Am Samstag will Manchester City die sportliche Vormachtstellung mit dem Gewinn der Champions League untermauern. Doch hinter dem System der City Football Group steckt mehr als Star-Trainer Pep Guardiola und Stürmerwunder Erling Haaland. Ein Blick hinter die Kulissen des grössten, erfolgreichsten und umstrittensten Fussball-Geflechts.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Ein einziger Schritt fehlt noch. Noch ein Spiel, noch einmal 90 Minuten. Die sollten im Finale der Champions League dem Selbstverständnis nach reichen, denn Manchester City hat in dieser Saison eindrucksvoll bewiesen, dass man der derzeit beste Klub der Welt ist. Mit einer zermürbenden und ästhetischen Dominanz, einer beeindruckenden Körperlichkeit und bestechenden Fussball-Intelligenz sind die "Skyblues" durch die Königsklasse gedonnert.

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Ein Triumph im Endspiel am Samstag gegen Inter Mailand wäre die Kirsche auf der Torte, der dritte Titel zum Triple nach Meisterschaft und FA Cup.

Doch das ist nicht die ganze Wahrheit. Denn der erste Titel in der Königsklasse wäre für Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan und die City Football Group (CFG) vor allem die Erfüllung einer über Jahre aufgebauten Sehnsucht nach dem grössten sportlichen Statement im europäischen Vereinsfussball. Ein Meilenstein, immerhin 15 Jahre nach der Übernahme Citys durch den 52-Jährigen und die Abu Dhabi United Group für heute vergleichsweise läppische 185 Millionen Euro.

Wertvollste Fussball-Marke der Welt

In anderen Bereichen ist man längst an der Spitze. Passend dazu hat die Beratungsfirma "Brand Finance" wenige Tage vor dem grossen Finale Manchester City als wertvollste Fussball-Marke der Welt ermittelt. Das geschieht Jahr für Jahr anhand von Kennzahlen, die Marketinginvestitionen, den Markenwert von Stakeholdern und die kommerzielle Leistung bewerten. Demnach ist der Markenwert von City seit der Corona-Pandemie um 34 Prozent gestiegen.

Es ist das erste Mal seit sechs Jahren, dass ein englischer Verein die Spitzenposition innehat. Im Januar hat man zudem die Position als umsatzstärkster Klub der Welt erfolgreich verteidigt, wie eine Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte ergab.

Führend ist die Holding-Gesellschaft CFG auch in Sachen Multi-Club-Ownerships (MCO). Denn Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan hat inzwischen ein Fussball-Imperium aufgebaut, das weit mehr ist als Manchester City.

Neben den "Skyblues" gehören auch der New York City FC (USA), Melbourne City (Australien), die Yokohama F Marinos (Japan), der FC Girona (Spanien), der EC Bahia (Brasilien), Montevideo City Torque (Uruguay), Bolivar (Bolivien), Sichuan Jiuniu (China), Mumbai City aus Indien, der belgische Klub Lommel SK, ES Troyes AC aus Frankreich und der italienische Zweitligist Palermo FC zum Portfolio der Holding. 13 Klubs sind es insgesamt, mit City als Zugpferd an der Spitze. Hinzu kommen Partnerschaftsabkommen mit zahlreichen anderen Vereinen. Dieses Geflecht ist aber nur ein Puzzleteil.

Kritik von Jürgen Klopp

Im Grunde sind es drei Säulen, auf denen das System und der Erfolg Citys beruht. Über allem steht das Geld, rund zwei Milliarden Euro hat Manchester City seit der Übernahme für Transfers ausgegeben.

Geld spielt in dem Konstrukt keine Rolle – die Quelle aus dem Emirat versiegt nicht – und ist damit auf vielerlei Art ein Totschlag-Argument. Denn auf lange Sicht hat die Konkurrenz so keine Chance. "Sie haben das beste Team der Welt und holen den besten Stürmer auf dem Markt. Egal, was es kostet, sie machen es einfach", sagte Liverpools Trainer Jürgen Klopp. Es gebe "Klubs im Weltfussball, die finanziell machen können, was sie wollen".


Wie die "Daily Mail" vorrechnet, hat der "konkurrenzlos tiefe Kader" der "Citizens" mit Positionen, die doppelt mit Weltklasse-Spielern besetzt sind, rund eine Milliarde Euro gekostet. Das angesehene CIES Football Observatory hat die durchschnittlichen Kosten von Citys Startelf in dieser Saison auf 605 Millionen Euro berechnet. National zahlt sich das schon länger aus, die einstige Graue Maus Englands gewann in den vergangenen Jahren siebenmal die Premier League, dreimal den FA Cup und sechsmal den Ligapokal.

Politik der offenen Tür

Eine zweite Säule ist die Nachwuchsakademie, aus der zum Beispiel Talente wie Phil Foden entstammen. Er ist der prominenteste von drei Eigengewächsen im aktuellen Kader. Daneben nutzt die CFG natürlich die Netzwerke, die in den vergangenen Jahren rund um die Welt über alle Kontinente verteilt aufgebaut wurden. "Wir sind in der Lage, mit anderen Leuten in der Gruppe in Verbindung zu treten, sodass ich mit den Cheftrainern anderer Spitzenklubs in Kontakt stehe. Es ist eine Politik der offenen Tür, von der alle innerhalb der Gruppe profitieren", sagte Des Buckingham dem "Mirror". Er ist Trainer in Mumbai.

Oberstes Gebot: Der grundsätzliche Stil gehört zur Identität der City Football Group – und wird grob am Guardiola-Fussball ausgerichtet. "Es gibt eine 'City-Art' zu spielen. Wir müssen nicht wie ManCity spielen, aber es gibt Ähnlichkeiten und Prinzipien, auf die wir als Team innerhalb der Gruppe alle hinarbeiten", erklärt Buckingham.

Ansonsten ist das System der Synergien mit dem von Bundesligist RB Leipzig vergleichbar, wo die Kooperationen innerhalb der Gruppe ebenfalls beim Teilen von Erfahrungen, Trainingsmethoden oder Wissen genutzt werden. Ausserdem bedient sich der frisch gebackene DFB-Pokalsieger gerne bei Partner-Klub RB Salzburg, und erhält laut einer Studie der Deutschen Sporthochschule (DSHS) in Köln diese für Preise unter dem echten Marktwert. Im Schnitt ist der Transfer zwischen den Klubs der Red-Bull-Gruppe fünf Millionen Euro günstiger als auf dem "normalen" Transfermarkt, so ein Ergebnis der Studie.

Citys "Stars auf Halde"

"Stars auf Halde" nennt es bei City wiederum die "Daily Mail", die in den vergangenen zehn Jahren 36 dieser Spieler ausgemacht hat. 127 Jahre haben sie zusammen bei City verbracht, und in der Zeit ganze sechs Premier-League-Spiele absolviert, denn der Weg in die beste Mannschaft der Welt ist ungleich schwerer als von Salzburg nach Leipzig. Stattdessen spielen sie in der Regel bei einem oder mehreren Schwestervereinen innerhalb des City-Football-Group-Netzwerks, werden dort geparkt.

Dort haben die Macher vollen Zugriff und die Kontrolle über das Talent, Konkurrenzvereine schauen so in die Röhre. Schafft der Spieler den Durchbruch, steht er City zur Verfügung. Packt er es nicht, werden dafür im Idealfall die Partner-Klubs sportlich gestärkt oder aber der Spieler am Ende mit Gewinn weiterverkauft. Finanzielle Vorteile im Rahmen der Geschäfte unter den CFG-Vereinen haben die Konkurrenz in den betreffenden Ligen immer wieder auf den Plan gerufen, kritisiert wurde zum Beispiel unter anderem "Finanzdoping", passiert ist aber bislang nichts.

Ausschluss aus der Liga droht

Das gilt auch für City, denn das System wird von Anfang an von Kritik begleitet. Die aktuelle Untersuchung einer unabhängigen Kommission schwebt wie eine dunkle Wolke über dem Klub, denn das Ergebnis könnte alles verändern.

Bei dem Verstoss gegen die Regeln des Financial Fair Play zwischen 2012 und 2016 und die Uefa-Sperre kam City durch einen Gang vor den Internationalen Sportgerichtshof Cas noch mit einem blauen Auge davon. Bewahrheitet sich aber der aktuelle Vorwurf, City habe jahrelang gegen die Finanzregeln der Premier League verstossen, droht sogar der Ausschluss aus der Liga.

Das Mauscheln in Graubereichen, das Tricksen am Rande des Erlaubten, das Ausloten von Grenzen – auch das gehört zum System City, genauso wie angebliche Bilanz-Tricksereien, regelwidrige Millionenprovisionen an Spielerberater, Dreiecksgeschäfte bei Verpflichtungen von minderjährigen Fussballern und politische Verbindungen zum Emirat. Alles Vorwürfe, die im Raum stehen und den Klub jede Menge Sympathien gekostet haben. Bei vielen Fans steht City für all das, was sie am Profi-Fussball anwidert.

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Guardiola glaubt an Citys Unschuld

Doch Trainer Pep Guardiola ist "vollkommen überzeugt, dass wir unschuldig sind", betonte er im Februar. Sollte er getäuscht worden sein, "dann bin ich raus", verriet er. "Ich werde den Klub verlassen und wir werden keine Freunde mehr sein, denn am Ende geht es nicht einfach darum, die Champions League zu gewinnen, sondern die Dinge auf eine saubere Art zu erledigen". Denn sonst wäre der grösste Titel im europäischen Vereinsfussball am Ende sogar für City nichts wert.

Verwendete Quellen:

  • mancity.com: City named world´s most valuable football club brand
  • mirror.co.uk: Inside the City Football Group and how billion-pound business operates behind the scenes
  • dailymail.co.uk: Are Man City 'gaming the system'?
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