalmannschaft im Blick haben. Im Verein will er nicht mehr nur das bestens gelaunte Maskottchen sein. Für die Aufnahme in die DFB-Auswahl braucht er regelmässige Einsätze. Das hat ihm zuletzt auch der Bundestrainer öffentlichkeitswirksam mitgeteilt.
"Ich will, dass er spielt; mindestens 30 bis 40 Spiele. Denn zwei Jahre ohne richtige Spielpraxis wären keine gute Grundlage, um bei der EM 2016 dabei sein zu können", sagte Joachim Löw und fügte da, dass es bei einem möglichen neuen Klub nicht um einen Top-Verein handeln müsse. Wichtiger sei, dass der Spieler Rhythmus und Praxis habe.
Beides kann Podolski in den kommenden drei Jahren in Istanbul finden. Dazu noch ein begeisterungsfähiges Publikum, das einen wie ihn schnell ins Herz schliessen wird. Und verdienen kann man in der Süperlig auch nicht schlecht. Lukas Podolski wagt nochmal einen neuen Anlauf, mit der heimlichen Priorität Nationalmannschaft. Das kann ihm niemand wirklich verübeln.
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