Immer öfter lagern Verbände wichtige Sportveranstaltungen ins zahlungskräftige Ausland aus. Zuletzt fand der spanische Supercup in Saudi-Arabien statt. Die Bundesliga dagegen fährt ein Sparprogramm - aus gutem Grund.
26 handverlesene Fans begleiteten die Mannschaft des FC Valencia kürzlich ins ferne Saudi-Arabien. Der Grund: Das Land war Gastgeber des spanischen Supercups, richtig, des SPANISCHEN Supercups.
Über 6.000 Kilometer liegen zwischen Valencia und dem Spielort Dschidda in der Provinz Mekka. Offenbar schreckte da schon die Aussicht auf zwei Tagestrips für An- und Abreise viele Fussball-Anhänger ziemlich ab. Die trotzdem mitgereisten Valencia-Fans zeigten ihre Abneigung gegen den Spielort und den neuen Modus deshalb besonders schonungslos.
Und das Turnier im Wüstenstaat am Golf fand auch bei den anderen drei Teilnehmern kaum Zulauf: Von den 12.000 verfügbaren Tickets setzten Real Madrid (rund 700), der FC Barcelona (300) und Atletico (50) nicht mal ein Zehntel des verfügbaren Kontingents ab. Die spanische Supercopa war damit für die Anhänger der teilnehmenden Klubs ein totaler Reinfall - und wird auf mittelfristige Sicht auch für den spanischen Fussballverband RFEF zum Politikum werden.
Denn Menschenrechtsverbände liefen Sturm gegen die Vergabe eines nationalen Wettbewerbs in ein Land, das allein an einem Tag im April 2019 37 Menschen hat hinrichten lassen. In dem Dutzende Frauenrechtlerinnen im Gefängnis sitzen, ebenso eine unbekannte Anzahl an Akademikern, Journalisten und Rechtsanwälten. Das den Journalisten Jamal Khashoggi regelrecht hat abschlachten lassen.
Spanien folgt Italiens Beispiel
Dem RFEF war das alles recht egal, er bastelte aus der früheren Variante des Hin- und Rückspiels zwischen Meister und Pokalsieger kurzerhand ein Final-Four-Turnier und kassiert damit für drei Auflagen, von 2020 bis 2022, von den Scheichs kolportierte 120 Millionen Euro.
Unter dem Deckmantel der "Transformation" schickte Verbandspräsident Luis Rubiales seine vier grössten Klubs also gen Osten. Der spanische Fussball sollte den "Cup der Gleichheit", wie Rubiales ihn nannte, unters gemischte saudische Volk bringen: Im Stadion waren tatsächlich auch Besucherinnen erlaubt.
Der spanische Verband hat damit die Grenze des Zumutbaren auf ein neues Level gehoben, aber er ist im europäischen Fussball wahrlich nicht die einzige Institution, die des Geldes wegen jegliche Bedenken über Bord wirft.
Bereits zu Beginn der 1990er-Jahre verlegte die Serie A ihren Supercup in ferne Länder. 1993 spielten Milan und der FC Torino den Cup in den USA aus, neun Jahre später fand das Endspiel in Libyens Hauptstadt Tripolis statt.
Danach noch viermal in China, zweimal in Katar und zuletzt zweimal in Saudi-Arabien. Die Gas- und Petrol-Dollars aus Nah- und Fernost haben auf die Verantwortlichen offenbar eine magische Anziehungskraft, liefern aber auch denjenigen Munition, die eine Situation dieser Art gerne für ihre eigenen Zwecke missbrauchen.
"Dass ein italienischer Superpokal in einem islamischen Land ausgetragen wird, in dem Frauen keinen Zugang zum Stadion haben, wenn sie nicht von Männern begleitet werden, ist abscheulich. Ich werde dieses Match nicht verfolgen", sagte der damalige Innenminister Matteo Salvini von der rechtsgerichteten Partei Lega.
Nordamerikas Profiligen verfolgen ein anderes Konzept
In einer globalisierten Sportwelt führen Ansetzungen wie jene im Profifussball allenfalls noch zu einem kleinen und sehr kurzen Aufschrei. Grosse Wettbewerbe oder Highlights werden schon längst in zweifelhafte Länder vergeben, die Olympischen Spiele, die European Games, einige Formel-1-Rennen.
Drei der grössten Sportligen der Welt haben es längst zur Tradition gemacht, einzelne Ligaspiele auszulagern: Die NBA, die NFL und die NHL haben teilweise schon vor Jahrzehnten Europa als Zweitmarkt für sich entdeckt. Dort ist - neben der entsprechenden Masse an potenziellen Kunden - auch die Finanzkraft hoch genug, um sich dauerhaft an die jeweilige Sportart binden zu können.
Die Bosse der nordamerikanischen Ligen verfolgen einen anderen, nachhaltigeren Ansatz als ihre Fussball-Kollegen aus Europa: Es geht um lang anhaltenden Erfolg am Markt und darum, in den USA populäre Sportarten auch in anderen Teilen der Welt populärer zu machen - um dann über einen langen Zeitraum profitabel wirtschaften zu können.
In Deutschland geht man damit eher konservativ um. Die Fussball-Bundesliga zum Beispiel war mindestens zehn Jahre zu spät dran mit der sogenannten Internationalisierung. Diese sah vor 15 Jahren noch so aus: Nichts wie rein in den asiatischen Markt mit seinen Milliarden potenziellen Kunden. Doch da hatte die englische Premier League längst alles abgegrast. Es halfen auch Verzweiflungstaten nichts mehr - wie jene der DFL, Trainingslager für Bundesliga-Abstiegskandidaten Energie Cottbus oder Arminia Bielefeld irgendwo nach Fernost zu verlegen.
Die Bundesliga bleibt (noch) standhaft
Der FC Bayern war in der aktuellen Winterpause nun zum zehnten Mal in Doha. Das Trainingslager in Katar ist längst zu einer Institution geworden, wenngleich der Rekordmeister sich Jahr für Jahr dafür rechtfertigen und erklären muss.
Ungeachtet der dauerhaften Proteste einzelner Fangruppen - am letzten Spieltag vor der Winterpause hatten die Ultras ein Banner mit der Aufschrift "Und wieder fliegen mit Kafala Airways die Menschenrechte davon" aufgehängt - ziehen die Bayern ihr Wüsten-Engagement rigoros durch. Auch der deutsche Rekordmeister redet gerne davon, den Kataris dabei zu helfen, sich langsam aber sicher zu öffnen. Da ist dann von "Dialog" und "verbesserten Dingen" die Rede.
Im Grunde geht es aber auch dabei natürlich nur ums Geld. Nicht zufällig hat etwa der brasilianische Fussballverband schon seit Jahren die Testspiele der Selecao ins ferne Ausland verlegt. Selbst Trainingslager und -einheiten werden vermarktet und zu regelrechten Showveranstaltungen, irgendwo in der Schweiz, in China oder Singapur.
Grundsätzlich bleibt in Deutschland der Ligen- und Pokalbetrieb aber von Auslagerungen wie in Spanien oder Italien vorerst verschont.
Ein Vorstoss von "Adidas"-Boss Kasper Rorsted vor knapp drei Jahren wurde sofort von allen Seiten niedergebügelt: "Was spricht dagegen, wenn künftig ein DFB-Pokalfinale statt in Berlin auch einmal in Shanghai ausgetragen würde?", fragte der Däne damals in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". "Ich befürworte das und sehe das als Chance."
Laut Rorsted habe die lokale und regionale Bindung für Profiklubs keine grosse Bedeutung mehr. Ausserdem liessen sich Fussballspiele durch die Digitalisierung überall auf der Welt live verfolgen. "Diese Entwicklung lässt sich nicht aufhalten, ob uns das gefällt oder nicht."
Der Gegenwind war damals enorm. Der DFB, die DFL und alle Verantwortlichen der Klubs, die danach gefragt wurden, lehnten ein solches Szenario kategorisch ab. Selbst der ansonsten wachsweiche ehemalige DFB-Präsident Reinhard Grindel steuerte, zumindest öffentlich, sofort dagegen.
"Das DFB-Pokalfinale an einem festen Ort, nämlich in Berlin, auszutragen, ist eine tolle Erfolgsgeschichte, es ist zu einer eigenen Marke geworden. Das Berliner Olympiastadion - 1985 als ständiger Austragungsort installiert - ist als deutsches Wembley längst ein Mythos. Ein Mythos, der lebt", erklärte der DFB-Boss umgehend.
Noch verwehrt sich die wichtigste und finanzstärkste Liga des Landes den finanziellen Verlockungen. Ähnlich wie in der 50+1-Debatte bleiben die Vertreter der deutschen Verbände noch standhaft.
Die Volksnähe des Fussballs in Deutschland ist ein hohes Gut, Zustände wie in Madrid oder Barcelona oder bei den fünf, sechs grossen Klubs der Premier League, wo tausende Plätze in den Stadien von Touristen besetzt sind, und das zu horrenden Eintrittspreisen, will man in der Bundesliga nicht haben. Doch ob das für immer so bleibt?
Quellen:
- stadionwelt.de: Kritik an italienischem Supercup in Saudi-Arabien
- welt.de: Adidas-Chef wirbt für Pokalfinale im Ausland
- bz-berlin.de: DFB-Präsident Grindel gegen Pokalfinale im Ausland
Medien: Benedikt Höwedes vor Wechsel zum 1. FC Köln
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