Manchester United ist vom neuen Investor Sir Jim Ratcliffe zu einem harten Sparkurs verdonnert worden. Betroffen sind nicht aber etwa Transfers oder Gehälter, sondern unter anderem Briefmarken, Tesafilm - und die Klubkantine.
Manchester United galt einst als mondäner Fussballklub. Zwar haben die Reds seit dem Abgang der Trainerlegende Sir Alex Ferguson keine Meisterschaft mehr gewonnen. Doch Geld für teure Stars und Trainer gab es im vergangenen Jahrzehnt trotzdem immer irgendwo zu finden.
Bis jetzt, so scheint es. Denn Sir Jim Ratcliffe, dessen Firma Ineos vor zwei Jahren bei ManUnited eingestiegen ist und mittlerweile 29 Prozent der Klub-Anteile besitzt, soll die Schnauze voll haben.
Der Chemie-Unternehmer hat dem Verein eine rigorose Sparpolitik verschrieben, die inzwischen kuriose Ausmasse angenommen hat. Die Zeiten, in denen Geld im Old Trafford grosszügig in alle Richtungen floss, scheinen endgültig vorbei. Stattdessen heisst es nun sparen – und zwar bei Kleinigkeiten, die fast absurd wirken.
Bei Manchester United wird an Briefmarken, Schrauben, Tesafilm und Gemüse gespart
Briefmarken, Tesafilm und Gemüse: das sind nur einige Unternehmens-Einkäufe, bei denen Manchester United unter der strengen Hand von Ratcliffe nun den Rotstift ansetzt. Vor kurzem musste eine Bestellung von Tesafilm am Trainingsgelände in Carrington sogar zurückgeschickt werden, weil sie als "nicht notwendig" eingestuft wurde, berichtet die "Telegraph"-Zeitung in einem aktuellen Report zur neuen Sparpolitik.
In der Klub-Kantine, wo früher die Spieler und Mitarbeiter von reichhaltigen Buffets verwöhnt wurden, sind nun die Portionen kleiner, die Auswahl ist reduziert, und wer nach mehr Gemüse fragt, muss erst auf die Genehmigung der Chefetage warten, schreibt der "Telegraph" weiter.
Ein Mitarbeiter scherzte gegenüber der Zeitung, es sei inzwischen "leichter, Drogen zu schmuggeln, als einen Brief zu verschicken", denn selbst Briefmarken und Umschläge sind Mangelware. Manchester United versucht sich offenbar in einer radikalen Neuinterpretation der "Papierlosigkeit".
Hinter solch amüsanten bis grotesken Anekdoten steckt jedoch bitterer Ernst. Der Grund für die Sparmassnahmen liegt in der dramatischen finanziellen und sportlichen Krise des Vereins. Manchester United hat in den letzten drei Jahren horrende Verluste eingefahren, die sich auf rund 313 Millionen Pfund (362 Millionen Euro) belaufen.
Jede Ausgabe jenseits der 30.000 Euro braucht das "Okay" von Jim Ratcliffe
Teure Fehleinkäufe, allen voran die Transfers von Antony und Casemiro für zusammen 155 Millionen Pfund (179 Millionen Euro) im Jahr 2022, haben tiefe Löcher in die Vereinskassen gerissen. Auch im Sommer 2024 wurden laut "transfermarkt.de" rund 245 Millionen Euro in neue Spieler investiert.
Unter anderem flossen rund 60 Millionen Euro für die beiden Bayern-Reservisten Noussair Mazraoui (15 Millionen Euro) und Matthijs de Ligt (45 Millionen Euro) von Manchester nach München, während der FC Bayern auch am Transfer seines ehemaligen Spielers Joshua Zirkzee von Bologna zu Manchester United (42,5 Millionen Euro) kräftig mitverdiente.
Inmitten dieser finanziellen Turbulenzen übernahm Ratcliffe vor genau einem Jahr mit Ineos die Kontrolle über das operative Geschäft des Vereins. Die Sparmassnahmen sind Teil einer umfassenden Strategie, um Manchester United vor dem finanziellen Kollaps zu bewahren.
Unter dem Motto "Zero-Based Budgeting" wird jede einzelne Ausgabe auf den Prüfstand gestellt – von der kleinsten Schraube bis zum Klebeband. Dabei sollen auch geringe Summen einen grossen Unterschied machen, argumentiert Ratcliffe, der den Verein wieder auf gesunde Beine stellen will. Laut "The Sun" muss künftig jede Geschäftsausgabe über 25.000 Pfund (rund 30.000 Euro) von ganz oben abgesegnet werden.
Doch die Sparmassnahmen dürften kaum ausreichen, um das Grundproblem von United zu lösen: die sportliche Erfolglosigkeit und die fehlende strategische Vision.
Trainerwechsel von ten Hag auf Amorim kostete Manchester Millionen
Während das Management Schrauben und Tesafilm zählt, taumelt die erste Mannschaft in der Premier League am Rande des Abgrunds. Aktuell befindet sich Manchester United auf einem alarmierenden 15. Platz, nur wenige Punkte trennen den Verein von der Abstiegszone.
Auch die Entlassung von Trainer Erik ten Hag im vergangenen Herbst und die Verpflichtung des neuen Trainers Ruben Amorim konnte dem Team keine Stabilität verleihen: Im Gegenteil. Abfindungszahlungen für ten Hags Trainerstab und Ablösesumme für Amorim an Sporting Lissabon kosteten rund 20 Millionen Euro.
Doch die sportliche Talfahrt ging seitdem einfach weiter. Die Spieler wirken bis heute verunsichert, das neue taktische System scheint nicht zu greifen, und die 0:1-Niederlage gegen Tottenham Hotspur am vergangenen Wochenende hat die Krise nur verschärft.
Kein Wunder also, dass die Stimmung nicht nur in der Spielerkabine, sondern auch unter den Mitarbeitern längst "am Boden" ist, wie der "Telegraph" nun berichtet. Viele Angestellten fühlen sich demnach demoralisiert und verunsichert, bangen um ihren Job.
Im August 2024 wurden bereits 250 Stellen gestrichen, was Einsparungen von etwa 35 Millionen Pfund (40,5 Millionen Euro) gebracht haben soll – in etwa die Höhe der Ablösesumme, die de
Das günstigste Ticket im Old Trafford kostet nun 80 Euro
Auch die Fans sind wütend. Ihre Enttäuschung über Ratcliffe hat sich sogar in Schmähgesängen manifestiert, ähnlich wie zuvor bei den verhassten Glazers, der amerikanischen Familie, die Anfang der 2000er beim Klub einstieg und der bis heute 44 Prozente der Anteile gehören. "Just like the Glazers, Jim Ratcliffe’s a c***", schallte es zuletzt von den Rängen.
Im Dezember wurden die Ticketpreise im Old Trafford erhöht: Der günstigste Platz ist nun für 66 Pfund (80 Euro) zu haben, Vergünstigungen für Kinder und andere Gruppen wurden komplett gestrichen. Eine Verteuerung der Dauerkarten im Sommer, über die bereits spekuliert wird, könnte die Beziehung der Fans in der Arbeiterstadt Manchester zur Vereinsführung um die Milliardäre Ratcliffe und Glazer weiter belasten.
Manchester United, einst bekannt für Titel und Glamour, kämpft derzeit gegen den Absturz – und zählt dabei jede Briefmarke.
Verwendete Quellen:
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